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  4. Donatella Versace wird 70: Hommage zum 70. der Kultdesignerin
Happy Birthday Donatella Versace

«Ich denke in Glamour»

Gegründet hat die legendäre italienische Modemarke ihr Bruder Gianni. Doch gross gemacht hat sie Donatella Versace. Dabei musste sie Trägodien überwinden und andere überzeugen. Zum 70. Geburtstag darf sie sich feiern – als Ikone der Modebranche.

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Donatella Versace auf dem Laufsteg.

«In der Mode geht es ums Träumen und darum, andere zum Träumen zu bringen.» – Donatella Versace auf dem Laufsteg nach einer ihrer Shows.

Getty Images

Eine Tragödie bestimmt ihre Karriere: Am Morgen des 15. Juli 1997 erschiesst am Ocean Drive 1116 in Miami Beach ein 27-jähriger Callboy und Serienmörder den damals prominentesten italienischen Modedesigner: Gianni Versace. Der Bruder der neun Jahre jüngeren Donatella kommt vom Zeitungskauf zurück, als er vor seiner Villa aus dem Leben gerissen wird.

Dass eine Geschichte über Donatella Francesca Versace mit dem Tod ihres Bruders beginnt, mag zynisch erscheinen. Aber es passt zum unbequemen Weg der Ausnahmedesignerin. Die Beziehung zwischen den Geschwistern war symbiotisch.

Platinblondes Haar, gebräunte Haut, schwarz geschminkte Augen, athletisch zierlicher Körper, niemals flache Schuhe – Donatella Versaces Look war seit je konsequent. Mit tiefer Stimme redet sie, die ursprünglich Wirtschaftswissenschaften studierte, nie um den heissen Brei. Dabei wirkt sie in ihrer fast schon impulsiven Direktheit dennoch stets kontrolliert.

«Ich denke immer in Glamour», pflegt sie zu sagen.

Geboren wurde Donatella Versace 1955 im kalabrischen Reggio, an der südlichsten Spitze des italienischen Stiefels, als jüngstes von vier Kindern. Ihre ältere Schwester starb im Alter von zwölf Jahren an einer schlecht behandelten Tetanusinfektion. Ihr Bruder Santo hält bis heute Aktien am Modeunternehmen. Über die Beziehung zu ihrem Bruder Gianni, die bereits in ihrer Kindheit und Jugend innig war, sagte sie: «Ich war seine Puppe und seine beste Freundin. Er zog mir coole Klamotten an, nahm mich mit in Discos, seit ich elf war. Es war die beste Zeit meines Lebens.»

Dass sie am frühen Morgen des 15. Juli 1997 aus der zweiten in die erste Reihe des Modehauses katapultiert wurde, ist auf den zweiten Blick kein Drama. Tatsächlich war sie schon zuvor das Gesicht des 1978 in Mailand gegründeten Hauses Versace – sie, die Ausdrucksstarke, die laut lachen kann, auch über sich selbst, ging auf Hollywood-Partys und schritt über rote Teppiche.

Sie war die Muse des Hauses, aber auch der Blitzableiter des grossen Bruders, der grandiose Designs in geometrischen Mustern schuf, Kollektionen in üppigen Farben präsentierte, Gold liebte und den Kopf der Medusa, sein Markenzeichen, feierte. Auch Donatella brillierte mit Kreativität, verantwortete ab 1989 die günstigere «Versus»-Linie für die jüngere Kundschaft und entwarf die wirtschaftlich lukrativen Accessoires der Marke. Sie war zudem ein PR-Genie: In den frühen 1990ern buchte sie für ihre Schauen die Supermodels, die George Michael zuvor in seinem Kultvideo «Freedom!» inszeniert hatte: Naomi Campbell, Linda Evangelista, Christy Turlington, Tatjana Patitz, Cindy Crawford.

Frankreichs frühere First Lady, das ehemalige Supermodel Carla Bruni, erklärte einst: «Auch ohne die Tragödie hätte Gianni ihr irgendwann den Vortritt gelassen.»

Doch die Geschichte verlief anders: Donatellas damals elfjährige Tochter Allegra aus der Ehe mit dem Model Paul Beck, Giannis Nichte, erbte den grössten Anteil – gemäss einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» wusste Donatella davon. «Als Gianni sein Testament aufsetzen wollte, bat er mich, ihn zum Notar zu begleiten», sagt sie dazu. «Indem er meiner Tochter die Hälfte von Versace vererbte, zwang er mich, bis zu ihrer Volljährigkeit die Verantwortung zu übernehmen. Ohne diese List hätte ich das Unternehmen nach seinem Tod vielleicht verlassen.»

Zeit für Trauer blieb ihr wenig. Ebenso wenig liess ihr die Branche Raum, aus Versace Donatella zu machen. Sie erstarrte, versteckte sich hinter immer dickerem Make-up, hinter immer hellerem Haar – Gianni hatte ihr früh geraten, ihren brünetten Schopf zu blondieren. Ihr Drogenkonsum wurde zur Sucht.

Über ein Jahrzehnt schien sie als Nachfolgerin zu scheitern. Sir Elton John überzeugte sie 2004, in eine Entzugsklinik einzutreten. Doch sie musste auch gegen Klischees kämpfen: Eine starke Frau am Kopf einer grossen Modemarke? Das passte trotz einer Coco Chanel Jahrzehnte zuvor nicht in den Zeitgeist. Künstlich, schrill und aufgesetzt – Donatella widerstrebte dem klassischen Bild von Emanzipation. Dabei hatte sie ihren Bruder stets gedrängt, Frauen nicht als Musen, sondern als Trägerinnen seiner Entwürfe zu sehen.

Heute, 20 Jahre später, benutzt Donatella gern popfeministische Slogans wie «Empowerment» und überzeugt mit hautengen Silhouetten junge Kundinnen. Die Marke Versace steht unter ihrer Herrschaft für laut, bunt, sexy und cool. Die selbstbestimmte Macherin trägt ihre schönheitschirurgischen Eingriffe stolz vor sich her und kleidet lässig die wichtigsten Hollywood-Stars für den roten Teppich ein. Der Donatella-Look ist unverwechselbar. Sie geht spielerisch damit um, übergiesst sich mit eiskaltem Wasser, wenn es ein Social-Media-Trend verlangt, und sagt: «Sterbe und werde wiedergeboren. Sterbe und werde wiedergeboren.»

Am 2. Mai feiert Donatella Versace ihren 70. Geburtstag – und auch wenn im März unverhofft verkündet wurde, dass sie nach fast drei Jahrzehnten als kreative Direktorin der Marke abtritt – es ist zum Glück nicht zu erwarten, dass sich die Kultdesignerin bald zur Ruhe setzen wird.

Von Tobias Langley-Hunt am 2. Mai 2025 - 11:00 Uhr