Style: Dimitri Marx, Sie schauen ganz genau zu Ihren Sachen. Woher kommt das?
Marx: Im vergangenen Sommer; ein Dieb knackte mein Auto und nahm die Trainingssachen mit. Aber alles halb so wild – wir Kanufahrer sind uns das gewöhnt.
Wie bitte?
Marx: Da es in der Schweiz keinen optimalen Trainingskanal gibt, absolvieren wir viele Einheiten im französischen Hüningen. Eine kriminelle Gegend. Jeder vom Team wurde mindestens einmal ausgeraubt. Vor wenigen Wochen kam es neben dem Kanal zu einer Schiesserei.
Salome Lang, welche Erfahrungen haben Sie mit Dieben?
Lang: Nicht viele – zum Glück! Im Ausgang wurde mir einmal mein Handy geklaut.
Was raubt Ihnen den Schlaf?
Lang: Nervosität und Stress. Wobei ich allgemein sehr schlecht schlafe. Vor wichtigen Wettkämpfen bringe ich kaum ein Auge zu.
Marx: Ich habe damit weniger Mühe. Wenn ich mir sage, jetzt musst du schlafen, dann klappt das.
Lang: (Lacht.) Bei mir ist es genau umgekehrt. Mache ich mir zu viel Druck, geht nichts.
Die fehlende Olympia-Qualifikation macht es nicht einfacher…
Lang: Klar, es ist eine zusätzliche Belastung. Aber ich bin überzeugt von meinen Fähigkeiten. Wenn ich konstant über 1,90 Meter springe, sollte es reichen.
Marx: Genau, der Glaube an sich selbst ist entscheidend. Beim Weltcup im Juni in Prag fällt die Entscheidung, welcher Schweizer nach Paris fährt. Im letzten Jahr habe ich das Rennen gewonnen. Das kommt gut. Eine grössere Bühne als die Olympischen Spiele gibt es nicht.
Würden Sie sich dafür besonders hübsch machen?
Marx: Nein, das bringt nichts. (Grinst.) Wir tragen einen Helm und uns spritzt Wasser ins Gesicht.
Lang: Bei uns Leichtathletinnen ist das anders. Der Wettkampf ist eine Show. Dazu gehört ein gepflegtes Auftreten. Bei mir gibt es aber ein Problem.
Welches?
Lang: Ich bin richtig schlecht im Schminken. Deshalb mache ich nur das Nötigste, sonst würde ich aussehen wie eine Vogelscheuche!
Sind Sie Einzelsportlerin und Einzelsportler, weil Sie nicht teamfähig sind?
Lang: Freche Frage! (Lacht.)
Marx: Ich trainiere tagtäglich in einem Team. Das funktioniert ganz gut. Als Einzelsportler muss ich aber nicht nach links oder rechts schauen, das gefällt mir.
Lang: Ich bin für meinen Erfolg oder Misserfolg gerne selbst verantwortlich. In einer Team-Sportart bist du von anderen abhängig, das ist nicht so meins. Aber: Seit Jahren arbeite ich mit meinem Jugendtrainer zusammen. Daher würde ich mich durchaus als teamfähig bezeichnen.
Wie haben Sie Ihre Sportarten entdeckt?
Marx: Ich kam als Wasserratte auf die Welt. Kanus waren in den Ferien unsere ständigen Begleiter. Dann sind wir ins Berner Obstbergquartier neben Peter Matti gezügelt. Er ist eine Schweizer Kanulegende. Durch ihn habe ich mich früh für den Sport begeistert.
Lang: Bei mir war es purer Zufall. Meine beste Schulfreundin wollte nicht alleine in das Leichtathletik-Training, also musste ich mit. Bei einem Schülermehrkampf einige Jahre später war ich fast überall eine der Schlechtesten – ausser beim Hochsprung. Von da an war klar, in welche Richtung es gehen würde.
Sie wohnen beide in Basel. Wer wird öfter erkannt?
Marx: Bestimmt Salome. Der Kanusport ist leider viel zu wenig bekannt.
Lang: Tatsächlich werde ich ab und zu angesprochen. Das sind jeweils tolle Momente.
Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Im Gymnasium mussten Sie sich dumme Sprüche anhören.
Lang: Es hiess oft, ich sei ein «Bonze», weil ich in einem grossen Haus aufgewachsen bin. Zu Beginn störten mich solche Aussagen, ich wollte nicht als das verwöhnte Mädchen abgestempelt werden, zumal ich bescheiden erzogen wurde.
«Ich war eine Streberin – und bin stolz darauf!»
Marx: Ich kam mit dem Kanupaddel in die Schule und ging nie in den Ausgang. Da kamen Kommentare, die mich nervten. Dabei ging ich einfach konsequent meinen Weg. Mittlerweile bewundern sie mich für meine Disziplin.
Und wie sahen Ihre Noten aus?
Lang: Bestechend gut. (Lacht.) Ich war eine Streberin – und bin stolz darauf! Das Gymnasium habe ich als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Auch für mein Wirtschaftsstudium an der Universität in Zürich strebe ich Noten zwischen 5,5 und 6 an.
Marx: Wow, da kann ich nicht mithalten. Ich wollte einfach durchkommen, mehr nicht. Am Ende lag der Notenschnitt um 4,5 bis 5.
Was stand sonst noch in Ihrem Zeugnis, Dimitri Marx?
Marx: Mein Lehrer schrieb: «Er schläft regelmässig während des Unterrichts ein.» Da realisierte ich, dass meine Müdigkeit nicht normal war. Letztlich erhielt ich die Diagnose Pfeiffer’sches Drüsenfieber.
Salome Lang, Sie litten an einer Essstörung. Wie kam es dazu?
Lang: Ich reiste nach dem Gymnasium ein halbes Jahr durch Neuseeland. Dort nahm ich zu. Zurück im Training behinderten mich die zusätzlichen Kilos. Ich sprang nicht mehr gleich hoch, also nahm ich ab. Daraus entwickelte sich eine Essstörung.
Wie zeigte sich das?
Lang: Ich ging nicht mehr mit Kolleginnen in ein Restaurant. Dazu kamen Fressattacken. Ich ass nichts, bis der Hunger derart gross wurde, dass ich den Kühlschrank leerte. Danach plagte mich das schlechte Gewissen und ich hungerte erneut. Ein Teufelskreis.
Wie durchbricht man den?
Lang: Mein damaliger Freund sprach mich als erster darauf an. Ich ging dann zu einem Psychologen. Mittlerweile kann ich besser damit umgehen, aber das Essen wird für mich immer ein Thema bleiben.
Weil im Hochsprung jedes Gramm zählt?
Lang: Absolut, ich kenne mein optimales Körpergewicht für den Wettkampftag. Dieses will ich erreichen, um ein möglichst gutes Resultat zu erzielen.
Dimitri Marx, wie ist Ihre Beziehung zum Essen?
Marx: Sehr gut, ich bin mit 90 Kilo der Schwerste in meiner Kategorie. Ich schaue auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Grundsätzlich darf ich mehr oder weniger essen, was ich will. Ein Luxus.
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