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Porträt

Ralph Lauren ist der Storyteller der Mode

Sein Name ist in der Modewelt Programm: Seit über fünfzig Jahren kreiert der amerikanische Designer Ralph Lauren Wohlfühlwelten, in denen jeder leben will. Die Kleider spielen dabei nur die Nebenrolle.

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«Ich wusste noch nicht mal, was ein Modedesigner ist.» Ralph Lauren

«Ich wusste noch nicht mal, was ein Modedesigner ist.» Ralph Lauren

Gettyimages

Nach der Präsentation seiner neusten Kollektionen in New York im Frühling und im Herbst schreitet Ralph Lauren jeweils selbst auf die Bühne – in Röhrenjeans, Westernboots und einem Gürtel mit massiver Cowboyschnalle. Cool. Lässig. Stilvoll – auch mit 86 Jahren noch. Müsste man den amerikanischen Designer mit einem Wort beschreiben, dann wäre das: Stil! Sein treffsicheres Auge für Klasse hat er zu einem Weltimperium gemacht.

Andere Designer kreieren Mode. Ralph Lauren schafft Welten. Welten, in denen Familien in T-Shirts und Leinenhosen am Strand entlang spazieren, Welten, in denen moderne Frank Sinatras und Audrey Hepburns in Smokings und Abendkleidern in einer «old-fashioned» Bar an einem Martini nippen. Und Welten, in denen urbane Cowgirls durch Grossstädte schlendern, in Wollmänteln, die an smarter Eleganz nicht zu überbieten sind. In Ralph Laurens Welten ist der Ausblick stets ein optimistischer, einer zum Horizont, der Möglichkeiten schafft.

Ralph Lauren wächst als Sohn von Fraydl und Frank Lifshitz, einem Maler und Künstler, in einfachen Verhältnissen im New Yorker Stadtteil Bronx auf. Seine jüdischen Eltern waren aus Belarus in die USA eingewandert. «Ich dachte im Leben nicht daran, dass ich Modedesigner werden würde», sagt Ralph Lauren vor ein paar Jahren in einer Dokumentation über ihn. «Aber von meinem Vater habe ich die Beobachtungsgabe bekommen. Er malte wunderbar, Landschaften, Kirchen, Häuser. Das hat mich geprägt.»

Seinen Namen Lifshitz ändert er später – wie seine älteren Brüder Leonard und Jerry – in Lauren, weil andere Kinder sie in der Schule mit «Lifshit» hänseln. An Tanzveranstaltungen merkt der junge Ralph, dass er bei Mädchen gut ankommt. «Mir gefiel, dass sie mich cute, süss, fanden.» Er tritt schon damals nie herkömmlich auf: «Ich suchte mir besondere Teile zusammen, eine Militärjacke, Anzughosen – daraus kreierte ich Looks, die mir gefielen.»

In seinem Wohnviertel, der Bronx, lernt er mit 24 Jahren die damals 19-jährige Ricky Ann Loew-Beer kennen, die später als Psychologin wirkte. Auch ihr jüdischer Vater war mit seiner Frau aus Europa nach Amerika geflüchtet. «Ich mochte die Mädchen mit viel Make-up und Heels nicht. Mir gefiel das Mädchen in Jeans, T-Shirt, hochgekrempelten Ärmeln. Ich dachte nicht ans Heiraten. Aber als ich Ricky kennenlernte, wusste ich: Das ist sie!» Die beiden ziehen in eine heruntergekommene Wohnung in der Bronx: «Wir schliefen auf dem Boden, hörten Züge vorbeidonnern.» Das gute Auge für schöne Sachen verbindet sie. «Wir stöberten in Shops nach Dingen, um unser Zuhause zu verschönern, Vasen, Tapeten, spezielle Objekte.»

Ralph arbeitet als Verkäufer und kreierte nebenbei zusammen mit einem Schneider Krawatten nach seinem Gusto. Er nennt die Linie Polo, weil er Sport mag. «Ich konnte die Teile ja schlecht Baseball oder Basketball nennen.» Er zeigt die Krawatten dem renommierten New Yorker Kaufhaus Bloomingdale’s. Sie wollen sie in abgeänderter Form und mit eigenem Namen ins Angebot aufnehmen. «Ich weiss nicht, woher ich den Mut nahm, aber ich sagte Nein», erinnert er sich später in einem Interview. Seine Frau Ricky schreibt ihm daraufhin einen Brief. «Egal, was du machst, ich werde dich immer unterstützen.»

Er macht keine Ausbildung zum Designer, absolviert keine Modeschule. Doch bald kreiert Ralph auch Männerhemden, Anzüge, Freizeithosen, Pullis – und bekommt eine ganze Verkaufsfläche bei Bloomingdale’s, unter eigenem Namen. «Ralph hatte immer das Talent, das grosse Ganze zu sehen», sagt Designerin Donna Karan über ihren Kollegen. Die Inspiration schöpft er zu einem grossen Teil aus Filmklassikern, in denen grosse Hollywoodstars in schönen Häusern wohnen, stilvoll durch den Alltag wandeln. Es ist eine erträumte Welt von Privilegierten, nach der Amerikanerinnen und Amerikaner aus jeder Schicht und Herkunft fast schon mit angeborener Überzeugung streben. Auch er selbst träumt gross: «Als Ricky und ich kein Geld hatten, spazierten wir den Strand entlang und überlegten, wo und in welchem Haus wir einmal wohnen möchten.»

Eine bewegte Karriere sowie zwei Söhne und eine Tochter später leben die beiden in mehreren Traumhäusern: auf einer Farm in Colorado, in einem britisch anmutenden Anwesen in Bedford und in einer schicken Wohnung in New York. In New York steht der Hauptsitz von Ralph Laurens mittlerweile börsenkotiertem Unternehmen, in dem auch Sohn David arbeitet. Zu den Meilensteinen seiner Karriere gehören Kampagnen, in denen gewöhnliche Menschen im Zentrum stehen. Er war einer der Ersten, der – mit Tyson Beckford im Businessanzug – ganz selbstverständlich ein schwarzes Model auf nationale Werbeflächen hob, als Vorbild gegen Klischees.

Ralph Lauren macht Mode – seit 1972 auch für Frauen. Vor allem aber erzählt er Geschichten: An der Madison Avenue, Ecke East 72nd Street, befindet sich sein Imperium: zwei sich gegenüberstehende historische Herrschaftshäuser. Nebst Kleidern gibt es dort alles für exklusive Wohlfühlmomente zu kaufen: Teller, Vorhänge, Bettwäsche, Kissen, Kerzen, Wandfarbe.

Die Gäste wandeln durch Räume, die wie gemütliche Wohnungen eingerichtet sind, liebevoll dekoriert mit Sammlerstücken des Designers: Ledersessel, Modellautos, Uhren, Bilder. Man fühlt sich, als wäre man bei Ralph daheim eingeladen, als würde er jeden Moment in Cowboyboots um die Ecke schreiten. Zum Laden gehört auch das Ralph’s Coffee, vor dem die Fans Schlange stehen. Sein Polo-Bär ist auf Pullis, Tassen, Taschen ein internationaler Star geworden. Mit seiner Sportlinie kleidet Ralph die amerikanische Olympiamannschaft ein. Wo immer er auftritt, wird er bejubelt. An seiner Seite stets seine Muse und Frau: Ricky. «Das Allerwichtigste ist meine Familie», hat er stets betont. Interviews gibt er heute keine mehr.

2018 wird Ralph Lauren als erster amerikanischer Designer von Queen Elisabeth II. für seine Verdienste in der Modewelt geehrt. Die für ihn wohl schönste Auszeichnung muss aber jene gewesen sein, die ihm Audrey Hepburn, eins seiner Filmidole, bereits 1992 für sein Lebenswerk überreichte. Mit den Worten: «Bei Ralph geht es nie nur um Mode. Es geht um Werte, um Dinge, die für immer bleiben.»

Anfang 2026 eröffnet Ralph Lauren einen Store in Zürich, mit Mode, Accessoires, Interior und einem Ralph’s Coffee.

Silvia Binggeli
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Von Silvia Binggeli vor 2 Stunden