1. Home
  2. Style
  3. Lifestyle
  4. Kolumne Mittelklasse: Blut, Schweiss und Tränen
Mittelklasse

Blut, Schweiss und Tränen

Als der damalige britische Premierminister Winston Churchill im Mai 1940 in einer seiner berühmtesten Reden von «Blood, Sweat and Tears» sprach, redete er über den Krieg. Wenn unsere Kolunistin dieser Tage über Blut, Schweiss und Tränen nachdenkt, gehts um die Wechseljahre.

Artikel teilen

Sandra Casalini

Gute Miene zum bösen Spiel: Hin und wieder wird der Körper unserer Kolumnistin zur Kriegszone.

Lucia Hunziker

Ich will ja niemandem Angst machen, aber mich dünkt, es herrschen wirklich mitunter kriegsähnliche Zustände in meinem Körper und meinem Hirn. So wache ich kürzlich nicht nur total durchgeschwitzt und mit Mückenstichen übersät auf (ich habe das blöde Viech gehört in der Nacht, aber wenn ich irgendwie schlafen kann, dann schlafe ich, auch wenn es verheerende Konsequenzen hat), sondern auch in einer Blutlache. Die Blutungen kommen, wann immer ihnen danach ist, ohne sich irgendwie anzukündigen, und ich bin froh, wenns zu Hause ist und nicht im Zug oder im Restaurant (passiert leider auch regelmässig).

Noch bevor mein Hirn halbwegs eingeschaltet ist, blinkt mein Handy. WhatsApp von meinem Sohn: «Bin im Notfall.» Ich starre das Handy an. Und heule. Und blute. Und schwitze. Schniefend checke ich meine WhatsApps. Zwei Nachrichten später bequemt sich mein Junior, mir mitzuteilen, dass nicht er der Grund für den Besuch auf der Notfallstation ist, sondern eine Freundin, die er hingefahren hat. Sie hat beim Versuch, sich falsche Wimpern aufzukleben, Kleber ins Auge bekommen, wie ich später erfahre. Komischerweise beruhigt mich diese Erzählung irgendwie – die Baustellen im Hirn von Teenagern scheinen doch noch etwas umfangreicher als die Baustelle in meinem eigenen Oberstübchen. Wie dem auch sei, in diesem Moment, als ich so daliege zwischen Blut, Schweiss und Tränen, überlege ich mir, ob ich es Sir Winston Churchill gleich tun soll, und mir angewöhne, bereits am Morgen einen Whisky zu kippen.

«Mein Körper wird in regelmässigen Abständen zum Kriegsgebiet, in dem sich Östrogen und Progesteron bis aufs Blut bekämpfen»

Da ich Whisky nicht mag, hab ich keinen im Haus, das fällt also flach. Als ich, nachdem ich das Blut- und-Schweiss-Schlamassel weggeräumt habe, festelle, dass in meinem Haushalt nicht nur starker Alkohol fehlt, sondern auch Kaffee, fange ich wieder an zu weinen. Warum immer ich? Hätte nicht der Churchill mal ein bisschen bluten, schwitzen und heulen können, satt nur davon zu reden? Der hätte wenigsten Whisky im Haus gehabt. Ich hab nicht mal Kafi.

Wer jetzt glaubt, das sein ein Einzelfall, irrt sich. Auch wenns ein bisschen besser geht, seit ich Hormone verschrieben bekam, wird mein Körper in regelmässigen Abständen zum Kriegsgebiet, in dem sich Östrogen und Progesteron sprichwörtlich bis aufs Blut bekämpfen. Mein Hirn reagiert auf diese Angriffe relativ seltsam: es kommt nicht mehr mit dem öffentlichen Verkehr klar. Vergangene Woche bin ich zwei mal ins falsche Tram eingestiegen und habe drei Mal meine Bushaltestelle verpasst, worauf ich zurücklaufen musste, einmal im strömenden Regen. Das Highlight war, als ich in der App die falsche Haltestelle eingab (warum auch immer), unterwegs merkte, dass ich falsch bin, ausstieg und für einen 30-Minuten-Weg am Ende etwa 2 Stunden brauchte. Ihr seht, die Wechseljahre sind Krieg. Zum Glück gibts auch hin und wieder Waffenstillstand. Sonst bräuchte ich wirklich Whisky zum Zmorge.

Von SC am 31. August 2025 - 07:30 Uhr