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Toxische Produktivität

Wenn der «busy lifestyle» gefährlich wird

Produktiv zu sein, ist im Trend. Selten wird jedoch über die Schattenseiten von Perfektionismus und ambitionierter Arbeit geredet. Dennoch ist es wichtig, toxische Produktivität frühzeitig zu erkennen.

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Produktivität gilt als lobenswert - oft werden die Schattenseiten jedoch ignoriert.

Produktivität gilt als lobenswert – oft werden die Schattenseiten jedoch ignoriert.

fizkes/Shutterstock.com

Social Media neigt dazu, uns das Bild einer perfekten Realität vorzugaukeln. Dazu gehören nicht nur das perfekte Aussehen, die perfekte Beziehung und die perfekte Familie, sondern auch ein ehrgeiziger und erstrebenswerter Lebensstil. Immer häufiger zeigen Content Creator ihre perfekte Morgenroutine – die oft bereits um fünf Uhr morgens startet. Auch die Arbeitswoche, die länger als 40 Stunden andauert, wird propagiert. Sogenannte Productivity-Influencer*innen scheinen rund um die Uhr zu arbeiten und dadurch das ultimative Leben und jede Menge Anerkennung zu geniessen. Doch was macht dieses scheinbar makellose Bild mit dem Publikum?

Viele Menschen streben von klein auf immer nach dem Besten. Unsere Gesellschaft ist auf Leistung getrimmt und häufig sehen junge Erwachsene ihre Berufsträume zerplatzen, weil sie es nicht schaffen, ein Masterstudium abzuschliessen, dabei immer nur Bestnoten zu erzielen, parallel zwei Nebenjobs zu schaukeln und regelmässig Sport zu treiben, um auch mit dem Aussehen zu beeindrucken. Es gilt erstrebenswert, produktiv zu sein. Doch diese erzwungene Produktivität kann schnell toxische Züge annehmen.

Ein ewiger Teufelskreis

Denn wer sich einmal hohe Ziele gesteckt hat und diese eventuell sogar in der vorgegebenen Zeit erreicht hat, der strebt daraufhin häufig nach noch mehr. Ein abgeschlossenes Bachelor-Studium reicht heute oft nicht. Es muss der Master her. Danach sollte eine Festanstellung in einer Top-Firma folgen. Und von dort aus wird sich am liebsten immer noch weiter nach oben gearbeitet. Dabei vergessen viele, auf ihr Bauchgefühl und ihre innere Stimme zu hören. Denn wer seine Ziele immer schneller erreicht, schränkt oft andere wichtige Bereiche in seinem Leben ein.

Beispielsweise die eigene psychische und körperliche Gesundheit. Wer täglich mehrere Stunden am Schreibtisch sitzt und für seinen Job oder sein Studium büffelt, der wird schon das ein oder andere Mal mit Kopf – und Rückenschmerzen oder anderen Problemen konfrontiert worden sein. Doch nicht nur der Körper leidet unter der ständigen Anspannung, auch der Geist wird in Mitleidenschaft gezogen. Immer mehr Menschen leiden an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Burnouts.

Dennoch fühlen sich einige Arbeitnehmer*innen und Studenten*innen trotz gesundheitlicher Probleme dazu verpflichtet, wie gewohnt ihre Arbeit abzuleisten. Das mag an unterschiedlichen Gründen liegen: Manchmal ist der Druck der Vorgesetzten, sei es der Chef oder der Dozent, zu hoch. Oft ist es auch ein innerer Grundsatz, immer alles geben zu wollen – ohne Rücksicht auf Verluste. Bei vielen Menschen, die unter toxischer Produktivität leiden, ist es auch ein Mix aus beidem – Druck von aussen und innere Grundsätze.

Wenn Hobbys vom Spass zur Qual werden

Doch Produktivität kann nicht nur im Ausbildungs- oder Arbeitsalltag zum Verhängnis werden. Auch bei privaten Zielen kann sie toxische Züge annehmen und so die schönsten Hobbys zur Qual machen. Beispielsweise beim Thema Sport: Durch Fitness-Influencer*innen fühlen sich Menschen oft dazu verleitet, über ihre eigenen Grenzen hinauszugehen. Das ist nicht immer unbedingt schlecht – doch wer seinen Körper nicht gut genug einschätzen kann, der verausgabt sich mit dem fünften Workout der Woche eher, anstatt gesund an sich zu arbeiten.

Auch andere Hobbys können toxisch werden. Simples Bücher lesen wird auf Social Media teilweise zum Wettbewerb. Anleitungen, wie man einen Roman pro Tag liest, kursieren auf TikTok und Co. Doch nicht jeder Mensch ist dazu veranlagt, gleich schnell Informationen zu verarbeiten. Wenn der Versuch dann also scheitert, fühlt man sich im Nachhinein oft erniedrigt. Wieso können andere in kurzer Zeit so viel leisten, nur ich nicht?

Professionelle Hilfe ist gefragt

Wer sich selbst dabei ertappt, seine Gesundheit und seine Lebensfreude für akademische, berufliche oder auch hobbymässige Ziele aufs Spiel zu setzen, der sollte versuchen, einen Gang herunterzuschrauben. Das nächste Wochenende darf man auch einmal nur im Bett verbringen. Der nächste Lauf muss nicht zehn Kilometer lang sein, eine kürzere Strecke kann auch schön und zufriedenstellend sein. Und die nächste Extraaufgabe vom Chef darf auch einmal abgelehnt werden – ohne sich danach ein schlechtes Gewissen zu machen.

Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Nicht jeder, der sich bereits in einem Teufelskreis befindet, findet auch mit eigener Kraft wieder heraus. Empfehlenswert ist es dann, sich beim Hausarzt oder der Krankenkasse über eine psychologische Behandlung zu informieren. Auch der Austausch mit Familie, Freund*innen und Arbeitskolleg*innen tut gut. Wenn sich die beste Freundin traut, den Sport einmal für das nächste Date im Café ausfallen zu lassen, schwindet das eigene schlechte Gewissen eventuell auch.

Von spot am 11. August 2023 - 16:00 Uhr