Er ist Argentinier, sein Herz schlägt aber genauso stark für Basel: Matias Delgado genoss seine letzten Fussballerjahre da, wo sich seine drei Kinder zu Hause fühlen. Victoria wird bald vier. Und sie weiss genau, was sie alles machen möchte, wenn sie grösser ist: Fussball, Tennis sowie Basketball spielen, schnell rennen und springen. «Und grillieren, nicht?», fragt Papa Matias Delgado. Die Familie sitzt auf ihrer Lounge neben einem riesigen Cheminée für die argentinischen Barbecues, bei denen Victoria so gerne hilft. Den Rest des Gartens füllt der Kunstrasen aus, komplett mit zwei kleinen Fussballtoren und einer Flutlicht-Anlage. Ein Kindertraum. «Fast wie im St. Jakob-Park», sagt Delgado schmunzelnd.
Matias Delgado, 34, und seine Familie fühlen sich in Pfeffingen BL wohl. Und das ist mehr als eine Fussballer-Phrase: Basel ist zur zweiten Heimat geworden. «Manchmal fühle ich mich, als wäre ich von hier», sagt er. Die Basel-Anhänger lieben solche Aussagen ebenso wie die, dass er in seiner Heimat bei Siegen oder Toren nie sein Trikot geküsst habe – in Basel tut er es. Der FCB hat beinah so viele Leibchen mit Delgados Namen verkauft wie solche mit Marco Streller drauf.
Vor vier Jahren kehrt er dankbar nach Basel zurück
2003 kommt er als 20-Jähriger aus Buenos Aires nach Basel. Schon sein Vater Eduardo war Profi, Matias selbst spielte im Nachwuchs von River Plate und wurde bei den Chacarita Juniors Profi. In Basel wird er nach kürzester Zeit als Zauberer auf dem Rasen vergöttert. Wie kreativ er das Spiel gestaltet, seine genialen Pässe und Freistösse lassen ihn zum Fanliebling werden. Im Erfolg wechselt er 2006 zu Besiktas Istanbul, 2010 nach Abu Dhabi. Richtig glücklich wird er dort aber nicht – vor vier Jahren kehrt er dankbar nach Basel zurück.
Beim FCB war der Regisseur Captain und Integrationsfigur, obwohl er kein Deutsch spricht. Mit Spanisch, Italienisch und Englisch kommt man in der internationalen Fussballwelt weit. «Unsere Nachbarin bringt uns manchmal Deutsch bei – aber mitten in der Konversation wechseln wir wieder ins Englische», sagt Delgado fast entschuldigend. Seine Kinder haben ihm da etwas voraus: In der englischsprachigen International School lernen sie auch Deutsch und im Fussballklub zudem Dialekt – Nicolas, 11, spielt beim FCB und Dolores, 9, beim FC Aesch.
Liebe auf der ersten Blick
Auch seine Frau Laura hat Delgado in Basel kennengelernt, sie ist ebenfalls Argentinierin und lebte damals bei ihrem Bruder, dem bestens bekannten Julio Hernan Rossi, 2002 bis 2006 Torjäger beim FCB. «Für mich war es Liebe auf den ersten Blick, als sie die Tür öffnete», erinnert sich Matias. Allerdings durfte sie noch nichts davon merken: «In Argentinien ist die Schwester des besten Freundes tabu. Es war schwierig für mich, Julio zu sagen, dass ich mich für Laura interessiere.» 13 Jahre später lachen die beiden herzlich darüber – und Rossi, der in Neuenburg lebt, staune manchmal, dass sie noch ein Paar sind.
Während der Zeit in der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten wächst die junge Familie eng zusammen. In Istanbul etwa ist der Rummel riesig, Delgado geht nicht mehr ohne Bodyguard aus dem Haus. Laura kann nicht wie früher in Basel als Tennislehrerin arbeiten, und die übrige Familie ist weit weg.
Zurück nach Argentinien?
Dass das Familienleben von Fussball bestimmt wird, ist nun vorbei: Delgado hat seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Wo die Familie nach dem Karriereende leben wird, konnte er Anfang Juni noch nicht sagen. Argentinien wird es wohl aber nicht. Zwar fehlt beiden die Familie, die sie jedes Jahr in den Weihnachtsferien besuchen, und sie sind auch etwas traurig, dass ihr Nachwuchs die Verwandtschaft nicht öfter sieht. «Aber die Kinder sind es gewohnt, selbstständig hinausgehen zu können», sagt Laura Rossi. «In Argentinien ist es leider viel gefährlicher, Garten und Häuser sind mit Gittern verriegelt.» Zudem schätzen sie die guten Ausbildungsmöglichkeiten «und den Respekt untereinander».
Dafür versuchen sie, den Kindern im Alltag eine gewisse argentinische Kultur zu vermitteln: typische Musik, Spiele, Essen. Lauras Mutter war Tangolehrerin, «ich kann aber nicht tanzen», wehrt Delgado ab. Neben Basel ist nach dem Karriereende aber auch Spanien eine Option. Beide haben Geschwister, die dort leben, und auch Julio würde mitgehen. «Ich will in Basel bleiben», tönt es da aus der Spielecke des Wohnzimmers von Nicolas. Er ist ebenfalls Mittelfeldspieler und durfte im vergangenen Jahr in einem Champions-League-Spiel gegen Ludogorets gar an der Hand des Vaters einlaufen. Ein emotionaler Moment für beide.
Inzwischen hat sich Victoria ein Prinzessinnenkleidchen angezogen, sie bringt Papa eine kleine, pinke Gitarre. Daneben steht auch eine richtige für ihn. «Aber ich spiele schlecht», sagt er. Das muss nicht stimmen – Bescheidenheit gehört zu seinem Gemüt wie die Sensibilität. Ihm selber war die Vergötterung seiner Person immer etwas zu viel. Und die Entwicklung im Fussball machte ihm zu schaffen, es gibt immer weniger Platz für Freude und Kreativität, für Herzblut. Die FCB-Fans werden am zweiten Abschied zu nagen haben.
Anmerkung der Redaktion: Textpassagen zu Dlegados Engagement beim FC Basel wurden gegenüber dem im Juni erschienenen Beitrag aktualisiert.