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Expert:innen klären auf

Darf man mit fremden Kindern schimpfen?

Wer denkt, dass Eltern gerne schimpfen, irrt sich. Schimpfen ist ermüdend, energieraubend und führt selten zu Harmonie. Dass man bei den eigenen Kindern den Ton mal anhebt, ist gesellschaftlich jedoch akzeptiert. Wie aber sieht es aus, wenn uns fremde Kinder den letzten Nerv rauben? Wir haben bei den Expert:innen von Pro Juventute nachgefragt.

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Freches Kind zeigt den Mittelfinger

Darf man laut werden, wenn einem ein fremdes Kind zum Beispiel den Mittelfinger zeigt?

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Eins vornweg: Wir sind uns auf der Family-Redaktion einig, dass Schimpfen nicht gut ist. Wir sind uns aber auch darin einig, dass wir, alle Mütter, hie und da mit unseren Kindern schimpfen. Dabei vergessen wir unsere Rolle nie und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Wir schimpfen nie von oben herab, werden nie so laut, dass Kinder erschrecken und schon gar nicht wollen wir unseren Kindern beibringen, dass man Konflikte und Probleme mit Schimpfen löst.

Was tun, wenn Freunde unserer Kinder unsere Wohnung verwüsten?

Dennoch, seien wir ehrlich, schimpfen wir. Nachdem wir die lieben Kleinen drei Mal nett gebeten haben, ihren Teller in den Geschirrspüler zu stellen, ihr Zimmer aufzuräumen oder ihre Zähne zu putzen, haben wir auch mal genug. Soweit alles normal und nicht schlimm. Schliesslich zelebrieren wir die Versöhnung und das Kuscheln danach umso mehr.

Wie aber sieht es aus, wenn uns fremde Kinder den letzten Nerv rauben? Wenn sie auf dem Spielplatz auf unsere Kinder losgehen? Wenn sie Spielsachen aus den Händen reissen? Und dürfen wir gegenüber Freund:innen unserer Kinder laut werden, wenn die unsere Wohnung auseinander nehmen? Und wie sieht es aus, wenn wir auf pöbelnde Teenager treffen? Wir haben bei den Expert:innen von Pro Juventute nachgefragt, 

Kind ist wütend

Wenn sich fremde Kinder nicht an unsere Hausregeln halten, kann das ganz schön an die Substanz gehen.

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Dürfen wir auf dem Spielplatz mit fremden Kindern schimpfen, wenn diese unser Kind stark verbal und/oder körperlich angreifen?

Erwachsene dürfen fremde Kinder darauf aufmerksam machen, wenn ihr Verhalten auf dem Spielplatz eine Grenze überschreitet. Bei weniger schlimmen Konflikten kann man zunächst beobachten, ob Kinder die Situation selbst lösen können. Besteht unmittelbar Gefahr für ein Kind, soll und darf natürlich eingeschritten werden. Ziel ist es nicht, das andere Kind zu kritisieren, sondern die Situation zu entschärfen und unmittelbar zu schauen, was den Streit ausgelöst hat und wie man aus dieser Situation wieder herauskommt. Je nach Kontext macht es Sinn, das Gespräch mit den anderen Eltern zu suchen.

Dürfen wir mit Teenagern schimpfen, die zum Beispiel im ÖV auf den Boden spucken oder so laut sind, dass sie die Mitpassagiere stören?

Auch in dieser Situation dürfen Erwachsene Teenager darauf hinweisen, wenn ihr Verhalten nicht in Ordnung ist und Grenzen überschritten werden. Das gilt übrigens genauso, wenn das Verhalten von anderen Erwachsenen aus kommt. Entscheidend ist wiederum die Art und Weise, sprich sachlich, ruhig und auf das Verhalten bezogen.

Dürfen wir mit Freunden unserer Kinder schimpfen, wenn sich diese bei uns daheim nicht an unsere Regeln halten?

Genauso wie eigene Kinder darf und soll man auch Kinder auf Besuch darauf hinweisen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Würde man nicht reagieren, wäre es für die eigenen Kinder nicht nachvollziehbar, weshalb sie sich an die Regeln halten müssen und ihre Freund:innen nicht. Auch hier gilt es, ein richtiges Mass an Bestimmtheit und Empathie zu finden.

Wie handhaben wir es, wenn wir die Freunde unserer Kinder nicht mögen?

In solchen Situationen ist es wichtig, trotzdem respektvoll zu bleiben und die negativen Gefühle nicht offen zu zeigen. Gespräche mit den eigenen Kindern können helfen, um zu verstehen, warum ihnen diese Freundschaften wichtig sind. Eltern sollten sich auch die Zeit und die Möglichkeit geben, die Freund:innen besser kennenzulernen. Halten die ernsthaften Bedenken bezüglich des Verhaltens der Freund:innen oder gar der Sicherheit des eigenen Kindes an, sollten diese in einem ruhigen und passenden Moment thematisiert werden, ohne die andere Person direkt abzuwerten.

Schüler mobben Schüler

Wenn eigene Kinder gemobbt werden, ist es schwierig, kann es schwierig sein, ruhig zu bleiben.

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Dürfen wir uns einmischen, wenn junge Primarschüler unser Kind mobben?

Mobbing ist eine Form von Gewalt und kann schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit haben. Deshalb ist es wichtig, zu handeln. Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Kind gemobbt wird, sollten sie dies behutsam ansprechen. Am besten ist, dem Kind zu spiegeln, wie man es wahrnimmt. Viele gemobbte Kinder sprechen nicht über Mobbing, etwa aus Angst oder Scham. Eltern sollten ihre Kinder schützen, ohne über deren Köpfe hinweg zu entscheiden, denn das kann das Vertrauen beeinträchtigen. Gemobbte Kinder und Jugendliche sollten in Entscheidungen einbezogen werden, damit sie sich handlungsfähig fühlen. Eltern können ihrem Kind vermitteln, dass sie da sind und helfen wollen. Keinesfalls sollten Eltern im Alleingang handeln und die mobbende Person oder deren Eltern direkt konfrontieren. Am besten ist es, sich an eine erwachsene Person zu wenden, welche die Kinder begleitet, wie z.Bsp. ein Trainer, eine Trainerin, oder an eine Lehrperson. Gemeinsam können Lösungen gesucht und alle involvierten Kinder abgeholt werden.

Und dann noch umgekehrt: Wie reagieren wir, wenn jemand Fremdes mit unserem Kind schimpft?

Es kann Eltern irritieren, wenn das eigene Kind von jemand Fremdem zurechtgewiesen wird. Es ist jedoch nicht grundsätzlich falsch, wenn andere Personen unseren Kindern auch etwas sagen, was ihnen nicht passt, auch wenn sie ihnen nicht sehr nahestehen – Stichwort: Grenzen kommunizieren.

Auch hier liegt der Schlüssel im «Wie»: Schimpft die andere Person auf eine unangemessene, grenzüberschreitende Art und Weise, kann und soll sie auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies nicht in Ordnung ist. Gerade kleine Kinder sind häufig überfordert, wenn fremde Personen mit ihnen schimpfen. Es hilft, dem Kind zu Hause in einem ruhigen Moment zu erklären, was passiert ist und was sie künftig anders machen sollen. Eltern können den Drittpersonen auch anbieten, dass sie direkt das Gespräch mit ihnen suchen.

 

 

Maja Zivadinovic
Maja ZivadinovicMehr erfahren
Von Maja Zivadinovic am 23. Mai 2024 - 07:00 Uhr