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  4. Folsäure in der Schwangerschaft: Wann beignnt die Prophylaxe? Präparate oder Ernährung? Wie wirkt Folsäure?
Risiko für Fehlbildungen

Viele Frauen nehmen Folsäure zu spät für ihr Ungeborenes

Dass die Folsäure-Prophylaxe in der Schwangerschaft hilft, Fehlbildungen zu vermeiden, ist allgemein bekannt. Dennoch sind viele Schwangere falsch oder unterversorgt mit dem wichtigen Vitamin. Woran das liegt, erklärt Katarina Quack Lötscher, Ärztin und wissenschaftliche Beirätin der Stiftung Folsäure Schweiz.

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Unrecognizable pregnant woman in white clothes holding a head of broccoli and lettuce in her hands

Folat-Verbindungen sind in grünem Gemüse enthalten. Wer eine Schwangerschaft plant, greift jedoch besser auf Folsäure-Präparate zurück, um eine optimale Versorgung sicherzustellen.

Getty Images

Frau Quack Lötscher, dass eine ausreichende Folsäure-Versorgung in der Schwangerschaft Fehlbildungen beim Kind verhindern kann, ist allgemein bekannt. Wie gut klappt die Folsäure-Prophylaxe in der Schweiz?
Leider trotzdem noch nicht gut. Zwar gibt es keine Studien, die genaue Zahlen liefern, jedoch gehen wir gestützt auf Umfragen davon aus, dass nur eine von drei werdenden Müttern eine ausreichende Folsäure-Versorgung hat. Oder anders gesagt: Gut ein Drittel der werdenden Mütter nimmt Folsäure rechtzeitig ein. Eine Einnahme nach Beginn der Schwangerschaft ist immerhin bei etwa 70 Prozent der Mütter der Fall.

Woran liegt das?
Zu einem grossen Teil wohl an mangelndem Wissen über den richtigen Zeitpunkt der Folsäure-Einnahme. Also daran, dass Frauen zu spät mit der Folsäure-Aufnahme beginnen, nämlich erst nachdem sie dafür bei der ersten Schwangerschaftskontrolle sensibilisiert werden. Wenn wir das Beispiel einer Spina bifida nehmen, also eines offenen Rückens: Diese Fehlbildung entsteht bereits in der Frühschwangerschaft. Das Neuralrohr schliesst sich zwischen der 4. und 6. Woche. Mit einem positiven Schwangerschaftstest ist man also eigentlich zu spät dran.

Wann sollte man denn mit der Folsäure-Prophylaxe beginnen?
Am besten drei Monate bevor man schwanger wird. Wir empfehlen, spätestens ab weglassen der Verhütung mit der Einnahme von Folsäure zu beginnen. Wenn man eine Schwangerschaft plant, dann kann man auch bereits 2-3 Monate vor Absetzen der Verhütung mit Folsäure beginnen. So hat man den grössten Präventionseffekt. Eine Einnahme über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus ist nicht nötig.

«Grünes Gemüse, Tomaten, Hülsenfrüchte, Orangen, Weizenkeim und Sojabohnen enthalten besonders viele Folat-Verbindungen»

Katharina Quack Lötscher

Was, wenn eine Frau jahrelang Folsäure einnimmt, jedoch nicht schwanger wird. Kann dies dem Körper auf Dauer schaden?
Nein, Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin. Ein Überschuss wird vom Körper abgebaut. Nur wenn man längerfristig mehr als 1000 Mikrogramm pro Tag zu sich nimmt, können Nebenwirkungen auftauchen, etwa Stoffwechselbeschwerden oder Hautauschschläge. Mit den empfohlenen Präparaten ist eine Überdosierung nicht möglich, wenn sie korrekt eingenommen werden.

Braucht es zwingend Präparate – oder lässt sich durch die Nahrung genügend Folsäure aufnehmen?
Folsäure ist das industriell hergestellte Vitamin. Das Vitamin in den Lebensmitteln ist eine Folat-Verbindung und wird auch Vitamin B9 genannt. Der Vorteil von Folsäure liegt darin, dass es vom Darm besser aufgenommen werden kann als Folat. Deswegen sind Präparate effizienter. Auch wäre die nötige Menge an Gemüse und Vollkornprodukten für eine Folsäure-Versorgung in der Schwangerschaft extrem hoch. Wer sich jedoch gezielt mit der Ernährung auseinandersetzt, könnte theoretisch auch ohne Präparate genügend Folat zu sich nehmen.

Welche Lebensmittel enthalten besonders viel Folat?
Grünes Gemüse, Tomaten, Hülsenfrüchte, Orangen, Weizenkeim und Sojabohnen enthalten besonders viele Folat-Verbindungen.

«Man weiss mittlerweile, dass eine genügende und rechtzeitige Folsäure-Versorgung das Risiko einer Fehlbildung verringert»

Katharina Quack Lötscher

Gibt es Stoffe, die die Folsäure-Aufnahme hemmen?
Im Ernährungsbereich nicht. Aber es gibt Medikamente, die die Aufnahme hemmen. Zum Beispiel Epilepsie-Medikamente. Auch Menschen mit chronischen Darmerkrankungen können Schwierigkeiten haben, genügend Vitamine im Darm aufzunehmen.

Wie wirkt Folsäure auf die Gesundheit des Ungeborenen?
Man weiss mittlerweile, dass eine genügende und rechtzeitige Folsäure-Versorgung das Risiko einer Fehlbildung verringert. Beim offenen Rücken liegt die Risiko-Reduktion bei 75%. Auch das Risiko einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte lässt sich durch eine gute Folsäure-Vorsorge verringern.

Wie könnte man Ihrer Meinung nach diesen Zustand erreichen?
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Man müsste junge Frauen erreichen, bevor sie mit der Familienplanung beginnen. Ich habe mir schon überlegt, an Berufsschulen zu gehen, um über die Folsäure-Versorgung aufzuklären. Und eben darüber, dass man früh genug damit beginnen muss, damit sie überhaupt wirkt. In den USA ist Folsäure dem Mehl zugefügt, wie bei uns das Jod im Speisesalz. Das brachte eine Reduktion bei den Fehlbildungen. In der Schweiz ist ein solches Vorhaben in den frühen 2000er-Jahren gescheitert. Es wäre dennoch für die Zukunft und gestützt auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse eine sinnvolle Möglichkeit, Frauen im gebärfähigen Alter mit genügend Folsäure zu versorgen.

Von KMY am 11. Oktober 2022 - 07:09 Uhr