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Ex-Miss-Schweiz bricht mit Gender-Klischees

So will Feministin Lauriane Sallin ihren Sohn erziehen

Bereits als Miss Schweiz hat Lauriane Sallin mit Geschlechter-Klischees gebrochen. Das will sie nun auch in der Erziehung ihres Sohnes tun.

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Belfaux, janvier 2021 --- Lauriane Sallin, ancienne Miss Suisse, a donné naissance il y a quelques jours à son 2ème enfant, un petit garçon prénommé Célestin.© Parallaxe Photographie, LAURENT CROTTET

Célestin Niréas ist das zweite Kind von Lauriane Sallin. Mit Eheman Giorgos Palamaris hat sie auch eine zweijährige Tochter.

Laurent Crottet

Er ist weise und lügt niemals. Dem Meeresgott, nach dem Lauriane Sallin, 27, ihren Sohn Célestin Niréas benannt hat, werden nur positive Eigenschaften zugeschrieben. Der Kleine kam am 14. Januar auf die Welt.

«Célestin steht für Himmel, Niréas für Meer. Symbolisch für die Schwangerschaft, die wir auf der Kykladeninsel Tinos erlebten – zwischen Himmel und Meer.» Für die Geburt ihres Sohnes ist die Miss Schweiz 2015 mit ihrem Mann Giorgos Palamaris, 34, und Tochter Madeleine Apollonie, 2, in ihr Heimatdorf Belfaux FR zurückgekehrt. Hier wird Célestin seine ersten Monate verbringen, bevor die Familie nach Griechenland zurückkehrt.

Darum pendelt Lauriane Sallins Familie zwischen der Schweiz und Griechenland

Das Paar zieht seine Kinder bewusst im Wechsel beider Kulturen auf. «Wir hoffen, dass möglichst vielfältige Einflüsse ihre Entwicklung und ihr kritisches Denken fördern», sagt Lauriane. Giorgos ergänzt: «Wir wollen den Kindern keine Werte auferlegen oder diktieren, sondern sie ihre Werte selber entdecken lassen. Ich glaube, dass dies nötig ist, damit die eigenen Werte zu einem wesentlichen Bestandteil des Lebens werden können.» 

Er geniesse es, das kreative Denken seiner Kinder spielerisch anzuregen. «Ich glaube, dass man durch die Handlung und Ethik des Spielens gegenseitigen Respekt lernt. Man lernt zu teilen, sich zu kümmern, zu improvisieren. Dies hilft den Kindern, ihre eigenen Werte zu entdecken. Sie begreifen, wer sie selber sind und wie sie mit anderen Menschen funktionieren.»

«Ich weigerte mich stets, meine Weiblickeit als Einschränkung zu sehen.»

Lauriane Sallin

Eine wichtige Erziehungsaufgabe sieht das Paar darin, die Kinder ohne Gender-Vorurteile aufwachsen zu lassen. Bereits in ihrem Amtsjahr als schönste Schweizerin hat Lauriane Sallin gegen Geschlechter-Klischees gekämpft. Etwa, als sie den Lastwagen-Führerausweis machte, um eigenhändig Hilfsgüter in ein Kinderspital nach Marokko zu transportieren. «Ich weigerte mich stets, meine Weiblichkeit als Einschränkung zu sehen. Mir fehlte es weder an Kraft noch an Mut, mich dem Leben zu stellen. Mit dieser Einstellung konnte ich mich immer weiterentwickeln.»

Als Mutter sieht Lauriane Sallin es als eine ihrer Hauptaufgaben, ihren Kindern diese Einstellung weiterzugeben, wie sie im Interview erklärt.

Lauriane Sallin, nun sind Sie Mutter eines Sohnes und einer Tochter. Was ist Ihnen in der Erziehung Ihrer Kinder wichtig?
Ich werde meine Tochter und meinen Sohn auf die gleiche Weise erziehen. Ihnen ermöglichen, Menschen zu werden. Für mich besteht die Herausforderung darin, sie bei ihrer Entdeckung der Welt zu unterstützen, dabei spielen natürlich auch die Codes und Standards unserer Gesellschaft eine Rolle. Diese sind je nach Umfeld und Kultur unterschiedlich geprägt. Da wir uns zwischen der Schweiz und Griechenland bewegen, hoffe ich, dass diese vielfältigen Einflüsse die Entwicklung unserer Kinder und ihr kritisches Denken fördern werden.

Wo sehen Sie Ihren Einfluss als Mutter?
Da wir nun ein Mädchen und einen Jungen haben, denke ich, dass ich ihnen ein universelles Prinzip vorleben kann: Toleranz. Jungen und Mädchen sind nicht gleich, aber gleichwertig. So wie alle Menschen. Wir müssen lernen, unsere Verschiedenheit zu akzeptieren und uns gegenseitig in unserer Individualität wertzuschätzen. Unser Wesen und unsere Fähigkeiten zu erkennen, unabhängig vom Geschlecht. Das gilt auch für Célestin und Madeleine.

Fühlten Sie sich als Mädchen und Frau nicht immer wertgeschätzt?
Ich störte mich früh daran, dass die Frage des Geschlechts im Mittelpunkt steht, denn ja, ich habe erlebt, dass man sich als Frau gegen Vorurteile behaupten muss. Als Kind und Teenager wollte ich keine Frau sein. Ich begriff früh, dass das Weiblich sein eine gewisse Einschränkung bedeutet. Nicht biologischer Natur, ich strebte ja keine sportliche Leistung an, sondern dass die Gesellschaft uns Frauen gewisse Grenzen auferlegt. Ich aber strebte immer danach, die Beste Version von mir selbst zu finden – unabhängig von Erwartungen, die mit meinem Geschlecht verbunden waren.
 

Wie wollen Sie erreichen, dass Ihre Kinder sich durch Ihr Geschlecht nicht in eine Rolle gedrängt fühlen?
Ich vermute, ein Grossteil des Geschlechterproblems ist darauf zurückzuführen, dass Menschen nicht so akzeptiert werden, wie sie sind. Meine Kinder sollen wissen: Es gibt nicht nur einen richtigen Weg, ein Mann oder eine Frau zu sein, sondern eine ganze Reihe an Möglichkeiten des Seins. Meine Vorstellung ist vielleicht etwas naiv, aber ich versuche, mehr Wert auf die Indivitualität eines Menschen zu legen denn darauf, wie sehr er der Norm entspricht. Ich wünsche mir, dass meine Kinder sich selbst sein dürfen und sich frei und glücklich fühlen.

Wie leben Sie Ihnen Gleichstellung vor?
Giorgos und ich sind ein Team. Zu jedem Zeitpunkt des Tages. Unser Alltag verändert sich ständig, wir leben zwischen verschiedenen Kulturen, an verschiedenen Orten, aber egal, wo wir uns gerade befinden, wir schauen beide darauf, dass es der ganzen Familie gut geht und teilen uns die Aufgaben, die anstehen.

Am Sonntag feiern wir 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?
Das Stimmrecht für Frauen war eine Notwendigkeit. So wurden unsere Anliegen politisch sichtbar. Ich bin den früheren Generationen für ihr Engagement dankbar, den Frauen genauso, wie den Männern, die sie unterstützt haben. Die Ungerechtigkeit, die Frauen vor meiner Generation erlebt haben, indem sie ein Leben lang unter der Autorität der Männer gelebt haben, empört mich nach wie vor.

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 5. Februar 2021 - 18:04 Uhr