Ich habe Freizeitparks immer geliebt. Besonders der allseits beliebte Europapark löst bei mir seit meiner Kindheit ein Kribbeln im Bauch aus. Nach langer Abstinenz war ich kürzlich mal wieder dort, zusammen mit meiner Tochter. Falls ihr in letzter Zeit mal da wart, wisst ihrs: Es gibt eine neue Super-Duper-Achterbahn mit ganz vielen Loopings namens «Voltron». Selbstverständlich gings da als erstes drauf. Was soll ich sagen? Ich, die ich bis noch vor einiger Zeit nichts lieber mochte als im ersten Wagen von Achterbahnen zu sitzen und mir bei der Fahrt mit erhobenen Händen die Seele aus dem Leib zu schreiben, hab auf diesem Mörder-Ding gelitten, geweint und gebetet, dass es endlich vorbei ist. Und ich musste mir nach diesem Höllenritt eingestehen: «Ich bin zu alt für den Scheiss!»
Warum ich euch das erzähle? Weil es ein Sinnbild ist für einen Satz, den eine wunderbare Kollegin kürzlich in einem ihrer Texte schrieb: «Wer Kinder hat, löst kein Eintrittsticket ins Paradies, sondern eines für eine Achterbahn.» Absolut wahr. Auch wenn einige Loopings brutaler waren, als ich mir hätte vorstellen können – auf den mit der depressiven Episode während der Teenagerjahre hätte ich zum Beispiel extrem gut verzichten können –, sass ich sehr lange zuvorderst auf diesem Rollercoaster der Kindererziehung und genoss ihn. Und jetzt merke ich immer mehr: «Ich bin zu alt für den Scheiss.»
Lustigerweise sagte mir die gleiche Kollegin, Mutter eines Kindergartenkindes, jüngst, die Vorstellung, dass ihr Sohn irgendwann mal ausziehe, mache ihr heute schon Bauchweh. Ich erklärte ihr mit der Weisheit meiner 50 Jahre, dass sich das total organisch ergibt, wie bei einer Schwangerschaft: Irgendwann hast du genug. Du willst das Kind nicht loswerden, aber es nicht mehr in dir drin haben. Genauso ists, wenn sie erwachsen werden: Du willst dir einfach nicht mehr so viele Sorgen machen, nicht mehr so fest in alles involviert sein, deine Kinder und ihr Leben mit einem gewissen Abstand betrachten. Nicht mehr zuvorderst mitfahren und mitschreien.
«Ich dachte, es werde jetzt ruhiger, langsamer, die Kinder sind auf ihrem Weg. Ich hatte die Rechnung ohne meinen Sohn gemacht.»
Ironischerweise fand der erwähnte Besuch im Europapark auf dem Heimweg vom Studienort meiner Tochter statt, 350 Kilometer weg von zu Hause, wo wir gemeinsam ihr Zimmer im Studentenwohnheim einrichteten. Und ich beim Anblick all ihrer vertrauten Sachen an diesem Ort, wo sie fortan ohne mich leben würde, die Tränen zurückhalten musste. Achterbahn eben.
Und dann dies: Die «Voltron» hielt an, ich schnaufte erleichtert auf. Nur um zu merken, dass es nochmal losgeht, und das Teil auf gleichem Weg wieder zurückfährt. Tatsächlich gab es diesen Moment gerade auch in meinem Leben als Mutter. Ich dachte, es werde jetzt ruhiger, langsamer, die Kinder sind auf ihrem Weg, ich begleite sie noch ein Stück und freue mich, dass sie vorwärtskommen. Ich hatte die Rechnung ohne meinen Sohn gemacht. Der entschied sich für einen besonders herausfordernden Looping mit dem eingängigen Namen «Ich schmeisse meine Lehre im dritten Lehrjahr hin, weil ich ja auch ohne Abschluss arbeiten und Geld verdienen kann.» Ich leide, weine, und bete, dass er zur Vernunft kommt. Weil ganz ehrlich: Ich bin eigentlich zu alt für den Scheiss!
