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Schadstoffbelastung in Europa zu hoch

Wie schützt man Kinderlungen vor Luftverschmutzung?

Jährlich sterben schätzungsweise 1200 Kinder und Jugendliche in Europa an den Folgen der hohen Luftverschmutzung. Ein Experte sagt, worauf Eltern achten können, um ihre Kinder zu schützen.

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Kind in Bankok

Nicht nur in Megametropolen wie Bangkok ist die Luftqualität prekär – auch in relativ kleinen europäischen Städten wie Bern oder Zürich werden Schadstoffgrenzwerte oft überschritten. 

Getty Images/Westend61

Die Europäische Umweltagentur EUA legte kürzlich ihre Analyse zur Luftqualität in Europa vor. Diese ermittelt den Stand der Schadstoffbelastung unserer Atemluft sowie dessen Auswirkung auf Gesundheit und Ökosysteme. Demnach ist die Luftverschmutzung in Europa in den vergangenen Jahren rückläufig.

Das ist gut. Aber noch nicht gut genug. Denn noch immer ist die schlechte Luftqualität – vorwiegend in Städten – Umweltbedrohung Nummer 1 für unsere Gesundheit. Besonders Kinder und Jugendliche leiden darunter. 

Die Behörde schätzt, dass in Europa jährlich 1200 Kinder und Jugendliche an den Folgen von zu hoher Luftverschmutzung sterben. Die hohe Luftverschmutzung treffe Kinder und Jugendliche in besonderem Masse, heisst es im Bericht. 

Als besorgniserregend bezeichnen die Experten besonders die Luftqualität in den Städten Italiens und Mittelosteuropas. Jedoch liegen auch in der Schweiz die Schadstoffwerte regelmässig deutlich über der gesundheitsschädigenden Grenze, wie Prof. Alexander Möller, Leiter der pädiatrischen Pneumologie des Kinderspitals Zürich, im Interview mit der Schweizer Illustrierten erklärt.

Prof. Alexander Möller, wie gefährdet sind Kinder in der Schweiz durch schlechte Luftqualität?
Die Zahlen, welche die EUA veröffentlicht hat, sind besorgniserregend, das ist klar. Allerdings muss man sagen, dass es in Europa sehr grosse Unterschiede gibt. Ein Kind, das in London aufwächst, erfährt eine komplett andere Schadstoffexposition als ein Kind in Zürich. Von daher kann man diese Zahlen nicht proportional auf die Schweiz ummünzen. 

Betreffen uns diese Zahlen also gar nicht?
Doch. Auch hier ist in der Schadstoffverordnung das Limit der Feinstaub- und Ozonkonzentration so angesetzt, dass es die gesundheitsschädigende Grenze übersteigt. Obwohl wir im Vergleich zu anderen Ländern einer weniger grossen Belastung ausgesetzt sind, liegen die Werte also immer noch deutlich über der Grenze des Gesunden. 

Warum schadet die Luftverschmutzung Kindern mehr als Erwachsenen?
Das hat in erster Linie damit zu tun, dass sich die Kinderlunge noch in der Entwicklung befindet. Vor allem bei kleinen Kindern zwischen 0 und 4 Jahren ist sie noch nicht fertig ausgebildet und deswegen empfindlicher. Kinder leiden zudem häufiger an Asthma-Erkrankungen und sind deswegen durch Schadstoffe in der Luft stärker bedroht. 

Spielen auch die schnellere Atemfrequenz sowie die geringe Körpergrösse von Kindern eine Rolle? Schadstoffe sammeln sich ja vor allem in Bodennähe.
Ich denke, das grössere Problem ist die Lunge, die sich noch in Entwicklung befindet. Kinder sind aber sicherlich aktiver als Erwachsene, rennen mehr rum und atmen dadurch auch eher durch den Mund. 

Sollte man sie an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung dazu anhalten, durch die Nase zu atmen?
Nein. Die Nase hat zwar eine gewisse Filterfunktion, aber für Luftschadstoffe ist sie nicht wirksam genug.

Besser gar nicht mehr raus?
Doch, unbedingt! Es wäre ein Fehler, Kinder aus Angst vor Schadstoffbelastung nicht mehr aus dem Haus zu lassen. Bewegung ist enorm wichtig für die Gesundheit. Wenn man die potentielle Schadstoffbelastung aus der Luft gegen einen möglichen Bewegungsmangel in die Waagschale wirft, kann man davon ausgehen, dass es für die Gesundheit eines Kindes gravierender wäre, nicht mehr aktiv sein zu dürfen. 

Was können Eltern noch tun, um ihre Kinder zu schützen?
Eltern können darauf achten, dass Kinder nicht zusätzlich exponiert sind. In erster Linie gilt es, Tabakrauch zu vermeiden. Dies schon, bevor das Kind auf der Welt ist, von Beginn der Schwangerschaft an. Bereits im Mutterleib können Kinder durch hohe Schadstoffbelastung ein weniger ausgeprägtes Lungenwachstum aufweisen. Wir konnten diesen Zusammenhang in einer eigenen Studie aufzeigen. Es ist sicher sinnvoll, die Schadstoffbelastung im Auge zu behalten, zum Beispiel mittels einer App, und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, wenn die Wetterlage eine schlechte Luftqualität besonders begünstigt.

Welche Massnahmen meinen Sie konkret?
Zum Beispiel kann man sportliche Aktivitäten mit Kindern an Tagen mit hoher Ozonbelastung in eine Halle verlegen. Auch ist es sicherlich sinnvoll, an solchen Tagen eher im Wald spazieren zu gehen als in der Stadt. 

Wo sind Kinder bezüglich Schadstoffen in der Atemluft noch zusätzlich exponiert?
Wenn Familien zuhause mit Gas kochen, tritt eine gewisse Zusatzbelastung auf. Dann sollte man, während der Herd an ist, die Lüftung aktivieren oder das Fenster öffnen. Auch ein Cheminée erhöht die Belastung in den eigenen vier Wänden. 

Sollte man an schadstoffbelasteten Tagen aufs Lüften verzichten?
Auch hier muss man abwägen. In einer feuchten Wohnung belastet ein möglicher Schimmelpilz die Kinderlunge sicher stärker als die Luft von draussen. Ich gehe davon aus, dass Eltern ihre Kinder am besten schützen können, wenn sie bereits ab der Schwangerschaft einer zusätzlichen Schadstoffbelastung ausweichen. 

Von KMY am 14. Juli 2023 - 07:00 Uhr