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Der ganz normale Wahnsinn

Plötzlich ist der Krieg ganz nah bei bei meinen Kindern

Krieg. Nicht in den Geschichtsbüchern der Kinder unserer Familienbloggerin, sondern in ihrer Gegenwart. Nicht weit weg, sondern in einem Land und einer Stadt, die sie kennen, wo sie schon waren. Sandra C. fehlen für einmal die Worte. Aber vielleicht muss man auch nicht immer alles erklären.

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Familienblog Krieg

Die ganze Welt - wie hier in den USA - protestiert gegen Russlands Krieg gegen die Ukraine.

imago images/ZUMA Wire

Kürzlich hielt mein Sohn einen Vortrag über den zweiten Weltkrieg. Ich schlug ihm vor, er solle doch sein Grosi anrufen, und sie fragen, woran sie sich noch erinnert. Es war das erste Mal, dass er Krieg als etwas wahrnahm, das nicht gefühlte hundert Jahre her ist. Etwas, das jemand, den er kennt, selbst miterlebt hat. «Warum machen Menschen das?», fragte er. Eine Frage, auf die es so viele Erklärungen gibt, und doch keine, die wirklich Sinn macht.

Warum beschiessen Menschen Menschen?

Nur ein paar Wochen später ist die Frage für uns noch präsenter. Wir haben Freunde in Kiew. Vor drei Jahren haben wir sie besucht. Meine Kids haben die ukrainische Hauptstadt als lebendige Metropole in Erinnerung, in der es laut meinem Sohn die beste Lasagne der Welt gab. Sie haben natürlich auch da die Geschichte mitbekommen, waren an der Mauer der Erinnerung an die gefallenen Soldaten sehr ruhig. Aber auch da war der Krieg Vergangenheit.

Jetzt ist er Gegenwart. Der Krieg ist jetzt. In einem Land, einer Stadt, an die meine Kinder wertvolle Erinnerungen haben. Unsere Freunde waren zufälligerweise in den Ferien, als der Krieg ausbrach. Glück im Unglück. Meinen Kindern und mir brechen die Nachrichten und die Fernsehbilder das Herz. Es geht um Geschichte, Politik, Geografie. Ich kann ihnen das erklären. Dass man dafür Menschen beschiesst, Menschen bombardiert, Menschen vertreibt, kann ich ihnen nicht erklären.

«Die Geschichte wird sich immer wiederholen, wenn wir nicht bereit sind, unsere Aktionen und Reaktionen zu hinterfragen.»

Ich kann ihnen nur sagen, dass jede Aktion eine Reaktion provoziert. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber sicher übermorgen. Manche Aktionen und Reaktionen haben grössere Ausmasse als andere, und manche haben solche, die man sich kaum vorstellen kann. Und dass man sich, auch wenn man kein Land regiert, und keine Panzer und Bomben besitzt, sehr genau überlegen sollte, wie man agiert und reagiert. Es kommt immer auf einen zurück, in der einen oder anderen Art und Weise. Das erklärt keinen Krieg. Aber es zeigt, dass sich die Geschichte immer wiederholen wird, wenn wir - sowohl im Grossen als auch im Kleinen - nicht bereit sind, unsere Aktionen und Reaktionen zu hinterfragen.

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 5. März 2022 - 18:09 Uhr