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Tom Gabriel Fischer

Der Metal-Musiker ganz zahm: Er heiratet Corinne

Sein Schicksal rührt zu Tränen. Der Zürcher Tom Gabriel Fischer erlebte als Kind die Hölle - und schlägt als Metal-Musiker teuflisch zurück. Privat hingegen schwebt er auf Wolken: Kürzlich hat er sich mit seiner Freundin Corinne Kühne verlobt. Die «Schweizer Illustrierte» hat das Paar zu Hause besucht.

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Jagt Ihnen dieser schwarz gekleidete, langhaarige, finster dreinblickende Kerl mit den kajalverschmierten Augen Furcht ein? Sie können beruhigt sein! Absolut! Tom Gabriel Fischer, 50, ist weder aggressiv noch Satanist, nicht unhöflich (er steht auf zur Begrüssung) oder ungebildet, ist nicht ständig besoffen (er trinkt höchstens mal ein Glas Wein) und erst recht nicht im Drogenrausch (als 14-Jähriger probierte er einmal einen Joint). Dieser Mann bedient keines der gängigen Klischees, die Menschen wie ihm gerne angehängt werden. Den finsteren Kerl ziert noch nicht einmal ein einziges Tattoo.

Fischer ist eine Ikone. Ein Heavy-Metal-Musiker, der mit seiner Band Celtic Frost in den 1980er- und 90er-Jahren Stars wie Nirvana-Frontmann Kurt Cobain, † 27, Foo-Fighters-Musiker Dave Grohl, 45, und Schock-Rocker Marilyn Manson, 45, inspirierte. Der Zürcher Tom Gabriel Fischer, auch unter dem Bühnen-Pseudonym Tom G Warrior bekannt, füllte mit seiner Band in Japan Konzerthallen und rockte das legendäre Hammersmith Odeon in London. Schätzungsweise zweieinhalb Millionen Alben verkauften Celtic Frost, Fischer ist damit nach DJ Bobo (15 Millionen) und Krokus (14 Millionen) international der erfolgreichste Schweizer Musiker. Das US-Magazin «Guitar World» wählte ihn 2004 auf Platz 32 der 100 besten Metal-Gitarristen.

Fischer ist radikal. Das sagt auch seine Freundin Corinne Kühne, 27. Es ist nicht negativ gemeint. Kennengelernt haben sich die beiden über das soziale Netzwerk Myspace, wo Corinne einen Kommentar zu Celtic Frost gepostet hatte. «Sie gefiel mir», sagt er. Der Altersunterschied bereitete ihm mehr Kopfzerbrechen als ihr. «Ich hätte mir gewünscht, dass sie ein bisschen älter gewesen wäre. Aber wenn es passt, passts», sagt Tom, der über 16 Jahre mit einer Texanerin verheiratet war. Ein Kind hat er auch, aus einer früheren Beziehung in Deutschland.

Seit eineinhalb Jahren sind er und Corinne jetzt ein Paar, sie haben sich kürzlich sogar verlobt. «Corinnes Mutter mag mich nicht sonderlich», sagt Fischer. Es ist ihm egal. Es ist auch nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er auf Ablehnung stösst. Als Kind hat er jahrelang darunter gelitten. Vor drei Wochen war Fischer in der SRF-3-Radiosendung «Focus» zu Gast und erzählte im Interview mit Anna Maier, 36, aus dieser Zeit. Nicht nur die Moderatorin musste ihre Tränen zurückhalten. «Metaller bringt die Schweiz zum Weinen», titelte die Pendlerzeitung «20 Minuten» tags darauf.

Fischers Kindheit schockiert. Er ist sechs, als sich seine Eltern scheiden lassen. Die Mutter zieht mit dem kleinen Tom 1970 nach Nürensdorf ZH, damals ein 1500-Einwohner-Kaff in der Nähe vom Flughafen Kloten. Ein altes Bauernhaus. Keine Freunde. Keine Bekannten. Eine Geschiedene mit ihrem Kind. Damals ein Unding. Tom wird von den anderen Kindern im Dorf verprügelt. Sie legen ihn übers Klettergerüst auf dem Pausenhof der Schule und schlagen ihn auch da - so als ob sie einen Teppich ausklopfen würden.

Und seine Mutter? Die hängt dem Halbwüchsigen den Hausschlüssel um den Hals und verschwindet - mal für einige Tage, manchmal wochenlang. «Sie schmuggelte Diamanten und Luxusuhren nach Deutschland, Südamerika und Australien. Ich hörte in dieser Zeit nichts von ihr und durfte auch niemandem etwas sagen.» Der kleine Bub muss sich sein Essen selbst in den Ofen schieben. Käseküchlein. Mit denen füllt die Mutter jeweils die Kühltruhe, bevor sie wieder verschwindet. Fischer isst Käseküchlein noch heute gern. «Die können ja auch nichts dafür», sagt er und zuckt mit den Schultern.

Als die Schmuggeltätigkeit seiner Mutter Ende der 70er-Jahre nachlässt, ist der kleine Tom zwar nicht mehr allein, besser wird die Situation für ihn dennoch nicht. Seine Mutter bringt statt Menschen Katzen ins Haus. Zeitweise waren es 90 Tiere. Es stinkt furchtbar, er stinkt furchtbar. Sagt ihm sein Lehrer. Niemand fragt nach, keiner hilft. Zur Mutter hat er seit Jahren keinen Kontakt. Gesehen hat er sie zuletzt im Jahr 2000, bei der Beerdigung seines Vaters. «Der Staat wird sich schon bei mir melden, wenn sie gestorben ist», sagt er.

Tom flieht in eine Fantasiewelt. Bücher und Musik bestimmen sein Leben. Er gründet als 19-Jähriger die erste Band: Hellhammer. Seine Musik, so schrieb das Nachrichtenmagazin «Facts» einmal, «klingt brachial, abweisend, düster, hart und schmerzhaft, so abseitig - brutaler Lärm explodierender Raketen und startender Flugzeuge, Katzengejammer, Schreie von Sterbenden.»

Fischer beginnt sogar eine vierjährige Ausbildung zum Maschinenmechaniker. Sein Traum: Flugzeugmechaniker bei der Swissair werden. Drei Monate vor Lehrabschluss geht er zum Chef, legt sein Kündigungsschreiben auf den Tisch, zeigt den Mittelfinger und sagt: «F... you!» Tom Gabriel Fischer alias Tom G Warrior hat seinen ersten Plattenvertrag in der Tasche. Der Kerl weiss, wie man kämpft. So setzt sich Fischer hin, verfasst einen Brief an den Künstler H.R. Giger - und der gestaltet tatsächlich das erste Plattencover von Celtic Frost. «Man kann alles erreichen, wenn man es sich fest vornimmt», ist Fischer überzeugt.

Der Beginn einer Freundschaft. H. R. Giger, der Vater des Alien, wird für Fischer zum väterlichen Freund. Zuletzt ist er quasi die rechte Hand des Oscar-Preisträgers. Er führt Gäste durch das Haus des Künstlers, macht Besorgungen, organisiert Ausstellungen. Seit dem Tod von H. R. Giger mitte Mai ist er täglich bis zu zwölf Stunden bei dessen Witwe Carmen, um ihr zu helfen. Dabei steckt er mitten in den Tour-Vorbereitungen mit Triptykon, seiner dritten Band. Eigentlich hätte er am Tag, als die «Schweizer Illustrierte» ihn besucht, auf der Bühne des Maryland Deathfest im US-amerikanischen Baltimore stehen sollen.

«Ich bin kein Mitläufer und nicht schwach - trotz meiner Kindheit», sagt Fischer. Der finstere Kerl ist eigentlich ein Lichtblick. Fies werden kann er nur, wenn ihn «Spiesser» provozieren. Dann ist «Amüsierschämen» angesagt, wie es seine Freundin Corinne ausdrückt. «Er wird nicht böse oder unanständig. Aber er schlägt auf seine Art zurück.»

Von René Haenig am 31. Mai 2014 - 04:03 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 17:22 Uhr