Das älteste Kind einer Geschwisterbande ist das einzige, welches die Eltern einmal ganz für sich alleine hatte. In den meisten Fällen musste es Mama und Papa während der ersten zwei, drei Lebensjahre mit niemandem teilen und genoss die volle Aufmerksamkeit und Zuwendung des gesamten Verwandtenkreises. Was macht das mit einem Menschen?
So wichtig sind die ersten drei Lebensjahre für die Entwicklung
Bindungsforscher gehen davon aus, dass die ersten drei Lebensjahre prägend sind für unser gesamtes Restleben. Kinder, die während dieser Zeitspanne Liebe, Geborgenheit und Sicherheit empfinden, haben es im Allgemeinen einfacher im Leben, denn sie können auf ein ausgeprägteres Selbstvertrauen und Resilienz zurückgreifen.
Auch auf die Biologie haben die Erlebnisse und Eindrücke der ersten Kindheitsjahre einen Einfluss. «Wie sehr die Erziehung die Hirnstrukturen beeinflusst, sieht man in den Negativbeispielen besonders gut», so Elternberaterin Christelle Schläpfer in einem Artikel auf edufamily.ch. «Kinder, welche schwere Vernachlässigung, Traumata oder Gewalt erleben oder deren Beziehungsqualität zu den Hauptbezugspersonen nicht optimal ist, haben ein bis zu 20% kleineres Hirnvolumen als andere Kinder. Der Bereich des Hypocampus nimmt ab, was ein deutlich kleinere Gedächtnisleistung zur Folge hat. Des Weiteren nimmt auch die Selbstregulierung ab und die Kinder entwickeln nicht selten Suchtverhalten, Depressionen, Angst-, Ess-, oder Persönlichkeitsstörungen und zeigen eine erhöhte Suizidaliät.»
Prinz George und Prinz Louis als perfektes Beispiel
Selbstverständlich bedeutet es nicht automatisch, dass ein Kind Vernachlässigung erfährt, wenn es als jüngeres Geschwisterkind aufwächst und seine Eltern während keiner Lebensphase für sich alleine hat. Aber: Dass die ersten Jahre als «Einzelkind» beim ältesten Geschwisterkind Spuren hinterlassen, davon darf man ausgehen. Denn älteste Kinder gelten als intelligenter, erfolgreicher aber auch zurückhaltender und risikobewusst als ihre jüngeren Geschwister. Obwohl sie mit den biologisch gleichen Voraussetzungen ins Leben starten.
Prominentes Beispiel gefällig? In der britischen Royal Family zeigte sich Prinz George (9) immer schon mit tadellosen Manieren, Freundlichkeit und Protokollbewusstsein. Er scheint verantwortungsbewusst zu sein und bereits jetzt ein Verständnis für seine aussergewöhnliche Stellung und Aufgabe im Leben zu haben.
Georges kleiner Bruder Prinz Louis (4) hingegen, mischt die royalen Kreise als Frechdachs auf. Ist dieses Beispiel nun die Regel oder die Ausnahme? Haben ältere Geschwister wirklich all die Stärken und Schwächen, die ihnen nachgesagt werden?
Bereits vor mehr als 100 Jahren entwickelte der Psychologe Alfred Adler diese Theorie. Denn als Sandwichkind, das sich weniger wahrgenommen fühlte, kam er auf die Idee, dass sich die Position innerhalb der Geschwisterreihenfolge möglicherweise auf die Psyche eines Menschen auswirken könnte. Seine These hat mittlerweile Hand und Fuss. Wir stellen euch die spannendsten Studien rund um Erstgeborene vor.
Erstgeborene sind intelligenter als ihre Geschwister. Stimmts?
Ja, da ist was dran. In einer gross angelegten Studie haben Psychologen deutscher Universitäten die Unterschiede zwischen den Geschwisterkindern untersucht. Glaubt man den dabei durchgeführten IQ-Tests, sind Erstgeborene intelligenter als ihre Geschwister. Die IQ-Testergebnisse nahmen vom ersten bis zum letzten Geschwisterkind statistisch leicht tab.
Verschiedene weitere Studien stützen diese Ergebnisse: Eine Studie aus Norwegen an immerhin einer Viertelmillion Wehrpflichtigen ergab für Erstgeborene einen durchschnittlichen IQ von 103,2. Bei Zweitgeborenen lag er bei 101,2 und Drittgeborene schafften es nur noch auf 100. Diese Unterschiede sind marginal – aber vorhanden.
Warum Erstgeborene eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen hohen IQ haben, ist nicht abschliessend erforscht. Während man früher biologische Ursachen vermutete, gehen Experten heute davon aus, dass die Intelligenz der Erstgeborenen durch Erlebnisse und Erfahrungen erworben wird. «Erstgeborene übernehmen eine Tutorfunktion», erklärt Julia M. Rohrer von der Universität Leipzig. «Sie erklären ihren Geschwistern die Welt. Das trainiert kognitive Fähigkeiten.»
Die Studienergebnisse sind jedoch umstritten, wie es im Wissenschaftsblog von NeuroNation heisst: «Entgegen der gängigen Meinung übt die Reihenfolge der Geburt keinen Einfluss auf die Intelligenz oder Persönlichkeitseigenschaften von Kindern aus. Frühere Studien, die einen Einfluss der Reihenfolge der Geburt nachweisen konnten, weisen erhebliche methodische Mängel auf und sind somit in ihrer Aussagekraft beschränkt.
Erstgeborene sind erfolgreicher als ihre Geschwister. Stimmts?
Eine Studie der Universität Austin in Texas kam zum Ergebnis, dass Erstgeborene häufig mehr verdienen und beruflich verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen als ihre Geschwisterkinder. Erstgeborene werden ausserdem häufiger als Topmanager eingestellt, während später geborene Kinder sich meist selbständig machen.
Laut Wirtschaftsprofessorin Sandra E. Black liegt der Grund darin, dass Eltern weniger Zeit und Energie in Nachfolgekinder stecken. «Wir haben Beweise, die nahelegen, dass die Eltern bei der Erziehung Erstgeborener anders vorgehen als mit den weiteren Kindern. Wir stellten fest, dass sie ihnen etwa mehr bei den Hausaufgaben helfen.»
Ob es allerdings die Eltern sind, die von sich aus diesen Unterschied mit einer ungleichen Behandlung schüren, oder ob der Unterschied bereits vorhanden ist und die Eltern nur darauf reagieren, darüber kann Black nichts sagen.
Erstgeborene sind ängstlicher als ihre Geschwister. Stimmts?
Die beiden amerikanischen Psychologen Frank Sulloway und Richard Zweigenhaft fanden 2010 heraus, dass jüngere Geschwisterkinder eine höhere Risikobereitschaft zeigen als erstgeborene Kinder. Die «Kleinen» haben mehr Spass an Abenteuern und betreiben beispielsweise auch häufiger Extremsportarten.
Daraus lässt sich im Umkehrschluss feststellen, dass Erstgeborene zu vernünftigerem Verhalten tendieren. Sie übernehmen schneller Verantwortung und haben einen Hang zum Perfektionismus. Psychologen finden auch dafür eine Erklärung: Erstgeborene spüren als Baby die anfängliche Unsicherheit ihrer Eltern. Die Kinder verändern ihr Verhalten und passen sich an, bis sie merken, dass die Eltern ruhiger werden.
Offenbar sind Erstgeborene auch in der Liebe eher auf sichere Verhältnisse aus. Denn sie heiraten häufiger als jüngere Geschwisterkinder.
Erstaunliches zum Schluss: Erstgeborene sind dicker als Folgekinder.
Bei den Mädchen zeigt sich dieses Phänomen besonders deutlich: Erstgeborene Mädchen haben ein 29 Prozent höheres Risiko, dick zu werden, als ihre später geborenen Schwestern. Eine schwedische Studie, die mehr als 13'000 Schwesternpaare unter suchte, kam zu diesem Ergebnis. Ähnlich siehts bei den Männern aus: Erstgeborene haben als Erwachsene öfter mit ihrem Bauch zu kämpfen als die jüngeren Brüder.
Als Erklärung dafür dient die Theorie, dass Erstschwangerschaften häufig anfälliger für Komplikationen sind als Folgeschwangerschaften. Darum leiden Erstgeborene bereits im Mutterbauch häufiger unter Mangelernährung. In der Folge legt ihr Organismus mehr Fettzellen an, welche das Kind ein Leben lang mit sich herumträgt.
Wollt ihr mehr darüber erfahren, was die Geburtsfolge über Geschwisterkinder verrät? Unter diesem Link gehts zu einer Zusammenfassung interessanter Geschwister-Studien.