Die Fehde begann im Januar 1915: Die amerikanische Beauty-Unternehmerin Elizabeth Arden suchte ein schickeres Lokal. Sie war bereits an der vornehmsten Adresse New Yorks mit einem Schönheitssalon vertreten – an der Fifth Avenue, im dritten Stock der Nummer 509. Nun wollte sie vergrössern und vor allem mit Schaufenstern auf sich aufmerksam machen. Ein mögliches Lokal hatte sie besichtigt, es aber als zu klein befunden. Dann der Schock: Der Vermieter der Liegenschaft Fifth Avenue 673 informierte sie, er habe jemand für das Ladenlokal gefunden.Und wie das halt so ist: Auch Dinge, die man eigentlich nicht will, werden begehrenswert, wenn jemand anders sie will. Arden liess abklären, wer der Mieter sei. Die Antwort war ein noch grösserer Schock: Helena Rubinstein, wie Arden ein aufstrebender Stern am Himmel der Schönheitsprodukte, hatte sich den Laden geschnappt. Arden war ausser sich.
Wie der Streit begann
Rubinstein hatte sich in Australien und Europa eine treue Klientel aufgebaut, aber ihr, Elizabeth Arden, gehörten die USA! Hier hatte die Fremde nichts zu suchen. Durch Beziehungen liess sie den Mietvertrag platzen und schnappte sich das Lokal.Es war die erste Finte in der bizarren Beziehung der beiden Frauen, die sich nie persönlich trafen, die aber ihr ganzes Leben vom Wunsch getrieben wurden, besser, reicher, prominenter und wichtiger zu sein als die Rivalin. Beide waren ihrer Zeit voraus, veränderten die Kosmetikindustrie fundamental – oder besser gesagt: Sie haben eine Schönheitsindustrie geschaffen, wie sie danach nur noch kopiert werden konnte. Es ist ein Elend, sich vorzustellen, wie viel Elizabeth und Helena hätten teilen können, wie ähnlich die Probleme waren, die sie lösen mussten, und wie viel Stärke und Mut sie sich gegenseitig hätten zusprechen können. Aber die Ladys zogen es vor, ihre Geheimnisse zu hüten, der anderen zu schaden, einander auszuspionieren, sich wehzutun – leider sehr unladylike.
Bei Rubinstein begann alles mit Schafsfett
Helena Rubinstein1872 als Chaja Rubinstein in Kraków geboren, schiffte die 26-Jährige nach Australien ein und gab sich den neuen Namen Helena. Ihr Vater hatte ihr verboten, den nichtjüdischen Medizinstudenten Stanislas zu heiraten. Damit hatte er der ältesten seiner acht Töchter gleichzeitig die Möglichkeit geraubt, selber Ärztin zu werden. Um sich diesen Traum zu verwirklichen, hatte Rubinstein mit Stanislas zusammen alles gelernt, was diesem an der Universität vermittelt wurde. Und dann, allein auf einem fremden Kontinent, verkaufte sie Cremes, die sie zu Hause zusammengemixt und mitgebracht hatte. Einer Salbe auf der Basis von Lanolin, dem Wollfett von Schafen, gab sie Kräuter bei, um den strengen Geruch zu übertünchen. Ein Geldgeber half ihr, die Produktion hochzufahren, die Creme bekam den Namen «Valaze» – Geschenk des Himmels. Das Produkt wurde zur Goldgrube, Helena Rubinstein eröffnete Schönheitssalons in Australien und expandierte rasch nach Paris und London, von wo aus sie weitere europäische Städte eroberte. Hautdiagnose, Beratung, Bedürfnisabklärung, Hormoncremes, wissenschaftliche Erkenntnisse, Anti-Aging – all das hat sie begründet.Und dann kam der Januar 1915 und ihr Vorhaben, die USA zu erobern.
«Harte Arbeit hält die Falten fern –in Körper und Geist.» Helena Rubinstein
Arden startete als Kosmetikerin
Elizabeth ArdenFlorence Nightingale tauften die kanadischen Eltern Graham ihre 1878 geborene Tochter. Mit dem Namen der berühmtesten Krankenschwester der Geschichte bedacht, war das auch der Beruf, den sie ausübte. Mit dreissig zog sie fort, die Mutter war gestorben, sie hasste den Vater, der sich nicht um die Familie kümmerte. In einem Kosmetiksalon in New York tauchte sie in das Geschäft mit der Schönheit ein und gründete mit Elizabeth Hubbard 1910 den ersten eigenen Salon. Kurz darauf trennte sie sich von ihrer Geschäftspartnerin und nannte sich und ihre Salons künftig Elizabeth Arden – wobei Arden für das englische «ardent» (leidenschaftlich) stand. Auch sie startete mit Cremes auf Lanolinbasis, auch sie mischte wohlriechende Kräuter bei. Ihr Ansatz war «ganzheitliche Schönheit». Nicht nur schmieren und salben, auch Gymnastik, gesunde Ernährung und Massagen empfahl sie der reichen Kundschaft. Sie selber war eine begnadete Masseurin und praktizierte jeden Morgen Yoga.
«Ich will nur Menschen um mich, die das Unmögliche möglich machen.»Elizabeth Arden
Wettstreit und Expansion
Nachdem Rubinstein in ihren Machtbereich eingetreten war, eröffnete sie Arden-Salons in Paris und London. Arden engagierte einen Wissenschafter und brachte als Erste eine Pudercreme auf den Markt, öffnete in Maine einen Beauty-Spa und erfand die Eight Hour Cream. Die Feuchtigkeitscreme ist noch heute im Sortiment und unerreicht. Arden und Rubinstein waren überzeugt, dass nur Faulheit eine Frau daran hindere, schön zu sein. Ihre gegenseitigen Intrigen waren legendär. Rubinstein hatte eine Spionin bei Arden, verkehrte mit Dalí und Picasso, war befreundet mit der Chefin von «Harper’s Bazaar» und beschuldigte die Rivalin, mit Nazis zu verkehren. Arden luchste Rubinstein das Verkaufsteam ab, hatte Queen Mary als Kundin und die «Vogue»-Chefin zur Freundin, verkehrte mit den Roosevelts und den Kennedys und brachte die New Yorker Gesellschaft gegen ihre Rivalin auf. Mit Männern hatten beide kein Glück. Rubinstein fand erst im Alter einen Mann, der sie auf Händen trug, Arden setzte auf Pferde.
Beide hinterliessen grosse Vermögen, eine bedeutende Kunstsammlung und kiloweise Juwelen (Rubinstein) respektive einen erfolgreichen Rennstall (Arden). Ihr wichtigstes Erbe: die Schönheitsindustrie, wie wir sie heute kennen, und die Vorbildfunktion für Unternehmerinnen.