Was bedeuten Ihnen Waffen, Herr Hess?
Sie sind Mittel zum Zweck.
Waren Sie im Militär?
Ja, ich bin Oberst und war Präsident einer Schützengesellschaft. Ein Waffensammler bin ich nicht. Als Jäger ist die Waffe für mich das Instrument, um Beute zu machen, so wie früher die Steinschleuder oder der Pfeilbogen.
Wie kams zu Ihrem Sinneswandel? 2014 haben Sie im Nationalrat noch für die Lockerung der Kriegsmaterialexporte gestimmt!
Damals war ich für eine lockerere Verordnung, weil ich für eine starke Rüstungsindustrie und eine starke Landesverteidigung bin.
Doch nun will Ihre Partei, die BDP, dass das Thema vors Volk kommt.
Ich auch, wenns nicht anders geht.
Warum?
In den letzten vier Jahren ist einiges in der Welt passiert, was mir zu denken gibt – Kriege, Terror. Die Änderung, die der Bundesrat jetzt will, geht selbst mir zu weit, weil sie in einen ganz sensiblen Bereich zielt. Sie betrifft Länder mit internen Konflikten und Bürgerkriegen, in denen Schweizer Waffen unter gewissen Bedingungen eingesetzt werden könnten.
Und bei diesem sensiblen Thema möchten Sie dem Volk das letzte Wort überlassen?
Der Waffenexport ist auch mit der Schweizer Asyl- und Auslandpolitik verbunden. Deshalb geht es nicht, dass diese wichtigen Entscheide einfach vom Bundesrat per Verordnung gefällt werden. Wenn der Bundesrat weiter im Alleingang umstrittene Entscheide fällt, verschwindet in der Bevölkerung die Akzeptanz für Waffenexporte komplett.
Was hat Waffenexport mit Asylpolitik zu tun?
Wir sollten keine Waffen in Länder exportieren, in denen es interne Konflikte gibt. Denn damit würden wir indirekt helfen – selbst wenn es keine Absicht ist –, diese Konflikte weiterzutreiben. Das sorgt für mehr Vertriebene und letztlich auch für mehr Asylsuchende.
Haben Sie als Oberst und Jäger mehr Ahnung von Waffen als die linken Politiker, mit denen Sie nun gemeinsame Sache machen?
Ja, ich habe einen unverkrampften und unideologischen Zugang zum Thema. Ich bin überzeugt, dass eine Waffe nichts Verwerfliches ist, wenn die Ausbildung stimmt. Deshalb sollte man bei Jungschützenkursen auf keinen Fall sparen. Gefährlich wird es, wenn Waffen in die falschen Hände gelangen.
Schweizer Waffen sind bereits in falsche Hände gefallen!
Ja, offenbar gelangten Handgranaten der Ruag zu IS-Terroristen in Syrien.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie diese Bilder sahen?
Es gibt einem ein schlechtes Gefühl, wenn man denkt, dass die Schweiz irgendwo am Rand – wenn auch ungewollt – dabei war. Die grausamen Exekutionsbilder des IS sehe ich noch heute vor mir.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann sieht trotzdem kein Problem darin, Waffen in Länder mit einem internen Konflikt zu liefern.
Unter der Bedingung, dass die Waffen nicht in diesem internen Konflikt verwendet werden.
Stellt Sie das zufrieden?
Nein, das scheint mir schwach. Auf dem Papier klingt es gut, aber wie das Beispiel des IS zeigt, kann man nur schwer kontrollieren, wo das Material landet. Schon jetzt spielt bei der Waffenausfuhr die Beurteilung der Länder eine grosse Rolle. Dort gibt es einen Spielraum, und den sollten wir nicht in die falsche Richtung ausdehnen.
Wo die Waffen landen, ist schwer kontrollierbar. Also wäre der Verzicht auf Exporte die einzige konsequente Lösung.
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Dazu muss man stehen. Ein generelles Exportverbot wäre widersinnig, denn wir können nicht einerseits Waffen für unsere Verteidigungsarmee herstellen, diese dann aber nicht an andere Länder geben, wenn sie dort in die richtigen Hände kommen. Solange wir unsere Landesverteidigung sichern möchten, sind wir auf die Rüstungsindustrie angewiesen. Und diese ist wiederum darauf angewiesen, Exporte machen zu können. Der Inlandmarkt alleine reicht nicht.
Die Rüstungsfirmen beklagen die heutige Situation und sagen, eine Lockerung sei für ihr Fortbestehen notwendig.
Die Rüstungsindustrie wird sich damit auseinandersetzen müssen, dass ihr Geschäft schwierig ist. Es ist ein wenig zynisch, darauf zu hoffen, dass man immer umstrittenere Exporte machen kann, um zu überleben. Zum Vergleich: Unsere Banken hatten Geschäftsmodelle, die Probleme verursachten. Als neue Regeln kamen, sicherten diese das Überleben der Bankenindustrie. Genauso müssen wir einen Rahmen und eine Akzeptanz für unsere Rüstungsindustrie schaffen, damit wir sie erhalten können.
Wirtschaftsminister Schneider-Ammann sagt, dass jetzt schon Schweizer Firmen ihre Produktion nach Deutschland verlagern, um die hiesigen Gesetze zu umgehen.
Das passiert in vielen Bereichen und ist keine gute Entwicklung.
Also müsste man dem Druck der Rüstungsfirmen nachgeben, um diese Abwanderung zu verhindern?
Nein, denn es geht neben der wirtschaftlichen auch um eine moralische Frage. Wenn wir überall hin liefern, würde das nicht mehr zur Schweizer Tradition der Humanität passen.
Länder und Werte verändern sich.
Aber das hätte einen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit unseres gesamten Landes. Viele Erfolge, die wir im Handel und in der Politik haben, entstehen, weil wir als korrekter und zuverlässiger Partner gelten. Je mehr wir nun in Graubereiche gehen, desto schlechter ist es für den Ruf unseres Landes.
Schweizer Rüstungsfirmen stellen aber nicht nur Waffen her…
…sondern auch technische Geräte für zivile Zwecke.
Wenn das Volk über den Export dieser Güter abstimmt, wirft es doch alles in einen Topf?
Diese Gefahr besteht tatsächlich. Deshalb unterstütze ich die Initiative nur unter zwei Voraussetzungen. Erstens: Wenn der Bundesrat nicht selbst innert nützlicher Frist über die Bücher geht. Zweitens: Wenn die Initiative den Status quo erhält. Wird dort noch die Hintertür zu weiteren Einschränkungen gesucht, dann bin ich raus.
Das Schweizer Volk hat schon mehrmals eine Einschränkung des Waffenexports abgelehnt. Warum sollte es nun anders sein?
Die früheren Versuche waren Teil einer Bewegung, welche Rüstungsindustrie und Armee am liebsten komplett abgeschafft hätte. Nun geht es aber um eine ganz konkrete Frage: Wollen wir tatsächlich Waffen in Länder liefern, in denen es Krisenherde und interne Konflikte gibt? Oder wollen wir lieber den Status quo beibehalten? Diese Fragen sollten wir uns jetzt stellen.