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Mission Zukunft

Diese Automarke setzt den Mensch ins Zentrum

Der schwedische Autobauer Volvo will seine Transformation zur nachhaltigen Elektromarke auch mit frischen Design-Ideen erlebbar machen – und setzt dabei auf einen Newcomer mit 35 Jahren Erfahrung.

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Auto STYLE 01/24 Roger Moore as Simon Templar in "The Saint" (TV Series) Auto&Mobilität - Volvo P 1800 Filmauto The Saint - 1961 Roger Moore

Als Simon Templar bereitete sich Roger Moore auf sein Bond-Dasein vor – und brachte Volvos P1800 auf die Fernsehschirme und in die Herzen der Fans.

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Sein Name war noch nicht Bond – James Bond. Aber als der britische Schauspieler Roger Moore (1927–2017) im Jahr 1962 die Rolle des Simon Templar in der Fernsehserie «The Saint» übernahm, gab er damit schon das Bewerbungsschreiben für seine spätere Paraderolle ab. Moore, gebürtiger Londoner, gescheiterter Trickfilmzeichner, notorischer Leinwand-Dandy und später sozial engagierter UNICEF-Botschafter, verkörperte in den 118 Folgen der Serie bis 1969 einen seidenen Helden an der Grenze zwischen halbgut und latent gemein. Keinen Heiligen, wie der Titel glauben machen sollte, sondern eine Art modernen Robin Hood, der die grossen Gangster mit kleinen Gaunereien erledigte. Und dabei nie die Stilsicherheit verlor – schon gar nicht hinter dem Steuer.

Italienisches Design

Ferrari, Maserati und sogar Aston Martin liessen ihn kalt. Wenn Templar ein Auto lieb und teuer war, dann sein Volvo P1800. Kurz vor Drehbeginn im Jahr 1961 lanciert, schlug der 96 PS starke Zweitürer der schwedischen Traditionsmarke die übrige Sportwagen-Prominenz mit deren eigenen Waffen aus dem Feld: Schwung, Eleganz und Grandezza. Dabei führte im italienischen Designbüro Frua ein Schwede den Stift. Pelle Petterson, heute 91, galt als talentierter Industriedesigner und schuf 1957 mit dem P1800 sein Meisterstück. Offenbar war ihm dessen Klasse bewusst: Der Volvo für die Ewigkeit blieb sein einziger Autoentwurf – der passionierte Segler verlegte sich auf Yachten.

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Futuristischer Keil oder italienischer Schwung? Bei Volvos P1800 setzte sich letzterer für die Serienversion durch.

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Volvo aber spülte das hinreissende Coupé nie erträumte Kundschaft in die Schauräume – Architekten, Intellektuelle, Design-Afficionados. Überraschend für eine Marke, die nach dem Zweiten Weltkrieg zwar den Sicherheitsgurt erfunden hatte, aber beim Design buchstäblich auf bucklige Modelle wie den PV444 gesetzt hatte. Doch der P1800 geriet zur Lichtgestalt – erst recht, als Volvo 1971 den P1800 ES nachschob. Der dreitürige Kombi des norwegischen Designers Jan Wilsgaard mit vollverglaster Heckklappe – Spitzname «Schneewittchensarg» – belegt noch heute regelmässig vordere Plätze, wenns um das schönste Automobil aller Zeiten geht. Spätestens mit ihm wurde Volvo zur Designmarke. Daran konnte auch der kantige Backstein-Stil der Modelle der 1970er-Jahre nicht rütteln.

Nordische Klarheit

Diese robuste Langeweile hat Volvo längst hinter sich gelassen. Heute dominiert eine neue skandinavische Linie, die nordische Klarheit mit warmen Interieurs verbindet, in denen Natur- und Recyclingmaterial und reduzierte Bedienelemente wohnliche Atmosphäre ohne Technikdominanz schaffen.

Im Mai 2023 überraschte nun die Neubesetzung der Position des Chefdesigners bei Volvo mit ähnlicher Wucht wie einst Pettersons P1800. Mit Jeremy Offer, 54, berief Volvo-CEO Jim Rowan, 59, einen Newcomer in der klassischen Automobilbranche – aber einen erfahrenen. Seit über 35 Jahren beriet der Industriedesigner unter anderem Tech-Giganten wie Google, PayPal oder Vodafone, wann immer sich digitale Transformation auch visuell niederschlagen sollte. Offer weiss, dass nicht nur das Design haptischer Produkte überzeugen muss, sondern auch das Erscheinungsbild von Services, Dienstleistungen und Software. Nur wenn Menschen sich willkommen fühlen, werden sie neue Technologie ohne Berührungsängste nutzen und schätzen lernen. Technologie muss human daherkommen, so sein Credo.

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Volvos kleinster SUV EX30 kommt auch als Geländetalent Cross Country – seine Form folgt der Funktion.

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Der Mensch im Mittelpunkt

Dabei steht Offer für Reduktion aufs Wesentliche – und steht damit in der Tradition von Volvo. Seine breite Perspektive über das blosse Automobil hinaus gibt mehr als nur einen Hinweis auf die Zukunft der schwedischen Marke. Die Menschen sollen im Mittelpunkt stehen, die Technologie wird sich ihren Bedürfnissen anpassen. Digitale Devices auf Rädern, die zum integralen Teil des Lebens ihrer Besitzer werden: Solche Autos will Offer gestalten, ohne dabei die Leidenschaft, die Emotionen und die Poetik des Automobils und all seiner Implikationen von Freiheit und Dynamik zu verlieren.

Bei seinen Entwürfen ist Offer nicht bange vor dem leeren Blatt Papier. Zuletzt entwarf er beim britischen Startup Arrival aus dem Nichts einen modularen Elektro-Kleinbus – die Echos dieses Konzepts sind bei Volvos kürzlich enthülltem Sechssitzer EM90, der ersten Grossraum-Limousine der Marke, deutlich zu spüren.

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Nur wenn sich Menschen im kommenden SUV EX90 willkommen fühlen, werden sie sich auch auf seine Technik einlassen.

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Gleichzeitig verliert Offer nie die Machbarkeit aus den Augen. Wie muss ein modernes Auto für das 21. Jahrhundert produziert werden? Wie bleiben wir flexibel, um neue Technologien zu integrieren? Der Brite will nicht nur atemberaubende neue Modelle lancieren, sondern das Unternehmen neu fokussieren und alte Paradigmen hinterfragen. Dabei dürfte es ein Vorteil sein, eben keine klassische Autodesigner-Karriere auf dem Buckel zu haben.

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Jeremy Offer will mit frischen Ideen Volvos Zukunft gestalten.

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In seiner Freizeit spielt Jeremy Offer Jazztrompete und improvisiert auf festem Rhythmus-Fundament. Auch das Zusammenspiel mit Volvo-Chef Rowan dürfte kreativ werden – denn der CEO kam ebenfalls als Tech-Quereinsteiger in die Autobranche. Dass in Jeremy Offers Garage zudem ein P1800 steht, dürfte ebenfalls helfen.

Von Andreas Faust am 9. April 2024 - 16:00 Uhr