Seit Corona ist Nähe gefährlich geworden. Wie nah man Fremden kommen darf, ist behördlich geregelt. Man umarmt Freund*innen seit Monaten nicht mehr. Selbst der Händedruck ist jetzt unerwünscht. Das ist ja auch eine Chance! Jemandes Schlabberhand zu schütteln und dann beim Gespräch nichts anderes zu denken als «Muss-Handschweiss-abwaschen, muss-Handschweiss-abwaschen» – die Zeiten sind vorbei. Noch immer unklar, was sich stattdessen durchsetzten wird. Wir haben mal gehört, Küssen stärkt das Immunsystem…
Igittigitt, die küssen sich!
Küsse sind schon ein seltsames Phänomen. Obwohl es eine ganze Wissenschaft gibt, die sich nur mit aufeinandergepressten Mündern beschäftigt (Philematologie), kann bis heute niemand sicher sagen, warum Menschen einander küssen. Eine Theorie ist, dass die Geste ein Überbleibsel aus unserer Affen-Vergangenheit ist. Affenmütter kauen ihren Babys das Essen vor und küssen es ihnen in den Mund. Biolog*innen glauben, dass wir beim Küssen erschmecken, ob der andere zu uns passt. Freud sagt, dass es mit dem kindlichen Verlangen nach den Brustwarzen der Mutter zu tun hat (lol. typisch er wieder).
Auf jeden Fall ist es gut, dass geschmust wird. Denn während des Küssens bildet der Körper mehr Hormone, der Herzschlag beschleunigt sich, und der Blutdruck steigt. Ein einziger leidenschaftlicher Kuss verbraucht rund 26 Kalorien pro Minute. Je nach Kussintensität sind bis zu 34 Gesichtsmuskeln beteiligt, weiss ein wissenschaftlicher Artikel aus dem Greater Good Magazine. Und: Das Immunsystem wird trainiert. Bei einem Zungenkuss werden etwa 80 Millionen Bakterien ausgetauscht (zur Studie). Der Abbau des Hormons Cortisol vermindert Stress.
Ekkachai und Laksana Tiranarat sind dann also dann die gesündesten und immunstärksten Menschen der Welt, oder? Mit 58 Stunden und ein paar zerquetschten halten die beiden Thailänder*innen den Rekord für den längsten Kuss. Schon klar. So einfach ist das natürlich nicht.
Schmusen statt Hände schütteln?
Rhetorische Frage. Aus vielen Gründen: Natürlich nicht. Zwar werden «erstaunlich wenig Krankheiten durch das Küssen übertragen. Man steckt sich zum Beispiel eher beim Händeschütteln an», sagt Beda Stadler, ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie am Inselspital Bern zum Migros Magazin. Aber Küsse können trotzdem eine Reihe von krank machenden Organismen übertragen werden, darunter Viren der oberen Atemwege wie Sars-CoV-2, aber auch Herpes- und Epstein-Barr-Viren sowie Streptokokken und Tuberkulose-Bakterien.
Wir belassen es also bei der Begrüssung weiterhin bei der angedeuteten Verbeugung oder – wahlweise – dem Ellenbogengruss. Der wird ja immerhin auch immer seltener zusammen mit Ironie-Zwinker-Zwinker verwendet. Küssen soll Privatsache – und der Händedruck verboten bleiben.