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Comfort Binge

Warum gucken wir immer wieder die gleiche Serie?

Statt Sommer, Sonne, Badi beschäftigen wir ab jetzt– wegen des eher bescheidenen Wetters – hauptsächlich mit unserem Netflix-Account. Wenigstens von daheim aus den kalten Sprung in neue Gewässer wagen? Von wegen. Wir bleiben dabei stets unserer Lieblingsserie treu. Warum sind wir so?

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NEW YORK - MARCH 14:  Actresses Leighton Meester and Blake Lively on location for "Gossip Girl" on March 14, 2008 in New York City.  (Photo by James Devaney/WireImage)

Immer und immer wieder liegen wir da und sehen uns immer und immer wieder das Gleiche an ...

Getty Images

Erst kürzlich erhöhte der Streaming-Dienst Netflix seine monatliche Rate. Neue, tolle Serien und Filme würden dafür folgen, hiess es. So richtig bemerkbar macht sich das beim allabendlichen Scrollen durch die Online-Videothek allerdings noch nicht. Hat Netflix geflunkert oder sehen wir die ach so tolle Neuerscheinung vor lauter alter Schinken nicht? Von Letzterem gibt es dort ja ganz schön viele: «Friends», «New Girl», «Gossip Girl» und und und … Die Liste der Serien, die wir inzwischen ohne hinzugucken mitsprechen können, ist gar nicht mal so kurz. Und wenn alle Stricke reissen, dann kommen wir gut und gerne immer und immer wieder auf sie zurück. Zum Beispiel dann, wenn wir uns am Abend mal wieder orientierungslos durch diverse neue Trailer klicken, nur um festzustellen zu müssen, dass sie uns schon ab der Hälfte langweilen. Die Lösung: Zum 48-mal unsere Lieblingsserie einschalten. Da wissen wir immerhin, was wir bekommen.

Aber wieso verdammt noch mal sind wir so faul? Wir wissen doch ganz genau, dass Dan sich am Ende als fieses «Gossip Girl» entpuppt und Chuck und Blair ENDLICH zueinander finden. Offensichtlich geht es uns immerhin nicht allein so. Inzwischen bekam dieses etwas seltsame Phänomen die ominöse Bezeichnung «Comfort Binge» verpasst. Zusammengesetzt ist das aus den Wörtern «komfortabel» und «Binge». Joa, passt.

Die Frage nach dem «Warum?» erklärt Psychologe Barry Schwartz in einem Ted-Video folgendermassen: Haben wir zu viele Auswahlmöglichkeiten – egal bei was – macht uns das schnell unglücklich. Als Folge nehmen wir am Ende das, was unsere Erwartungen sicher erfüllt – wie immer wieder die gleiche Jeans oder eben «Gossip Girl». Dazu kommt, dass wir mit Blair, Chuck und Co. krankerweise wirklich eine Beziehung aufbauen. Donald Horton und Richard Wohl fanden das bereits 1956 heraus. Von Streaming-Diensten war man damals zwar noch so weit entfernt wie von dem Berufszweig Influencer, sympathische TV-Protagonisten gab es aber auch vor 60 Jahren schon. Und mit den bauten Fans auch früher schon parasoziale Beziehung auf. Horton und Wohl beschreiben in ihrer Theorie, dass wir die immer wieder über den Bildschirm flimmernden Charaktere in unserem Unterbewusstsein wirklich irgendwann zu unseren Freuden zählen. Dessen sind wir uns zwar nicht bewusst, es ist aber trotzdem ein ausschlaggebender Punkt dafür, warum es uns immer wieder zu dieser einen Serie zurückzieht.

Eine etwas neuere, nicht weniger suspekte Verhaltensweise – kommen wir zurück zu den Influencern – ist das Media-Multi-Tasking. Es hat sich wohl schon jeder einmal dabei ertappt, dass der TV lief, wir gleichzeitig durch Instagram scrollten und währenddessen am besten noch nach den Neuzugängen unseres Lieblings-Onlineshops auf dem Laptop stöberten. Ob Blair und Chuck sich gerade mal wieder lieben oder hassen? Keine Ahnung. Macht aber nichts. Sobald wir wieder in Ruhe hinschauen, wissen wir sowieso nach spätestens 10 Sekunden, an welcher Stelle des Handlungsstrangs wir uns befinden.

Okay, wow, so richtig kalt lassen uns die Gründe für den Comfort-Binge ja nicht. Sind wir wirklich so dermassen faul, dass wir nicht mal in Ruhe nach einer neuen, interessanten Serie suchen können, haben wir echt nicht genügend reale Freunde und sind wir letzten Endes einfach nur noch die Opfer unser elektronischen Smart-Geräte? Wirkt jedenfalls so.

Also, Sonne, bitte komm schnell wieder, wir wollen endlich wieder raus, unsere richtigen Freunde aus Fleisch und Blut treffen und nicht schon wieder mit der blöden Serena van der Woodsen aus «Gossip Girl» abhängen. Danke.

Von Denise Kühn am 25. Mai 2019 - 10:31 Uhr