Seit einer Woche sind in der Schweiz die Kindergärten und Schulen geschlossen. Das Coronavirus hat enorme Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder haben mit der Anpassung an die neue Situation zu kämpfen. Spielplätze sind verwaist, Innenhöfe menschenleer, Freunde für Spielnachmittage kaum oder gar nicht mehr verfügbar.
Wie wir unserem Nachwuchs erklären können, was das Coronavirus überhaupt ist, haben wir hier bereits beschrieben. Das richtige Händewaschen haben wir auch schon erklärt. Doch wie gestaltet sich der neue Alltag? Wir haben bei Familien mit Kindern nachgefragt:
«Wir haben uns mit zwei weiteren Familien zusammengetan, mit denen wir uns etwas austauschen. Es ist fast wie in einer Kommune. Solange alle gesund sind, dürfen sich die Kinder treffen, allerdings maximal zu fünft. So haben sie Abwechslung, andere Spielsachen, eine andere Umgebung. Den Eltern gibt das etwas Luft und Zeit zum Arbeiten. Ansonsten waren wir die vergangenen Tage oft im Wald. Den Kindern könnte es eigentlich nicht besser gehen. Mit den zwei Grossen reden wir ganz normal über die Lage, der Jüngste geniesst die viele Zeit mit uns Eltern. Er ist in den letzten Tagen sogar windelfrei geworden!» Fiona, 31
«Bisher waren wir täglich ein bisschen draussen mit den Kindern, sonst fällt ihnen ja die Decke auf den Kopf. Die Ältere darf sich auch mit ihrer besten Freundin treffen, Abstand halten inklusive. Insgesamt kommen die Kids wohl psychisch besser klar, als wir Grossen, Stichwort Zukunftsängste. Sie vermissen aber klar die Abwechslung. Beim Jüngeren habe ich den Eindruck, dass er zudem gereizter ist und öfter mit der Schwester streitet. Wir versuchen, ein festes Tagesprogramm zu machen, haben zum Beispiel die Mahlzeiten mehr ritualisiert – und alle helfen jetzt mehr mit.» Cornel, 40
«Bisher waren wir täglich ein bisschen draussen, weil sonst alle durchdrehen. Alleinerziehend sein, Homeoffice, Fernunterricht und Kleinkinderbetreuung in der Quarantäne zu vereinen ist eine Herausforderung. Wir müssen noch herausfinden, wie wir Strukturen aufbauen, die funktionieren. Wenn ich die Kinder frage, wie es ihnen geht, wissen sie gar nicht so recht, was antworten. Sie sind verwirrt, geniessen es aber auch, Zeit für ihre Projekte zu haben und viel zu Hause zu sein. Für mich ist die aufgeladene Energie manchmal schwer auszuhalten. Sie finden es sehr irritierend, dass sie Abstand zu den Nachbarskindern halten sollen. Wenn wir gar nicht mehr raus dürfen, weiss ich nicht, wie wir das lösen sollen. Nur das Bett zum Hüpfen und Toben reicht einfach nicht.» Barbara, 38
«Unser Sohn, sonst eigentlich eher Typ Couchpotato, bettelt unter Tränen darum, endlich wieder rausgehen zu dürfen. Da wir Erwachsenen beide Homeoffice machen müss(t)en, ist es für ihn und seine Schwester zudem wahnsinnig schwierig, zu verstehen, dass wir zwar da sind, aber nicht ständig spielen können. Wir sind noch weit entfernt von einem geregelten Tagesablauf, aber wir arbeiten dran und versuchen, gute Vibes zu verströmen und positiv zu bleiben.» Emily, 33
«Die Herausforderung, parallel Journalistin, alleinerziehende Mutter, Troubleshooter und neuerdings noch Lehrerin und IT-Spezialistin zu sein, ist enorm. Während ich arbeite, geben sich meine beiden Jungs aufs Dach, machen Seich oder facetimen mit ihren Freunden. Morgens ist Schulprogramm angesagt, abends töpfern wir, malen Corona-Viren mit Wasserfarbe oder spielen Karten. Zwischendurch drehe ich ziemlich am Rad und herrsche meine Kinder an, aber dann wiederum ist es auch schön, so intensiv es auch ist. Ihnen geht’s gut, sie haben gute Laune – die Situation kommt ihnen als Stubenhocker (noch) entgegen. Zwischendurch schicke ich sie zum Fussballspielen raus, aber nicht in den Innenhof, aus Rücksicht vor den Kindern, die nicht raus dürfen. Eingefahren ist mir, als mein 6-Jähriger letzthin sagte, dass er Angst habe. Grund: ‹Weil du vielleicht stirbst, Mama.›» Anna, 39
«Meine Kinder gehen recht gut mit der Situation um und haben die Hygienemassnahmen verinnerlicht. Da sie noch klein sind, bezweifle ich aber, dass sie wirklich verstehen, was Sache ist. Sie wissen, dass Menschen am Virus sterben. Während sich der Jüngere aber nicht wirklich damit beschäftigt, macht sich meine Siebenjährige viele Gedanken. Darüber sprechen will sie aber aktuell nicht. Den Tag gestalten wir so, dass wir früh aufstehen und uns dann mit Basteln, Malen, Backen und Rausgehen beschäftigen. Sie dürfen auch noch Freunde treffen, einfach ohne Anfassen oder aus der gleichen Flasche zu trinken.» Selma, 31
Wir haben bei Philipp Ramming, Fachpsychologe und Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie, nachgefragt, welche Tipps er für einen angenehmeren Alltag mit Kindern in Zeiten von Corona hat:
- Sehen Sie die kleineren und grösseren Konflikte mit Ihren Kindern nicht als Scheitern der Erziehung. Es ist eine ausserordentliche Situation, da darf man auch ausserordentlich funktionieren. «Pädagogisch korrekt und wertvoll» sind jetzt wenig hilfreiche Konzepte und generieren nur Stress. Versuchen Sie, eine Tagesstruktur, bzw. einen Tagesablauf aufzubauen, denn Rhythmus ist hilfreich.
- Bleiben Sie als Eltern ruhig. Vermitteln Sie Ihren Kindern immer wieder, dass diese Situation vorbeigeht und sie irgendwann wieder draussen spielen und Freunde treffen können. Lassen Sie sie bis dahin mit den Freunden kommunizieren
- Nehmen Sie die Sorgen und Gefühle Ihrer Kinder ernst. Trösten Sie sie und tragen Sie sie durch diese Zeit.
- Kinder sind in der Lage, die aktuelle Situation zu verstehen. Aber wie Kinder halt sind, haben sie manchmal Schwierigkeiten, ihre Wünsche an das gerade Mögliche anzupassen. Diese Anpassungsleistung ist nicht immer einfach. Dann quengeln und «stürmen» sie. Ablenken hilft, sei es auch mit Fernsehen.
- Lassen Sie sich gegenseitig etwas Raum.