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Blick hinter die Kulissen

So entsteht bei Bucherer jedes einzelne Schmuckstück

Farbige Edelsteine, Uhren mit Kronen und eine mutige Frau, die Geschichte schrieb: Bucherer in Luzern pflegt seit 137 Jahren Handwerkskunst, die Präzision, Geduld und Gespür verlangt.

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<p>Bei der Uhren- und Schmuckmanufaktur Bucherer in Luzern entsteht jedes Stück in Handarbeit – von der ersten Skizze bis zum finalen Polieren.</p>

Bei der Uhren- und Schmuckmanufaktur Bucherer in Luzern entsteht jedes Stück in Handarbeit – von der ersten Skizze bis zum finalen Polieren.

Bucherer

Im Atelier in Luzern ist es still. Nur das leise Zischen der Lötflamme durchbricht die Ruhe. Goldschmied Daniel Baumgartner (60) beugt sich über den Cocktailring, der gerade entsteht. Die Flamme erreicht fast 900 Grad Celsius. Ganz behutsam führt er sie an die feinen Goldnähte. «Zu nah – und der Ring läuft schwarz an», erklärt er, ohne den Blick vom Werkstück zu heben.

Was hier entsteht, ist nicht bloss ein Accessoire – es ist ein Stück Schweizer Geschichte. Seit 1888 steht der Name Bucherer für Handwerkskunst, die in einer digitalisierten Welt anachronistisch wirkt – genau darin liegt ihr Zauber. Und während viele Luxusmarken ihre Produktion auslagern, hält Bucherer am ursprünglichen Standort fest: Jede Fassung, jede Gravur, jeder Ring der High-Jewellery-Kollektionen entstehen in Luzern – in den Händen von Goldschmieden und Fassern, die ihr Metier über Jahre verfeinert haben.

<p>Hier entsteht ein Cocktailring. Seinen Ursprung hat das Schmuckstück in den 1920er-Jahren während der Prohibition. Damals trugen Frauen solche Ringe als sichtbare Zustimmung zu den verbotenen Cocktailpartys.</p>

Hier entsteht ein Cocktailring. Seinen Ursprung hat das Schmuckstück in den 1920er-Jahren während der Prohibition. Damals trugen Frauen solche Ringe als sichtbare Zustimmung zu den verbotenen Cocktailpartys.

Véronique Hoegger

Die fertigen Schmuckstücke finden später ihren Weg an den Hals von Eva Longoria, die Finger von Ariana Grande oder die Ohren von Paris Hilton – nicht, weil Bucherer Partnerschaften mit ihnen hat, sondern weil die Stars die Stücke lieben. Irene Abächerli (41) sitzt in ihrem Büro, umgeben von Skizzen, Farbkarten und Fotos.

Seit 2015 arbeitet sie im Schmuckdesign, seit vier Jahren bei Bucherer, wo sie Kollektionen entwirft, die Tradition und Zeitgeist vereinen. An der Wand hängen Fotos von New York, die Skyline bei Nacht, das Glitzern des Hudson bei Sonnenuntergang.

<p>Designerin Irene Abächerli bei der Arbeit: Bei Bucherer entstehen die Entwürfe zuerst auf Papier – Skizzen, die den Grundstein für den Schmuck mit den farbenfrohen Steinen legen.</p>

Designerin Irene Abächerli bei der Arbeit: Bei Bucherer entstehen die Entwürfe zuerst auf Papier – Skizzen, die den Grundstein für den Schmuck mit den farbenfrohen Steinen legen.

Véronique Hoegger

Auf dem Tisch liegen Farbkasten, Buntstifte und Skizzen – Ideen in Entstehung. «Inspiration finde ich überall», sagt sie. «Beim Reisen, in der Architektur, manchmal sogar in einem Muster auf einem alten Stoff. Wir versuchen, dieses Gefühl in unsere Designs zu übersetzen.» Sie greift zu einem Stift. «Für ein Design rechnen wir meist zwei Monate. Wir machen Schmuck, der Charakter hat – keine Massenware, die auftaucht, kurz glänzt und wieder verschwindet.»

Es war Louise Bucherer, die vor hundert Jahren den Grundstein legte – als eine der ersten Frauen ihrer Zeit in der Schmuckbranche. Und sie tat es buchstäblich mit Steinen. Farbsteinen, um genau zu sein. Während es damals unüblich war, dass Frauen Geschäfte führten oder mitentschieden, reiste sie mit ihrem Mann Carl-Friedrich um die Welt – auf der Suche nach Pastelltönen, die sie besonders mochte.

<p>1888 eröffnen Carl-Friedrich und Louise Bucherer in Luzern ihr erstes Uhren- und Schmuckgeschäft – der Beginn einer Erfolgsgeschichte.</p>

1888 eröffnen Carl-Friedrich und Louise Bucherer in Luzern ihr erstes Uhren- und Schmuckgeschäft – der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Véronique Hoegger

In den Werkstätten, einen Steinwurf vom Seeufer entfernt, hat sich seit damals wenig verändert. Goldschmiedinnen und Fasser sitzen an Tischen, die Hände ruhig, die Blicke fokussiert. Eine zieht hauchdünne Golddrähte, eine andere fasst einen pinken Diamanten – darunter Steine im Wert von rund 1,5 Millionen Franken. «Da muss man extrem vorsichtig und erfahren sein», sagt Benno Bühlmann (51) seit 35 Jahren Edelsteinfasser bei Bucherer. «Wir arbeiten mit Naturprodukten. Jeder Stein hat innere Spannungen oder kleine Einschlüsse – das muss man spüren, bevor man Druck ausübt. Wenn der Stein bricht, ist Feierabend.» Denn versichert ist nicht der Prozess, sondern erst das Endprodukt.

«Ein Schmuckstück soll nicht nur schön aussehen, sondern sich auch gut anfühlen. Schönheit beginnt dort, wo Handwerk und Gefühl zusammenkommen.» Für Bühlmann ist das Fassen fast eine meditative Arbeit. «Man braucht Geduld, Kontrolle – und eine ruhige Hand. Wir trainieren jeden Tag, damit die Hand ruhig bleibt – am Freitag genauso wie am Montag.» Die Schmuckstücke, die hier entstehen, tragen Namen wie «Skyline» oder «Inner Fire» – inspiriert von New York, wo das Unternehmen Boutiquen führt und mit seinen Kreationen auf dem roten Teppich glänzt, etwa an der Met Gala.

Auch Rolex verdankt Bucherer einen Teil seiner Geschichte. 1924 erkannte Ernst Bucherer, Sohn der Gründerin Louise, das Potenzial der noch unbekannten Marke mit der Krone. Während andere Juweliere zögerten, nahm er als Erster die gesamte Kollektion von Hans Wilsdorf, dem Rolex-Gründer, in sein Sortiment auf. 2024 wurde in dieser Geschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen: Rolex übernahm das Traditionshaus Bucherer, um die hundertjährige Freundschaft offiziell zu besiegeln.

Was Bucherer heute in Luzern fertigt, beginnt immer gleich: mit einer Idee. Auf einem Blatt Papier zeichnet jemand die erste Skizze, dann wird sie im 3D-Druck gegossen, gefeilt, poliert, gefasst.

<p>Farbige Cocktailringe, wie sie Gründerin Louise Bucherer liebte. Ihre Leidenschaft für leuchtende Edelsteine prägt das Haus bis heute.</p>

Farbige Cocktailringe, wie sie Gründerin Louise Bucherer liebte. Ihre Leidenschaft für leuchtende Edelsteine prägt das Haus bis heute.

Véronique Hoegger

Zwischen Entwurf und Endprodukt liegen Wochen, manchmal Monate oder ein ganzes Jahr. Manche Stücke entstehen auf Wunsch von Kundinnen, die aus einem geerbten Stein ein neues Lieblingsstück machen. «Da kommt jemand mit einem Saphir aus dem Nachlass der Grossmutter», erzählt Designerin Irene Abächerli, «und am Ende wird daraus ein Ring, den die Enkelin täglich trägt.» Hunderte solcher Massanfertigungen entstehen jedes Jahr.

Von Liebhaberstücken für Jubiläen bis zu einem Lamborghini-Schlüssel, der mit Saphiren ausgefasst wurde. Wer will, darf beim Besuch sogar selbst einen Stein fassen – unter Aufsicht natürlich.

<p>Mit geschultem Blick und modernster Technik lässt sich zweifelsfrei erkennen, woher jeder einzelne Edelstein stammt.</p>

Mit geschultem Blick und modernster Technik lässt sich zweifelsfrei erkennen, woher jeder einzelne Edelstein stammt.

Véronique Hoegger

Doch die grösste Faszination bleibt das Handwerk selbst – der Moment, in dem der letzte Stein sitzt und das Schmuckstück vollendet ist. «Man muss jeden Tag üben, damit die Hand so ruhig bleibt», sagt Benno Bühlmann. «Wie bei Musikern mit ihren Instrumenten: Nur wer täglich spielt, bleibt präzise. Bloss haben wir statt Applaus am Ende ein Schmuckstück.»

vor 18 Minuten