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Von Brocki bis Bling Bling

Secondhand hat viele Gesichter

Die Schweiz ist ein reiches Land, auch an Secondhand. Ob stöbern in einem Garagen-Brocki oder schmöckern im Luxus-Laden für preloved Handtaschen. Für jeden Geschmack gibt es einen Anbieter – das sind drei davon.

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Christina Gaja führt einen Laden für Taschen aus zweiter Hand.

Christina Gaja führt einen Laden für Taschen aus zweiter Hand.

Urs Bucher

Christina Gaja: Die Luxus-Lady

Von Gebrauchtware sprechen die einen, von Secondhand die anderen. Was früher einmal jemandem Freude machte und jetzt neue Besitzer sucht, hat viele Namen. Wer «Occasion» sagt, meint auch Resale oder Recommerce. Christina Gaja mag ein anderes Wort lieber: «pre-loved». «Weil ein solcher Gegenstand aus zweiter Hand vorher nicht nur benutzt wurde. Sondern geliebt.»

Urs Bucher

Gaja ist seit sechs Jahren im Geschäft mit «vorgeliebten» Designerhandtaschen. Unter dem Namen «Revive by Gaja» führt sie in Wil SG ihren Laden. Auf kleinen vierzig Quadratmetern mitten in der Altstadt haben rund 150 Handtaschen der Champions League ihren grossen Auftritt. Von Celine und Chanel bis Gucci und Hermès reicht die Parade und weiter von Louis Vuitton über Prada bis hin zu Yves Saint Laurent.

Urs Bucher

Das Business laufe gut, sagt Christina Gaja, die Verkäufe kämen zu 40 Prozent im physischen Laden und zu 60 Prozent via Instagram zustande. Der Durchschnittspreis einer verkauften Pre-loved-Tasche liegt bei 1800 Franken. Bei sehr begehrten Modellen können es aber auch bis zu 5000 Franken werden. Das Begehren ist gross, die Kaufbereitschaft auch.

Dass Secondhandverkäufe boomen, führt Christina Gaja auf verschiedene Gründe zurück: «Es ist eine Mischung von Streben nach Nachhaltigkeit, Social-Media-Boom und dem Wunsch, seltene und schöne Teile zu besitzen.» Am liebsten natürlich zum schicken Spartarif: «Die Preise bei den Luxusmarken sind in den letzten Jahren explodiert», sagt Gaja. «Meine Kundinnen sparen bei pre-loved Taschen locker 500 bis 600 Franken.»

Das grosse Secondhand-Ranking

Suse Heinz für Handelszeitung

Kleider, Möbel, Luxusware aus zweiter Hand boomen. Wie das Gebrauchtwarengeschäft läuft und welche Deutschschweizer Stadt die Topadresse ist. Zum Ranking.

Luana Colagiorgio: Die Online-Brokerin

Valeriano Di Domenico

Luana Colagiorgio gilt auf der Secondhandplattform Marko als Power-Userin und erfolgreiche Verkäuferin. Die Aarauerin, die im Berufsleben als Produktmanagerin im Kostümhandel aktiv ist, handelt über Marko vor allem mit Mode. «Die Teile in meinem Schrank haben sich über die Jahre derart massiv angehäuft, dass ich sie seit etwa einem Jahr aktiv über den Onlinekanal absetze.»

Für ihr Angebot – «querbeet alles, was man anziehen kann» – interessierten sich vor allem Kundinnen zwischen zwanzig und dreissig. Gemäss Colagiorgios Erfahrungen schätzen diese an ihrer Secondhandmode vor allem den günstigen Preis, die nachhaltige Komponente und den individuellen Style.

Auch Colagiorgio selbst deckt sich gerne mit Secondhandklamotten ein, in der Aarauer Altstadt beispielsweise bei den Shops Tante Emma oder Second Fish, online über den Schweizer Anbieter The Vintage Hunter, aber auch in Brockenhäusern und auf Flohmärkten. Was ihr dabei wichtig ist: «Weil ich meinen eigenen Style ausleben will, bin ich stets auf der Suche nach sehr individuellen Teilen.»

Valeriano Di Domenico

Mit dem Geschäftserfolg als Onlineverkäuferin ihrer eigenen Modevergangenheit ist Colagiorgio zufrieden. Etwa fünfzig Teile habe sie über Marko abgesetzt im letzten Jahr, hauptsächlich Mode – und auch ein Sofa sei sie über diesen Kanal losgeworden. Sehr gut läuft laut der Aargauerin im Bereich Secondhandmode alles, was einen Markennamen trage oder dann zum Mindestpreis von 7 Franken angeboten werde. «Viel verdient habe ich damit nicht», sagt Luana Colagiorgio. «Aber ein Ferienbatzen ist dabei schon herausgesprungen.» Für einen Trip, der nicht nur bis Chiasso reicht, «sondern bis nach Apulien».

Georg Schuster: Der Brocki-Mann

Valeriano Di Domenico

Der gelernte Maurer ist seit drei Jahren zusammen mit Lukas Tappeiner Co-Besitzer der Brockenhaus Aarau GmbH, die an der Schnellstrasse Aarau–Suhr typisches Brocki-Feeling bietet: eine 500-Quadratmeter-Stöberpiste auf zwei Etagen, mit einem Angebot, das von Spiegeln, Sneakern und Sonnenbrillen bis hin zu Geschirrservices, Polstersesseln, Wanduhren und Comics reicht. «Unsere Kunden kommen aus der Nähe, aber auch von Zürich, Baden, Bern und Basel», sagt Schuster, der in Künten AG seit 2021 ein weiteres Brockenhaus betreibt.

Was Schuster abhebt von der Brocki-Konkurrenz, ist sein Omnichannel-Ansatz – also die Onlineerweiterung als Ergänzung zum stationären Angebot. Der Aargauer Unternehmer gilt bei Ricardo als sogenannter Super-Seller. Secondhandprofi Schuster erklärt seinen Onlineeinsatz so: «Im Internet zeige ich eher voluminöse Gegenstände, die ich nicht auf unserer Fläche präsentiere, sondern im Lager aufbewahre – also zum Beispiel grosse Spiegel, Gestelle oder Möbel.»

Valeriano Di Domenico

In der Regel hat Schuster auf seinem Ricardo-Account «Schnäpplihuus» gemäss eigener Aussage «immer so zwischen 1000 und 3000 Artikel im Angebot.» Mit der Zeit hat er gelernt, was auf dem digitalen Kanal besonders gefragt ist: «Online laufen Möbel aus den 70er- und 80er-Jahren sehr gut, aber auch Vintageklamotten und -brillen. Oft Produkte, die von Fans schweizweit im Netz gesucht werden.»

Im physischen Brockenhaus performen dann eher Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Pfannen, Töpfe und weitere Küchenartikel. Zu seiner Ware kommt Schuster einerseits über Räumungsaktionen, die er als Nebengeschäft durchführt, aber auch durch Warenspenden seiner Kundinnen und Kunden. Mittlerweile sei er bei gewissen Angeboten wählerischer geworden: «Bücher nehme ich schon gar nicht mehr an, das kauft heute niemand mehr.» Mit einer Ausnahme: «Bibeln sind okay, die laufen immer.»

Valeriano Di Domenico

Das Erfolgsgeheimnis für ein physisches Brockenhaus erklärt Schuster so: «Die Ware muss tipptopp aussehen und sauber sein – aber mit Charme präsentiert werden. Wenn es aussieht wie im Warenhaus, ist der Brocki-Zauber vorbei.»

Von Andreas Güntert und Olivia Ruffiner vor 15 Stunden