Girlanden im Gang, Blumen, eine ungeöffnete Champagnerflasche: Der WM-Triumph von Julie Zogg, 26, ist rund um ihre Wohnung in Mels SG noch fassbar. Dabei ist es schon einige Wochen her. Bevor sie zurück im Rheintal war, gings vom WM-Ort Park City in den USA zuerst noch für Rennen nach Südkorea und China. Nun aber ist die 26-jährige Profi-Snowboarderin wieder zu Hause. Hier gehts gleich weiter in den Garten ihrer älteren Schwester Svenja, 28, nur einen Katzensprung entfernt, wo sie so oft wie möglich anzutreffen ist.
Anstatt Bäbis gibt Schaufeln
Mit ihrem Göttibueb Lauro, 3, und dessen Bruder Luano, 1, verwandelt sie den Sandkasten in eine Baustelle mit Bagger und Zement. «Schon früher sagte mir Bäbele nichts», sagt die ausgebildete Polymechanikerin, «ich nahm lieber den Werkzeugkasten.» Das Spielen mit ihren Neffen macht ihr Spass.
Vor allem zu ihrem Göttibueb hat Zogg eine enge Verbindung. Der besondere Ursprung dafür: Julie und Svenja waren gemeinsam in Locarno in den Ferien, als bei Svenja viel zu früh Wehen einsetzten. Deren Mann schaffte es nicht mehr rechtzeitig ins Tessin. Und so stand an seiner Stelle Julie ihrer Schwester bei der Geburt bei. «Das hat auch uns noch enger zusammengeschweisst.»
Die beiden wachsen in Weite SG auf, nicht weit von ihrem heutigen Wohnort entfernt. Julie ist früh begeistert von der Piste, verbringt ihre Freizeit im Winter komplett im Schnee. Bevor sie mit dem Snowboarden beginnen darf, muss sie aber gut Ski fahren lernen. Auch heute steht Zogg in ihrer Freizeit lieber auf den Ski, «als Abwechslung». Wettkampfmässig aber gibt es für Julie immer nur das Snowboard.
Ihr Vater, der früher Skirennen fuhr, nimmt am Nachmittag oft frei, um seine Tochter nach Flumserberg zu begleiten und zu trainieren. Diese verfolgt ihren Weg konsequent und mit Ehrgeiz. Bereits mit 16 Jahren wird sie zum ersten Mal Junioren-Weltmeisterin, vier weitere Titel auf diesem Level folgen. Mit 22 gewinnt sie den Gesamt-Weltcup, steht 15-mal auf dem Weltcup-Podest. Und nun ist sie auch bei den Grossen Weltmeisterin, siegt im Schneetreiben von Utah im Parallel-Slalom.
Wegen der Zeitverschiebung kann Göttibueb Lauro den Final nicht live im Fernsehen schauen, erfährt erst am nächsten Tag von der Goldmedaille. Im MuKi-Turnen ruft er dann aber stolz: «Gotti ist Weltmeisterin! Gotti ist Weltmeisterin!» Bis er ihr persönlich gratulieren darf, muss er wegen der Rennen in Asien aber noch ein wenig warten.
Und auch Zogg kommt auf ihrer Reise um die Welt noch nicht gross dazu, die Goldene zu feiern. Zwar schaltet sie auf dem Weg noch ein paar Tage auf Hawaii ein, um ein bisschen Sonne zu tanken. «Doch ich war müde, und in Waikiki Beach schlossen die Bars teilweise schon um 22 Uhr», sagt die Zeitsoldatin.
Nach sechs Wochen unterwegs, ist Zogg dann aber froh, wieder zu Hause zu sein. Bei einem so langen Trip rund um den Globus droht im kleinen Alpin-Snowboard-Team irgendwann der Lagerkoller. Zudem ist Zogg auch frisch verliebt. Ende Dezember lernt sie am Spengler Cup im Ausgang Christoph Hänggi kennen. Der 30-jährige Davoser ist sofort Feuer und Flamme für die Rheintalerin. «Sie ist mir gleich ins Auge gestochen», erinnert sich der NLB-Unihockeyaner bei Davos-Klosters.
Schon am folgenden Tag sehen sie sich wieder, und dann geht es schnell. «Es passt einfach.» Umso härter natürlich, dass Zogg kurz darauf bereits an die nächsten Rennen reisen muss. Bald hat das Paar aber mehr Zeit füreinander: Ende März ist die Saison der Snowboarderin zu Ende, in den Schnee geht es erst wieder im September.
Im Sommer wartet neben dem Konditionstraining noch eine neue Herausforderung auf Zogg: Sie hat die Ausbildung zur Personaltrainerin abgeschlossen und wird voraussichtlich das Konditionstraining der Lady Lakers leiten, das Frauenteam des Eishockeyklubs SC Rapperswil-Jona. Etwas, das sie sich auch für die Zukunft wünscht. «Ich möchte vor allem mit jungen Sportlern arbeiten.» Wie ein ganzer Haufen Gottikinder.