Nena, Sie spielen am 14. Juli auf der Piazza Grande in Locarno auf. Waren Sie schon da?
Am Lago Maggiore war ich als Kind, da gibts sogar noch Fotos von. Und bis heute gibt mir die Schweiz immer ein Zuhause-Gefühl, ich habe beinahe eine familiäre Verbindung mit dem Land. Mit meiner Familie fuhren wir auch ganz oft in die Schweiz zum Skilaufen, vor allem nach Saas-Fee und Zermatt. Und auf das Festival in Locarno freue ich mich nun sehr.
Wie bereiten Sie sich auf die Auftritte vor?
Ich halte mich körperlich fit mit Joggen zum Beispiel, Yoga, viel Obst und Gemüse. Musikalisch sind wir als Band natürlich auch superfit und geprobt, und wir machen uns auch immer eine gute Zeit, wenn wir zusammen unterwegs sind. Kurz vor jeder Show bilden wir einen Kreis und stossen gemeinsam in der Verbundenheit eine Art Urschrei aus. Das ist ein wichtiges Ritual für uns.
Wo am Körper tuts Ihnen weh?
Auf der Bühne tut mir gar nichts weh! Klar, nach zwei Stunden bin ich dann körperlich gut durchgerockt, und ohne eine gewisse Fitness und ein gutes Körpergefühl ist das nicht machbar. Aber mich muss niemand fragen, wie man das macht in meinem Alter. Guckt euch Mick Jagger oder Keith Richards an, die leben es ja vor.
Was haben Ihre Eltern Ihnen als Kind immer gesagt?
Sie haben auf jeden Fall meinen eigenen Willen respektiert. Sie haben nicht versucht, mich kleinzuhalten oder in ihre Richtung zu ziehen. Meine Eltern haben mich meistens machen lassen. Und meistens hiess für die damalige Zeit – ich bin 1960 geboren – schon sehr viel! Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!
Gaben Sie Ihren Kindern dasselbe mit auf den Weg?
Für mich gilt es, die Entscheidung eines Menschen zu respektieren. Und nur weil ein Kind in einem kleineren Körper steckt, darf man ihm diese nicht absprechen. Es geht darum, Kinder zu respektieren und ihnen den Raum zu geben, sich frei entfalten zu können.
Die bisher beste und die dümmste Idee Ihres Lebens?
Es gibt bestimmt eine Million dumme und eine Million tolle Sachen. Es hält sich so die Waage bei mir. Lernen tut man aus allen Erfahrungen.
Welchen Wunsch haben Sie endgültig begraben?
Den Wunsch, Profiturnerin zu sein. Das ist nun endgültig vorbei … (lacht). Grundsätzlich lebe ich in dem Gefühl, dass es nie zu spät für etwas ist, das man machen will. Und es sich immer lohnt dranzubleiben. Wenn ich mit 90 plötzlich Lust hätte, Harfe zu spielen, würde ich es sofort tun.
Welche Musik hat Ihr Leben massiv beeinflusst?
Mein Einstieg war «Paranoid» von Black Sabbath. Das war meine erste selbst gekaufte Single. Und ab da gings los. Dann kamen Neil Young, Pink Floyd und irgendwann auch die Rolling Stones mit «Angie» in mein Leben. Mein Vater hatte mir in den 70ern eine Musiktruhe geschenkt, so nannte man das damals. Ein ziemlich grosses Möbelstück mit eingebautem Plattenspieler, Radio und Lautsprecher. Ich hab das Ding etwas verändert und die Holzbeine abgesägt, sodass ich mich direkt vor den Lautsprecher auf den Boden legen konnte, um dann oft stundenlang meine Lieblingsplatten zu hören. Von dort aus liess ich mich von der Musik in die grosse weite Welt tragen.
Als Sie 16 Jahre alt waren, wie sah da Ihr Zimmer aus.
Ein Bett, eine Gitarre und die Wände voll mit Rolling-Stones-Postern.
Ihr Spitzname als Kind?
Ich war mit meinen Eltern im Urlaub in Spanien, und die spanischen Kindern riefen mir beim gemeinsamen Spielen immer «Ninja, Ninja» hinterher. Ich war damals drei Jahre alt. Und niña bedeutet auf Deutsch «Kleine». Das hab ich dann nachgeplappert und laut Erzählungen meiner Eltern daraus dann selber «Nena» geformt. Seitdem heisse ich so. Mein offizieller Name ist Gabriele Susanne, so stehts in meiner Geburtsurkunde.
Welche Pille gehört erfunden?
Welche Pille? Die Alles-ist-gut-Pille vielleicht … Die würde uns aber nicht helfen. Denn damit alles gut wird, müssen wir selber ran! Den Shit, den wir Menschen angerichtet haben, müssen wir in Ordnung bringen. Das kann uns keine Pille der Welt abnehmen, und jeder Einzelne kann ganz viel tun. Denn wenn wir einfach stumpf so weitermachen, wie wir es tun, dann gibt es uns nicht mehr lange.
Was wird man in hundert Jahren über die aktuelle Epoche sagen?
Mich interessiert viel mehr die «Hier und jetzt»-Frage. Will ich meinen Kindern und Enkelkindern eine Welt hinterlassen, in der sie nicht lebensfähig sind? Nein, das will ich ganz und gar nicht! Wollen Sie das?