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Anna Känzig über ihr Leben als Mutter

«Die krasseste Bergwanderung, die man machen kann»

Normalerweise steht Anna Känzig auf Schweizer Bühnen und spielt ihre Musik. Seit vier Monaten singt sie vor allem in den eigenen vier Wänden, im Publikum ihr vier Monate alter Sohn Lyle. Mit uns hat sie über die Veränderungen in ihrem Leben gesprochen und verraten, welcher Mom-Hack ihr nachts besseren Schlaf ermöglicht.

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anna känzig

Musikerin Anna Känzig ist seit vier Monaten Mutter eines Sohnes.

Lukas Maeder

Liebe Anna, wie geht es dir vier Monate nach der Geburt deine Sohnes Lyle?
Danke, es geht mir gut! Ich habe das Gefühl, erstmals aus dem Gröbsten raus zu sein. Also abgesehen von der Müdigkeit.

Oje, sind die Nächte so hart?
Ich habe mir nie vorstellen können, wie schlimm so ein Schlafmanko sein kann. Ich dachte, ich bin gut vorbereitet durch meinen Job als Musikerin und die vielen Konzerte spätabends. Falsch gedacht! Mit zu wenig Schlaf ist man irgendwann nicht mehr sich selbst. Ich bin tagsüber manchmal nur so halb anwesend. Ich rede zwar mit den Leuten, aber es fühlt sich an wie durch einen Wattebausch. Momentan stehe ich alle 2,5 Stunden in der Nacht auf und gebe Lyle den Schoppen. Das Gute ist, dass mein Partner und ich uns mit den Nächten abwechseln können. Eine Nacht übernehme ich, die nächste er. Am Anfang wollten wir noch alles zusammen machen, quasi als Familienzeit, das haben wir dann aber schnell sein lassen (lacht). Jeder freut sich auf seine Nacht mit gutem Schlaf.

Du gibts Lyle die Flasche. Stillst du ihn auch noch?
Nein. Ich habe drei Monate lang gestillt und es war immer sehr knorzig. Die Milch ist nie richtig geflossen bei mir. Irgendwann wollte ich das mir und dem Kind nicht mehr antun. Seither bekommt er das Fläschchen.

War das Abstillen emotional für dich? 
Am Anfang schon. Am meisten hat mir dieses Idealbild der stillenden Mutter, das ich nicht erfüllen kann, zu schaffen gemacht. Ich hatte eigentlich vor, ihn sechs Monate lang zu stillen. Auszusprechen, dass ich damit aufhören will, brauchte schon Überwindung. Im Nachhinein war es die beste Entscheidung, vor allem, wenn ich zum Beispiel an die Brustentzündung denke. Mein Stress übertrug sich auf das Kind und sein Stress auf mich. Das bringt niemandem was. Wir sollten wirklich mehr darüber sprechen und das Thema entstigmatisieren. 

«Ich hatte keine Ahnung, was mich im Wochenbett erwarten würde.»

Was ist dein Zwischenfazit nach 4 Monaten mit deinem Sohn?
Es kommt mir vor, als wäre es schon ein Jahr und nicht erst vier Monate! Ein Kind zu haben ist a hell of a ride! Mein Leben wurde einmal auf den Kopf gestellt. Mittlerweile bin ich aber an dem Punkt, dass ich es zwischendurch auch richtig geniessen kann.

Was hättest du dir nie vorstellen können, bevor du selber Mutter geworden bist?
Ich dachte immer, dass ich eine total unabhängige Mutter sein werde, die auch mit Kind problemlos ihr Ding durchzieht. Vor einer Woche habe ich dann erstmals ein kleines Konzert gespielt und – wie von meiner Schwester prophezeit – den Kleinen schrecklich vermisst. Auch, dass man allzeit bereit sein muss, zu reagieren, war mir so nicht bewusst. Und ich legte immer grossen Wert auf Pünktlichkeit. Jetzt mit Baby kann so viel dazwischenkommen, sei es eine volle Windel, Hunger oder sonst etwas. Zum Glück ist mein Umfeld verständnisvoll.

Wie hast du dich denn auf dein Kind vorbereitet? 
Am Ende der Schwangerschaft habe ich dann doch noch ein Buch von Remo Largo hervorgeholt, aber sonst nur wenig zum Thema gelesen. Ich wollte es, wie auch sonst im Leben, auf mich zukommen lassen, auch die Geburt. Ich dachte, je weniger ich lese, desto einfacher wirds für mich, weil ich gemerkt habe, dass Geburt und Erziehung ein richtiges Politikum sind. Diese Diskussionen muss man nervlich erst mal aushalten.

Stichwort Geburt: Wie sind deine Erinnerungen daran?
Es war wirklich keine einfache Geburt, alles ist anders gekommen, als ich es mir vorgestellt habe. Irgendwann merkte ich, dass es da schon einige Dinge gibt, die ich verarbeiten muss. Es ist ein Prozess und der braucht einige Zeit.

Anna Känzig mit Sohn Lyle

Süsser Knopf: Anna Känzig mit Söhnchen Lyle zu Hause in Zürich.

Lukas Maeder

Wie fühlst du dich in deinem Körper seit der Geburt?
Es hängt sehr vom Tag ab. Wenn ich zu wenig geschlafen habe, es mit Lyle sehr streng ist und ich mich dann im Spiegel sehe, ist es manchmal schon schwierig. An guten Tagen bin ich aber sehr zufrieden. Mir fällt jetzt extrem auf, welchen Einfluss auch Social Media hat. Fotos von Müttern, die ein paar Wochen nach der Geburt wieder aussehen wie Topmodels, sollte man sich besser nicht anschauen. Zum Glück gibt es auch die andere Seite, wo Mütter mehr Normalität schaffen. Es hilft sehr, mit Leuten im Umfeld über die eigenen Knörze zu sprechen. 

Wie ehrlich bist du selbst so mit den Schwierigkeiten als Neu-Mutter?
Ich kann gar nicht anders als ehrlich und authentisch zu sein. So mache ich es auch mit der Musik. Mir hilft sehr, dass ich tolle Mütter um mich habe, mit denen ich ehrlich sprechen kann. Das ist so erfrischend! Mir gefiel auch das SI-Video-Interview mit Annina Campell sehr gut, das zu sehen hat mir extrem gutgetan. 

Was hättest du im Nachhinein gerne schon vor der Geburt gewusst?
Alles betreffend Wochenbett. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, habe mich damit auch nicht auseinandergesetzt und mich vor allem auf die Geburt und das Baby konzentriert. Mehr Infos zu diesem Thema wären sehr hilfreich gewesen. Ich fand es immer so lustig, wenn Leute uns nach der Geburt sagten «Geniesst euer Glück» während das Baby schrie und ich selbst das Gefühl hatte, auseinanderzufallen.

«Wir bleiben im Sommer zu Hause. Lyle ist noch so klein, da fühle ich mich nicht wohl beim Gedanken an eine Reise.»

Was kannst du uns über Lyle erzählen?
Er ist mega lebendig und hat viel Kraft. Und er hat mega grosse Augen, die hat er von mir geerbt. Die Nacht kann noch so heftig sein, wenn er mich am nächsten Morgen anschaut, ist alles vergessen (lacht). Im Moment übt er gerade, sich zu drehen. Es ist verrückt, dass in seinem Mikrokosmos jeden Tag so viel Neues passiert.

Wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Die Musik von Lyle Lovett, einem amerikanischen Country- und Folksänger, begleitet mich schon mein Leben lang. Während der Schwangerschaft habe ich wieder vermehrt seine Lieder gehört und so kam die Idee mit dem Namen. Mein Freund und ich sind sehr happy mit der Wahl und meinen Lieblingssong «If I had a Boad» werde ich unserem Lyle sicher irgendwann vorspielen.

Ihr seid kürzlich umgezogen. Wie war das so mit Baby?
Oh, mega anstrengend! Zügeln ist immer streng, aber mit Baby fühlte es sich ein bisschen an, als hätte ich einen Betonklotz am Bein gehabt. Besonders die Vorbereitungs- und Packphase waren schwierig. Ich empfehle es nicht für Leute, die gerade zum ersten Mal Eltern geworden sind (lacht). Aber es hat sich gelohnt, wir haben jetzt viel mehr Platz und den Luxus eines Extrazimmers, in dem man sehr gut schlafen kann, wenn gerade der andere Fläschchen-Dienst hat.

Nimmst du dir Zeit für Selfcare?
Man merkt es ja immer zu spät, wenn man was für sich machen sollte. Mein Partner und ich versuchen uns deshalb immer, gegenseitig darauf aufmerksam zu machen, dass man mal wieder was nur für sich machen sollte. Für mich bedeutet Selfcare, ohne Baby rauszugehen und Leute zu treffen, zu reden und die Seele baumeln zu lassen. Das tut mir sehr gut. Ich hatte früher immer Angst davor, nicht mehr zum Duschen zu kommen, wie man das ja so oft hört. Aber das klappt zum Glück sehr gut, ich setzte Lyle einfach vor die Badewanne und er schaut mir zu. Er liebt auch das Geräusch des Föhns. Das war lange unser Retter in der Nacht. Wenn gar nichts mehr half, kam der Föhn zum Einsatz.

Wie läuft es mit der Musik?
Ich hatte gerade eine lange Kreativpause. Schon vor der Corona-Pandemie habe ich gemerkt, wie ich den Zugang zur Kreativität nicht mehr so finde. Dann wurde ich schwanger. Der Break hat mir richtig gutgetan. Langsam beginne ich auch, wieder Songs zu schreiben und freue mich über die Lust, die wieder zurückkommt. 

Und wann findest du Zeit dafür?
Mein Freund ist freischaffend und ich habe mich kürzlich entschieden, zwei Monate unbezahlt an den Mutterschaftsurlaub dranzuhängen. Mein Teilzeitjob als Gesangslehrerin geht im August wieder los. Wir können uns aktuell die Zeit gut aufteilen. Das wichtigste Credo in unserer Beziehung ist, dass jeder noch ein bisschen Raum für sich braucht, um kreativ sein zu können. Aktuell ist dies ein Mal pro Woche, dann geht er ins Atelier und ich in den Bandraum.

Gibst du deinen Sohn zum Hüten auch mal ab?
Bisher noch nie, aber nach den Sommerferien geht er in die Kita. Ich bin sehr glücklich, weil wir einen Platz in meiner Wunschkita bekommen haben. Auch die Grosseltern sind da, wenn alle Stricke reissen, aber wir wollten nicht, dass sie an einem fixen Tag pro Woche hüten müssen, damit niemandem der Spass an der Sache vergeht und sich jeder frei fühlen kann.

Hat sich eure Beziehung verändert, seit ihr Eltern geworden seid?
Wir sind gerade im verflixten siebten Jahr (lacht). Uns hat die Schwangerschaft und die Geburt irgendwie stark zusammengeschweisst. Es ist wie die krasseste Bergwanderung, die man zusammen machen kann. Wir funktionieren als Team sehr gut, wir teilen uns alle Aufgaben auf und wir hoffen, dass es so weitergehen kann. Aktuell läuft es mega gut. 

Fahrt ihr im Sommer in die ersten Ferien mit Baby?
Nein, wir bleiben in Zürich und erkunden die Umgebung als Familie. Lyle ist noch so klein, da fühle ich mich nicht wohl beim Gedanken an eine Reise.

Was war das beste Geburtsgeschenk, das ihr bekommen habt?
Auf jeden Fall der Kinderwagen, den uns meine Schwiegereltern geschenkt haben. Es passt so viel rein und man kann alle Einkäufe auf einmal transportieren. 

Und was ist dein persönlicher Mom-Hack Nummer eins?
Meine Schoppen-Maschine für die nächtlichen Fütterungen. Sie hält das Wasser perfekt warm und ich kann im Nu ein Fläschchen machen. Es ist das beste, das ich mir je gekauft habe und weil ich so gerne schlafe, hilft mir das Ding im Moment sehr. 

Von Edita Dizdar am 15. Juni 2021 - 16:31 Uhr