«Es geht für mich um Leben und Tod», sagt Reto Stalder, 30, zu dem Fan, der ihn gerade im Berner Kaffee Rösterei anspricht. Mehr darf er über das Schicksal seines Alter Egos, des schrägen Gothic-Freaks Fabio Testi in der SRF-Krimiserie «Der Bestatter», nicht verraten. Gerade läuft deren fünfte Staffel im TV.
Obwohl Reto Stalder ein Serienstar ist, besitzt er keinen Fernseher. Flatscreens sind nicht sein Ding. Die Serie schaut er sich lieber mit seinen Freunden oder bei Public Viewings an. Als ehemaliger Theaterdarsteller spürt er gern die direkten Reaktionen des Publikums. Gleich nach der Schauspielschule bekam er die Rolle des Fabio, der sich vom Lehrling mit morbiden Ansichten zum eidgenössisch diplomierten Bestatter hocharbeitet. Wenn er seinem Chef Luc alias Mike Müller im Leichenwagen Vorträge über Kundenbindung hält, kugeln sich die Zuschauer vor Lachen.
Stalders Beruf ist zu unsicher
Anders als Fabio ist Reto Stalder weniger nachdenklich, aber ebenso neugierig. «Mir ist nie langweilig», sagt er. Am Set macht der Berner den Kostümbildnern mit seinen Rüschen-Outfits viel Arbeit, gilt als detailversessen. Da spürt man noch den Konstrukteur. Denn wenn er nicht für die Serie vor der Kamera steht oder Hörspiele einspricht, zeichnet er ganz bodenständig Pläne für Bahnanlagen. Jeder Strich muss da sitzen. Doch genau und aufgeräumt ist er nur beim Job, zu Hause darf es auch mal chaotisch sein. «Ich weiss aber immer, wo mein Zeug ist», sagt er mit einem herzlichen Lächeln.
Der Schauspieler ist kein Partytyp, lieber geht es mehrmals im Monat ins Kino. Doch zurzeit passt er auch gerne auf seinen sechsmonatigen Göttibuben auf. Arthur ist der Sohn von Retos Studienfreund, Regisseur Wolfram Höll, 30. Reto bespasst den Kleinen perfekt mit Tröte und Rassel, trägt ihn ans Fenster zum Rausschauen. Sogar einen Rüeblibrei kredenzt er in der Miniküche seines Ateliers, das er sonst zum Lernen und Proben nutzt. Trotz Vaterqualitäten, eigene Kinder wünscht er sich bisher noch nicht. «Dafür ist mein Beruf zu unsicher.» Freiheit ist ihm wichtig. Mit einem Job ist er erst zufrieden, wenn er Sinn dahinter sieht.
Der Quotenhit «Der Bestatter» ist für SRF seit 2013 ein Glücksgriff. «Wir hatten ja keine Serientradition in der Schweiz. Jetzt können wir ein Serienland werden», ist sich Reto Stalder sicher. Das sei auch eine Chance für junge Darsteller, in der Heimat im eigenen Dialekt zu drehen. Schon produziert der Sender zwei neue Serien. Über den Onlineanbieter Netflix wird «Der Bestatter» jetzt sogar in anderen Nationen, etwa in Japan oder in den Niederlanden, ausgestrahlt. Selbst von dort kommt Fanpost. Eine Gothic-Anhängerin schrieb Stalder, wie sehr sie sich freue, dass Gothic Fabio in der Serie so normal behandelt wird. Seine Empathie und Warmherzigkeit fallen zunehmend öfter auf als die düsteren Outfits. Die Figur ist zwischen Sarg und Bahre reifer geworden und bleibt so auch für Darsteller Reto Stalder spannend. Und wie würde er jemanden umbringen? Der Schauspieler überlegt lange. «Keine Ahnung. Schusswaffen wären mir zu laut. Aber Giftmord, das hätte schon was. Giftpflanzen finde ich faszinierend.»