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Grosses Interview zum 40. Geburtstag des Musikers

Ritschi: «Ich habe mir eine Haartransplantation überlegt»

Am 7. März feiert Musiker Ritschi alias Andreas Ritschard seinen 40. Geburtstag. Gleichzeitig erscheint sein neues Album «Patina». SI online hat mit dem Berner Oberländer übers Älterwerden, chirurgische Eingriffe und seine Vaterrolle gesprochen.

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Ritschi Pressebild

Pünktlich zu seinem 40. Geburtstag kommt Ritschis viertes Solo-Album «Patina» in die Läden.

Janosch Abel

Wir treffen Ritschi im Restaurant «Kai Sushi» in Zürich. Entdeckt hat der Berner Musiker seinen Lieblings-Japaner, als er im Musical «Io senza te» auf der Bühne stand, und während dieser Zeit gleich um die Ecke wohnte. «Vorher mochte ich Sushi nicht besonders. Jetzt liebe ich es!», sagt er. Und zwar so sehr, dass er der ersten Single aus seinem Album «Patina» den Titel «Umami» gab, den japanischen Ausdruck für «Geschmack» oder «schmackhaft». Ob ihm auch sein Alter schmeckt? Ein Problem habe er mit der Vierzig jedenfalls nicht, sagt der ehemalige Frontmann der erfolgreichen Mundart-Band Plüsch.

Ritschi Kai mit dem Sushi Meister im Kai in Zürich 2019

Gemeinsam mit dem Sushi-Meister rollt Ritschi im Restaurant «Kai Sushi» seine Häppchen. 

Joseph Khakshouri

Was bedeutet dieser Geburtstag für dich, Ritschi? 
Das klingt jetzt vielleicht etwas abgedroschen, aber schlussendlich ist die Vierzig für mich nur eine Zahl. Es sind die äusseren Umstände, die das Alter zum Problem machen. Wenn man eine Partnerin sucht oder im Job unglücklich ist, ist vierzig zu werden sicher nicht so einfach, da man weiss, dass man nicht mehr ewig Zeit hat für grössere Veränderungen. Wenn man an einer Kreuzung im Leben steht, ist die Vierzig vermutlich schwierig.

Das tust du nicht?
Nicht mehr. Das war schon vor vier Jahren der Fall. Da habe ich mir die Frage gestellt, ob ich Musiker bleiben oder doch nochmal einen anderen Weg einschlagen soll. Heute weiss ich, dass ich Musiker bin und bleibe, ich habe keine Sinneskrise mehr und das Alter ist völlig nebensächlich. 

Was hat denn diese Sinneskrise ausgelöst damals?
Ich wurde zum zweiten mal Vater, das löste wirklich Existenzängste in mir aus. Ich wusste mittlerweile, was als Musiker in der Schweiz möglich ist, und wovon man nur träumen kann. Zudem fragte ich mich nach Jahren in dem Business, ob es wirklich das ist, was ich für den Rest meiner Karriere machen möchte: Alben, Touren, Interviews. Dann fingen mir noch die Haare an auszufallen, ich brauchte eine Brille – es kam alles zusammen. Wäre ich zu diesem Zeitpunkt vierzig geworden, hätte ich wohl mehr gehadert.

Mit dem Haarausfall und der Brille hast du dich also abgefunden.
Es gibt Dinge, die sind halt einfach so.

Ritschi

Hat kein Problem mit der Vierzig: Musiker Ritschi.

Dukas

Aber die finanzielle Unsicherheit bleibt ja bestehen als Musiker.
Ich habe das Glück, dass ich mehr kann als singen: Ich kann Songs schreiben, auch für andere, ich kann schauspielern und in Musicals auftreten, ich kann moderieren. Das gibt mir die Möglichkeit, meine Karriere auf mehreren Standbeinen aufzubauen und schlussendlich auch eine gewisse finanzielle Sicherheit. Zudem glaube ich, dass es mir mittlerweile gelungen ist, einen festen Platz in der Schweizer Musikszene zu ergattern, den verliert man nicht einfach so. 

Du machst dir also keine Gedanken, was ist, wenn die Leute deine Musik irgendwann nicht mehr hören wollen?
Natürlich mache ich mir die. Man muss auch als Musiker mit der Zeit gehen. Man verdient heute kein Geld mehr mit CD-Verkäufen, dafür gibt es anderes. Man muss die Fühler ausstrecken, was nicht heisst, dass man sich verbiegt. Warum soll ich nicht auch moderne Elemente in meine Musik einfliessen lassen? Oder auf Social Media aktiv sein? Das ist keine Frage des Alters.

Was nützen mir als Musiker Likes von Leuten, die nur nackte Typen sehen wollen? Die kommen nicht an meine Konzerte

Wie sieht denn dein Instagram-Profil aus?
Ich bin kein Profi, und wer erwartet, dass ich füdleblutt den Flicflac über einen Zebrastreifen mache, wird enttäuscht. Ich poste Inhalte, die mit Musik zu tun haben. Mir ist schon klar, dass mir das keine 100'000 Follower beschert. Aber was nützen mir als Musiker Likes von Leuten, die nur nackte Typen sehen wollen? Die kommen nicht an meine Konzerte. 

Reden wir über dein neues Album «Patina».
Das Album ist ein reines «Bauch-Album». Ich wollte mal sehen, was passiert, wenn ich wieder einfach Songs aus dem Bauch raus schreibe, wie damals bei Plüsch. Das fühlt sich unglaublich gut an, und ich finde nicht, dass es altbacken klingt. 

Wie erklärst du den Album-Titel?
Die Erklärung auf Wikipedia lautet: «Eine durch äussere Einflüsse gealterte Oberfläche». Im Endeffekt ist der Mensch ja genau das. Im gleichnamigen Song geht es darum, dass das eigentlich etwas sehr Schönes ist, dass man mit dem Älterwerden auch Positives assoziieren kann.

Ich finde aber ehrlich, dass ich die interessantere Erscheinung bin als vor zehn Jahren

Du findest körperliches Altern tatsächlich etwas Positives?
Klar tun mir öfter mal Rücken und Knie weh und ich kann nicht mehr so Skifahren wie früher, das ist scheisse. Und ja, gewisse optische Veränderungen, die mit dem Älterwerden einhergehen, stressen mich. Zumal man als öffentliche Person noch mehr nach dem Aussehen beurteilt wird als andere. Ich finde aber ehrlich, dass ich die interessantere Erscheinung bin als vor zehn Jahren. Gewisse Dinge sind halt genetisch bedingt, was soll ich mich da hinterfragen.

Man kann genetischen Dingen auch chirurgisch entgegenwirken.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich noch nie erkundigt habe, was eine Haarverpflanzung kosten würde. Aber 90'000 Franken, um Haare zu haben, ist einfach zu viel. Ausserdem habe ich eine Kopfform – und mittlerweile auch das Alter – in dem eine Glatze doch gut aussieht. Das ist dann wiederum ein positiver Aspekt des Älterwerdens. 

Was sagen dein sechsjähriger Sohn und deine dreijährige Tochter wenn man sie nach dem Beruf ihres Papa fragt?
Sie sagen, der Päpu ist Musiker. Mein Sohn möchte Schlagzeuger werden. Sie sind sich bewusst, was ich mache, aber für sie ist das nichts Spezielles. Die Väter ihrer Freunde sind Chirurg, Hotelier oder Polizist, das finden sie genauso spannend. Ich ging mal in die Klasse meines Sohnes und habe «Heimweh» gesungen mit den Kids, da war mein Sohn schon stolz. Aber sonst habe ich als Vater sicher keinen Bonus, weil ich Musik mache.

Was bist du für ein Papi?
Ich glaube, ich bin recht cool. Je nach Phase bin ich strenger oder weniger streng. Momentan muss ich die Zügel wieder etwas mehr anziehen. Zwei Tage pro Woche bin ich mit den Kindern zu Hause, die sind heilig. Ich schätze das sehr und meine Kinder auch. Für sie ist völlig egal, ob Mami oder Papi zu Hause ist, ich bin genauso konsequent wie meine Frau. Montag und Dienstag ist Waschen, Bügeln und Staubsaugen angesagt, das sind meine Ämtli, «Popstar» hin oder her!

Mein Sohn hat seit vier Jahren ein iPad, darf darauf aber nur Musik und Hörspiele hören

Wie hältst du es in der Erziehung mit Handy und Co.?
Mein Sohn hat seit vier Jahren ein iPad, darf darauf aber nur Musik und Hörspiele hören. Gamen darf er nicht, da bin ich ganz streng. Ich finde, das ist verlorene Zeit für Kinder. Natürlich darf er mal im Auto oder im Flugzeug ein Spiel spielen, aber das ist dann etwas Besonderes zum Zeitvertrieb beim Reisen. Ich habe grossen Respekt davor, was da in Sachen Social Media noch auf mich zukommt, wenn die Kinder älter werden. 

Stichwort Mobbing.
Das gabs früher auch schon, es hiess einfach anders. Ich bin so «mängisch drundercho», in der Schule, bei Plüsch. Das hat mich nie wirklich gestresst, weil ich einfach nicht der Typ dafür bin. Man hat mir das immer als Naivität ausgelegt. Das ging soweit, dass eine grosse Zeitung titelte «Ritschi, der Forrest Gump aus dem Berner Oberland». Aber wer so etwas immer an sich heranlässt, macht sich selbst fertig. Ich versuche, meinen Kindern so viel Selbstbewusstsein beizubringen, dass sie auf solche Dinge angemessen reagieren können.

Nun bist du vierzig und immer noch «der Ritschi von Plüsch». Stört dich das?
In gewissen Situationen stört es mich. Dann, wenn ich Absagen bekomme, weil ich eben auf Plüsch reduziert werde. Andererseits hat mir diese Band wahnsinnig viele Türen geöffnet, wofür ich sehr dankbar bin. Es ist keine Schande, mit einer Band so erfolgreich gewesen zu sein. 

Gibt es etwas, das du rückblickend anders machen würdest?
Ich würde vieles etwas lockerer sehen. Wenn ich zum Beispiel an mein vorletztes Album zurückdenke, habe ich versucht, vieles mit der «Brechstange» durchzukriegen. Ich bin sehr froh, habe ich diese Lockerheit wiedergefunden. Denn meine grössten Erfolge feierte ich immer dann, wenn ich die Dinge genauso angepackt habe. Der Forrest Gump aus dem Berner Oberland halt, der sich nicht zu viele Gedanken macht. 

Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Wenn ich dann in Interviews immer noch über meine Musik reden darf, habe ich alles richtig gemacht. Das ist alles, was ich mir wünsche. 

 
Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 7. März 2019 - 05:00 Uhr