Er hat nicht zu viel versprochen. Die Aussicht in der Garderobe von Michael von der Heide, 47, ist beeindruckend. Vor dem Fenster das tiefblaue Meer – und eine riesige Baustelle. «Das machts doch gerade spannend», meint der Sänger lachend. In einigen Stunden wird er im Schauspielhaus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen auf der Bühne stehen und im Stück «King Size» mehrsprachig singen. Sein Lebenspartner Willi Spiess, 52, wird nicht im Publikum sitzen, sondern im Hotel warten. «Ich habs schon gesehen. Einmal reicht», meint der Designer in seiner trockenen Art.
Es war Liebe auf den ersten Blick
Michael grinst. Wenn einer Willi kennt, dann er. Ein Vierteljahrhundert ist es her, seit sie sich im Zürcher Café Odeon erstmals begegneten und auf den ersten Blick verliebten. Damit, dass Willi seinen Michi 25 Jahre später regelmässig zu Auftritten im Ausland begleitet, von Europa über Südamerika bis Asien, hätte damals keiner der beiden zu träumen gewagt. Nicht, weil sie nicht an ihre jeweiligen Karrieren geglaubt hätten. Aber dass eine Liebe zwischen zwei so unterschiedlichen Menschen so lange hält, ist wohl doch nicht ganz alltäglich.
Michael von der Heide, der quirlige Entertainer, der gern redet und so viel, dass er sich zwischendurch fast an seinem Smörrebröd mit Lachs verschluckt. Willi Spiess, der pragmatische Wenig-Sager, der nur spricht, wenn er eben wirklich etwas zu sagen hat. «Bei ihm weiss ich immer, woran ich bin. Das schätze ich sehr», sagt von der Heide über seinen Partner. Und: «Er ist der loyalste Mensch, den ich kenne. Mein Fels in der Brandung.»
Ein wenig Eifersucht braucht es
Inzwischen ist etwas Ruhe eingekehrt in dieser vorher oftmals turbulenten Liebe. Leidenschaftlich sind sie beide. Und eifersüchtig. «Willi mehr als ich. Da hats früher ab und zu gekracht», sagt Michael. Und heute? Ein wenig Eifersucht gehöre immer dazu, gesteht Willi Spiess. «Aber man wird auch älter und weiser.»
So holt Spiess seinen Partner nach der Vorstellung im Schauspielhaus ab und geht mit dem ganzen Team noch auf ein Glas Wein. Heute fühlt er sich durchaus wohl in dieser Welt der Künstler und Selbstdarsteller. «Als wir uns kennenlernten, stand Michael am Anfang seiner Karriere. Ans Showbusiness musste ich mich zuerst gewöhnen», sagt Willi. In seinem Geschäft stehen andere im Rampenlicht. Der Designer mit eigenem Laden in Zürich entwirft unter anderem Mode für Fotoshootings und Werbespots. Aber auch Stars wie Kim Wilde oder Ricky Martin gehören zu seinen Kunden. Und natürlich entwirft er auch von der Heides Bühnen-Outfits für dessen eigene Programme. «Dabei haben wir einen total unterschiedlichen Geschmack», so Michael. Und Willi: «Ja – ich hab den besseren.» Diskussionen? Gibt es heute selten.
«Michael ist ein toller Tänzer»
Für Michael von der Heide ist es etwas Besonderes, wenn Willi ihn im Ausland zu einem Auftritt begleitet. «Aber es ist auch schön, nach Hause zu kommen und zu erzählen, was man erlebt hat.» Zumal er hier in Kopenhagen vor einer anderen Herausforderung steht als in der Schweiz: «Hier kennt kaum jemand meinen Namen. Ich muss das Publikum erst erobern.» Das gelingt ihm an diesem Abend mühelos. Die Dänen sind begeistert von Christoph Marthalers Singspiel. Und von Michaels Tanzeinlage. Seine Bühnenpartnerin Tora Augestad überrascht das nicht. «Michael ist ein toller Tänzer und ein noch besserer Sänger. Es ist toll, mit ihm zu arbeiten», schwärmt der norwegische Klassik-Star vom Chansonnier aus Amden SG am Walensee.
«Ich war schon immer anders»
In seinem Heimatdorf dürften die wenigsten erstaunt sein über die Vielseitigkeit ihres mittlerweile berühmtesten Bürgers. «Ich war schon immer anders», sagt von der Heide. Der Bub mit deutschem Vater und aus der einzigen reformierten Familie im Dorf, der mal katholischer Pfarrer werden wollte. Der Mann, der immer wusste, dass er Männer liebt – und auch mal hoffte, «dass das nur eine Phase ist». Seit er Willi kennt, ist er froh, dass es keine war.
Am Tag nach der ersten Vorstellung schlendert das Paar entspannt durchs Kopenhagener Hafenviertel Nyhavn, stösst in einem Café zusammen an. 25 Jahre Liebe. So schwierig sei das nicht, meint Michael: «Ich finde, man muss konstant an sich selbst arbeiten. Aber eine Beziehung soll doch keine Arbeit sein.» Für einmal ist Willi gleicher Meinung: «Ständig an einer Partnerschaft herumzuschrauben bringt nichts. Man muss tolerant sein. Jeder soll sein Leben leben.»
Sagts und macht sich auf den Weg ins Hotel, während sich Michael aufmacht Richtung Schauspielhaus. Dort wird er das Rampenlicht und den Applaus geniessen, ganz für sich allein. Dann die Ruhe nach dem Sturm. Gemeinsam mit dem Mann, der ihn schon so lange durchs Leben begleitet. Trotz der vielen Unterschiede. Oder vielleicht gerade deswegen.