Man reduziere nie einen Schotten auf sein Karo! Schliesslich tragen auch nicht alle Schweizer ein Sennenkutteli. Dennoch muss festgestellt werden: Wohl kaum eine Tracht hat sich so erfolgreich weltweit verbreitet wie der traditionelle Tartan, auch bekannt als «Schottenkaro». Und darauf sind die Schotten schon auch stolz. Seit mindestens dreihundert Jahren zeigen die charakteristischen, oft auf einem roten Grund angelegten Webmuster die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan oder einer Region («district»). Das wollene Tuch wird meist für einen Kilt oder ein Plaid (Umhang) verwendet, doch gibt es heute auch Hemden, Hosen, Blazer, Mäntel und Accessoires im Tartan-Look. Die Vielzahl der Motive überwacht das eigens dafür ins Leben gerufene Scottish Register of Tartans.
Doch längst hat sich das Schottenkaro aus der Tradition befreit. Es wird heute immer noch von Schottland-Fans getragen, aber ebenso von Neo-Punks, Anhängern des Grunge-Styles, der gerade ein Revival erlebt – sowie natürlich von Büezern, die Hemden mit Karos lieben. Auch in der High Fashion ist das Schottenkaro immer wieder zu Gast. Bei Vivienne Westwood gehörte es zum festen Repertoire, Alexander McQueen zitierte gerne aus den Clan-Registern. Burberry hat eine sandfarbene Abwandlung des Tartans zu seinem Markenzeichen gemacht. Karl Lagerfeld widmete 2012 eine ganze Chanel-Kollektion den Schotten – die Schau fand im Linlithgow Palace bei Edinburgh statt, dem Geburtsort der legendären Schottenkönigin Maria Stuart.
Schottenkaros zu tragen, erfordert ein bisschen Fingerspitzengefühl, denn die Muster haben an sich schon ordentlich Präsenz, sodass das übrige Styling sich zurücknehmen sollte. Das Grundprinzip lautet: Ein kariertes Stück reicht, der Rest des Looks bleibt neutral. Wer scheu starten möchte, wählt eine Krawatte oder ein kariertes Einstecktuch. Oder eine Jacke mit Karo-Futter. Als Kombifarben eignen sich alle Nuancen, die im Muster selbst vorkommen. Wer mehrere Karos kombinieren möchte, achte darauf, dass sie unterschiedliche Grössen haben. Unerschrockene Modemutige kombinieren Karos zu komplett anderen Mustern, etwa zu Polka Dots oder floralen Motiven.
Dass das Schottenkaro Kraft hat, ist historisch verbrieft. 1747 verboten die Engländer den Schotten, ihre Kilts und Karos zu tragen – der «Dress Act» sollte dazu beitragen, die notorisch widerspenstigen und in den Augen der Briten gefährlichen Schotten zu zähmen und zu entwaffnen. Genützt hat es wenig: Keine fünfzig Jahre später wurde das verhasste Gesetz wieder ausser Kraft gesetzt. Und der Kilt hatte seinen Status als nationales Symbol errungen. Heute tragen die Schotten den Kilt nur noch zu hohen Festen und Feiern. Vor dem mit Lederriemen in der Taille befestigten, in Falten gelegten Tuch wird ein kleines Täschchen getragen. Der sogenannte Sporran ersetzt die Hosentaschen, hält das locker hängende Tuch aber auch dort im Zaum, wo es für den Mann am riskantesten ist, sollte ihm ein Windstoss unter den Rock fahren. Denn bekanntlich trägt man den Kilt «unten ohne» – «commando», wie der Schotte sagt.

Die Firma Kinloch Anderson, 1868 gegründet, liefert seit 1903 Stoffe an den Königshof, darunter auch die Royal Tartans.
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