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Kultur Vermittler

Japanisches Design in europäischer Kulisse

Respekt, die Aufmerksamkeit für jedes Detail und das Streben nach Perfektion zeichnen die japanischen Takumi aus. Jo Stenuit übersetzt bei Mazda die Kunst dieser Handwerksmeister in europäisches Design, das mit uns kommuniziert.

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Mazda

Mit dem Concept Car Shinari von 2010 legte Mazda den Grundstein zum Kodo-Designkonzept.

Denis Meunier

Wenn Menschen in der westlichen Hemisphäre in den Ruhestand gehen, verändert sich ihr Leben grundlegend. Statt Meetings, Deadlines und Key Performance Indicators stehen Badibesuche mit den Enkeln, die Frage des richtigen Düngers für die Hortensien oder die nächste Fernreise im Mittelpunkt. «Wenn man in Japan pensioniert wird, feiert man abends mit den Kolleginnen und Kollegen. Aber am nächsten Morgen kommt man pünktlich ins Büro – nur das Türschild mit Rang und Titel wird dann fehlen», sagt Jo Stenuit, 56, Design Director bei Mazda Europa. «So war es auch bei Maeda-San.»

Am «Car Design Event» in der Motorworld München, einer Art Klassentreffen der Autodesigner-Gilde, zeichnet Mazdas Mann fürs Kreative in Europa den Weg des 1920 gegründeten Unternehmens vom Korkproduzenten zum technisch wie im Design eigensinnigen Autohersteller nach. Aber unversehens gerät sein Auftritt zur Laudatio an Ikuo Maeda, 64, den Grandseigneur des Mazda-Designs, der auch im Unruhestand seinen Nachfolgern noch immer mit Rat und Tat zur Seite steht.

Als er 2009 seine Position als Chefgestalter antrat, stand die Marke am Scheideweg. Mit dem Miata – dem MX-5 in Europa – hatte Mazda 1989 das sieche Segment der kleinen Roadster reanimiert und das Offenfahren zum Massentrend demokratisiert. Frisch, frech und formvollendet: Modelle wie der kugelige 121 oder der Mittelklässler 626 eroberten Europa. Bis vor 15 Jahren der Effekt erschöpft war. In Anzeigen und Werksfotos mussten die Mazda-Modelle immer im 30-Grad-Winkel zum Grund gezeigt werden, aber wirkliche Dynamik mochte nicht mehr aufkommen. Zudem erwies sich das 2007 vorgestellte und «Nagare» getaufte Designkonzept, das bionische Formen aus der Natur in Blech übersetzte, als Sackgasse. Maeda vollzog die Kehrtwende, setzte auf japanische Tradition statt Anbiederung – und mit dem hinreissenden Concept Car Shinari 2010 auch gleich ein Ausrufezeichen.

Mazda Jo Stenuit

Mazda Jo Stenuit

ZVG

Dabei spielte ihm die Bildhaftigkeit und Präzision der japanischen Sprache in die Karten: «Kodo», die Seele der Bewegung, taufte er sein Designkonzept. Die Raubkatze vor dem Sprung, die Spannung vor dem explosiven Ausbruch sollen scharfe Linien und gestreckte Proportionen ausdrücken. Und das alles im Sinne des «Jinba Ittai», der Einheit von Ross und Reiter als maximal enger Beziehung des Menschen hinter dem Steuer zu seinem Auto.

Diese Einheit von Design und Technik erwies sich als so tragfähig, dass das Kodo-Konzept noch heute die Leitlinie des Mazda-Designs bildet. «Allerdings befinden wir uns nun in einer neuen Phase», sagt Stenuit: «Wir lassen ein Element nach dem anderen weg, um die gleiche Emotionalität zu erreichen.» Besonders augenfällig wird diese Herangehensweise im neuen Mazda CX-80: Mit dem Siebenplätzer stösst Mazda in eine neue Grössenklasse vor, ohne die Sprungkraft im Design zu verlieren. Kurze Überhänge, langer Radstand und Reduktion: «Wir wollten ein aufrechtes und selbstbewusstes Flaggschiff. Kein Premiummodell, sondern eins, das die Erwartungen anspruchsvoller Kundschaft erfüllt.»

Neben der Weiterentwicklung des Kodo-Designs ist dem gebürtigen Belgier das physische Erleben der Form wichtig. Am digitalen Entwerfen kommt auch Mazda nicht mehr vorbei – schon um vernetztes Arbeiten zwischen den Designstudios in Japan, Kalifornien und dem deutschen Ort Oberursel zu ermöglichen. Aber das Wichtigste bleibt für Stenuit das Tonmodell: «Nur im Modellieren und Schaben der Formen in Ton lassen sich Autos erschaffen, die mit den Menschen kommunizieren.»

Deshalb übt er sich auch beim Interieur im Weglassen. Nichts soll um Aufmerksamkeit kreischen, die optische und technische Qualität der Details soll sich erst auf den zweiten Blick enthüllen. Displays dürfen deshalb nicht überfordern, sondern müssen präzis positioniert sein – nur dann stellt sich das «Jinba Ittai» wirklich ein.

Bei den Details setzt Stenuit auf die Kunst der Takumi, der traditionellen japanischen Handwerksmeister. Ganz gleich, ob es um Holz, Kork, Metall oder Lack geht: In ihrer Arbeit zollen sie dem Material höchsten Respekt und geben sich nie mit dem Erreichten zufrieden – denn man könnte es am nächsten Tag immer noch ein bisschen besser machen. Dabei ist es herausfordernd, die Präzision und Perfektion traditionellen Handwerks in eine Gross-Serienfertigung zu übertragen. «Welcher Aufwand ist nötig, welcher nicht? Darüber diskutieren wir ausführlich. Aber unser Fokus auf den Eindruck und die Atmosphäre, die wir im Auto kreieren wollen, hilft uns, das Wichtige zu erkennen und dann auch umzusetzen», sagt Stenuit. Die Korkbeschichtung in der Mittelkonsole, das tiefe Rot wie beim Lack traditioneller japanischer Schalen, die «Musubu» genannte japanische Nähkunst: Im CX-80 sind sie zusammengeführt.

Ikuo Maeda schaltet sich noch heute mit seiner Erfahrung und Leidenschaft in solche Gespräche ein. Nur eine Diskussion hat er immer vermieden: die mit seinem Vater Matasaburo, der für Mazda unter anderem den Sportwagen RX-7 zeichnete – damals, in einer anderen Design-Ära. Beide hielten die Familientreffen lieber harmonisch.

Von Andreas Faust am 6. Juni 2024 - 07:30 Uhr