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Floskeln drosseln

Darum sollten wir Kleinkinder nicht zur Entschuldigung drängen

Wie reagiert ihr, wenn euer Kind einem anderen ein Spielzeug aus der Hand reisst oder es schlägt? Es soll sich natürlich entschuldigen! Nein, sagt eine Expertin – und erklärt, warum nicht.

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Geschwisterkinder auf Sofa sind sauer aufeinander, Eltern im Hintergrund sind besorgt

Kleinkinder können sich noch nicht in andere hineinversetzen, das gilt es gerade in Streitsituationen zu bedenken.

Getty Images/iStockphoto

Stellt euch vor, ihr seid mit euren Kindern bei einer Familie zu Gast, die Kleinen sind fröhlich am Spielen, da reisst eines eurer Kinder jenem der Gastgeber plötzlich sein Duplo-Bauwerk aus der Hand, worauf dieses bitterlich weint. Wie reagiert ihr?

Viele Eltern erwarten von ihrem Kleinkind, dass es sich in so einer Situation sofort entschuldigt, das erleben wir alle regelmässig auf dem Spielplatz, im Sandkasten, an «Play Dates» mit befreundeten Familien. Und es ist ja auch tatsächlich unangenehm, wenn das eigene Kleinkind ein anderes zum Weinen bringt. Da möchte man als Eltern die kleine Welt schnell in Ordnung bringen und fordert die Tochter oder den Sohn auf, «Entschuldigung» zu sagen.

Zu wenig reif für Empathie

Doch was bringt es eigentlich, wenn die kleine «Täterin» oder der kleine «Täter» dieses Wort gegenüber dem weinenden Kind herauspresst, nachdem sie oder er mit mehr oder weniger viel Druck der Eltern dazu aufgefordert worden ist? Nichts, findet Eltern-Coach Devon Kuntzman, denn er oder sie wurde mitten in der Aufregung dazu gedrängt, empfindet dabei natürlich keine aufrichtige Reue oder Mitgefühl, sondern leiert bloss eine Floskel herunter.

Das sei sogar kontraproduktiv, denn das Kleinkind lerne dabei nicht, auf seine wahren Gefühle zu hören, und werde an seinem Verhalten nichts ändern. Kleinkinder sind nämlich von ihrer Gehirnentwicklung her noch gar nicht imstande, sich in die Lage einer anderen Person hineinzuversetzen. Gemäss der Expertin zeigen Studien, dass Kinder im Alter von etwa vier Jahren anfangen zu verstehen, was es bedeutet, sich zu entschuldigen. «Zwingen wir sie früher dazu, sich zu entschuldigen, wenn sie die Auswirkungen ihrer Handlung nicht verstehen und dass ihre Handlung eine andere Person verletzen oder verärgern könnte, versäumen wir es, ihnen echte Empathie beizubringen und aus solchen Erfahrungen lernen zu können», schreibt Kuntzman in ihrem Beitrag auf Instagram.

Aber wie sollen wir als Eltern denn besser reagieren, wenn sich unsere Kleinkinder einem anderen gegenüber – aus Erwachsenensicht – fies verhalten? Auch das verrät die Psychologin.

Durchatmen und Zeit lassen

Erst einmal ist, wie bei so vielen Herausforderungen, Geduld gefragt. Wir sollten dem Mädchen oder Jungen Zeit geben, sich zu beruhigen – meistens ist ja auch jenes Kind aufgewühlt, das die schlechte Stimmung verursacht hat. Wenn es sich beruhigt hat, können wir ihm erklären, warum das andere Kind traurig oder sauer ist, und ihm zum Beispiel gemeinsam das Spielzeug zurückgeben. «Das braucht manchmal etwas länger Zeit, aber das ist okay – bleiben sie bei ihrem Kind und halten sie durch, bis alle Beteiligten in der Lage sind, das Ganze wieder in Ordnung zu bringen», schreibt Devon Kuntzman. Und: «Denken sie daran, dass ein Kind nur dann jemand anderem helfen kann, sich besser zu fühlen, wenn es ihm selbst auch besser geht.» Das verhält sich bei uns Erwachsenen ja auch nicht anders.

Warum es übrigens auch bei älteren Kindern nicht sinnvoll ist, sie zu einer Entschuldigung zu zwingen, lest ihr hier.

Von am 12. Februar 2023 - 07:00 Uhr