Vergesst das verflixte siebte Jahr. Die durchschnittliche Dauer von Ehen, die in einer Scheidung enden, beträgt in der Schweiz laut aktueller Statistik 15 Jahre. Bei der Eheschliessung sind Schweizerinnen im Schnitt 30 Jahre alt, Schweizer 32. Offizielle Zahlen gibt es zwar keine, aber man geht davon aus, dass man hierzulande gut drei Jahre zusammenlebt, bevor man heiratet, und davor etwa zwei Jahre ein Paar war. Heisst: Man lernt sich im Schnitt mit 26 kennen und lässt sich mit 46 scheiden. Und: Die Scheidungsquote in der Schweiz liegt bei fast 42 Prozent.
All diese Zahlen scheinen mir recht logisch. Natürlich könnte man sich fragen, warum man erst nach 20 Jahren merkt, dass man keinen Bock mehr aufeinander hat. Aber es ist so: Du entscheidest dich mit Mitte 20 für jemanden, der passt. Und dann ists wie mit einer Jeans: Du musst brutal Schwein haben – und die Hose einen unglaublich hohen Stretch-Anteil – damit sie mit Mitte 40 immer noch passt.
«Du entscheidest dich mit Mitte 20 für jemanden. Dann ists wie mit einer Jeans: Du musst Schwein haben, damit sie mit Mitte 40 noch passt.»
Fakt ist: Du bist mit 46 nicht mehr die oder der Gleiche wie mit 26, und dein Partner oder deine Partnerin auch nicht. Du hast ein anderes Selbstbild, andere Bedürfnisse, andere Erfahrungen. Natürlich kann man theoretisch am gleichen Ort landen, zumal ja auch sehr viel zusammen erlebt hat. Aber eben – fast die Hälfte der Paare tun das nicht. Und ich wage zu behaupten, unter der anderen Hälfte gibt es ganz viele, die einfach akzeptieren, dass sie an unterschiedlichen Punkten sind, und so nebeneinander weiterleben (was einen, nebenbei gesagt, nicht unbedingt unglücklich machen muss).
«Ich habe doch alles für sie/ihn getan.» Diesen Satz habe ich mehr als einmal in meinem Umfeld gehört, sowohl von Männern als auch von Frauen, die vor den Scherben ihrer Ehe standen. Nun, mit der Weisheit meiner fast 50 Jahre, kann ich heute sagen: Füreinander in Ehren – aber es ist das Miteinander, das zählt. In einer Beziehung auf Augenhöhe muss niemand bedient und niemand beschützt werden. Und es muss auch niemandem, wie man so gern sagt, der Rücken freigehalten werden. Wer eine gleichberechtigte Beziehung so führen will, dass zu jeder Zeit alles genau fifty-fifty geteilt werden muss, landet in einem Kreislauf, in dem ständig die eine dem anderen etwas schuldig ist oder umgekehrt. Und mit ständigen Schuldgefühlen lebt es sich ganz, ganz schlecht, das könnt ihr mir glauben.
Natürlich wollen wir heute alle Erwerbs- und Care-Arbeit und Haushalt so gerecht wie möglich aufteilen. Das ist auch richtig. Aber glaubt mir, es gibt Wichtigeres als wer wie lange in der Küche steht und wer wieviel zu den Familienferien beiträgt. Die Frage soll nicht in erster Linie lauten: «Was bringst du an den Tisch, was ich?», sondern «Wie füllen wir gemeinsam diesen Tisch, damit es für uns beide stimmt?» Wie wir das schaffen? Mit bedingungsloser Unterstützung und Wertschätzung, auch wenn man einander mal doof findet. Mit einem Übermass an Grosszügigkeit, auf allen Ebenen, in erster Linie auf der emotionalen. Mit schonungsloser Offenheit. Mein Partner muss nicht jeden meiner Schritte kennen, aber jedes meiner grösseren Probleme. Das klingt schwierig. Ist es auch. Ich habs im ersten Anlauf nicht hingekriegt. Vielleicht gelingts mir ja jetzt.