Still sitzt der dreijährige Eliah auf dem Schlitten, fast fallen ihm die Äuglein zu. «Ist doch super», sagt Jaël Malli, 41, lächelnd. «Mir ist eh nach einem gemütlichen Spaziergang.» Die Musikerin gönnt sich mit ihrer Familie eine kurze Auszeit in Brigels GR. Doch ein paar Minuten später ist alles anders. Eliah ist hellwach und verlangt nach mehr Action. Jaël lacht und startet eine Schneeballschlacht mit ihrem Sohn.
Flexibilität ist so etwas wie der zweite Vorname der ehemaligen Lunik-Sängerin. Nicht erst seit Corona, aber die Pandemie ist für sie als Mami und Künstlerin eine besondere Herausforderung. Als am 13. März 2020 der Lockdown verkündet wird, ist sie mitten in der Hauptprobe für das erste von 35 Konzerten ihrer Tour. Alle müssen verschoben werden.
Somit fallen auch die Einnahmen weg, die für die Aufnahmen des Albums «Sinfonia» geplant gewesen wären. Was macht Jaël? Sie schickt das noch inexistente Album in den Vorverkauf und finanziert so die Aufnahmen mit Sinfonieorchester im vergangenen Sommer. Seit dem 1. Januar ist das Werk nun auf dem Markt. Dass die geplante CD-Taufe an Silvester ebenfalls dem Virus zum Opfer fällt – sie wird am 11. November 2021 nachgeholt –, entlockt Jaël mittlerweile nur noch ein Schulterzucken. «Dafür konnten wir Eliahs Geburtstag am 31. Dezember zu Hause feiern. Das war auch schön.»
«Eliah war ein intensives Baby, hat wenig geschlafen, viel geweint, wollte weder vom Schoppen noch vom Nuggi zur Beruhigung etwas wissen. Ich war noch nie im Leben so erschöpft»
Dieser kleine Mann verlangt seiner Mutter seit drei Jahren ein Maximum an Anpassungsfähigkeit ab. So war der Plan, nach einem normalen Mutterschaftsurlaub von knapp vier Monaten wieder langsam mit dem Musikmachen zu beginnen. Aber Jaël hat die Rechnung ohne ihren Sohn gemacht. «Er war ein intensives Baby, hat wenig geschlafen, viel geweint, wollte weder vom Schoppen noch vom Nuggi zur Beruhigung etwas wissen. Ich war noch nie im Leben so erschöpft», erzählt sie offen. Und weiter: «Ich war dünnhäutig, hatte das Gefühl, ich könne nicht die Mutter sein, die ich sein wollte, hatte deswegen ein schlechtes Gewissen.»
All das gehört der Vergangenheit an. Mittlerweile ist Eliah ein Sonnenschein, der sein Mami und Papi Roger regelmässig mit seinem «Piraten-Grinsen» um den Finger wickelt. Und die Eltern mit seinem Bewegungsdrang auf Trab hält. «Er hat zwar ein Schlagzeug und eine Gitarre, am liebsten turnt und ‹gumpt› er aber herum», meint Jaël. «Das ist in Ordnung. Vielleicht entdeckt er die Musik irgendwann für sich, vielleicht nicht.»
Seit Kurzem geht Eliah einen Tag pro Woche in die Kita. So hat Jaël Zeit, sich neuen Songs zu widmen. Oder der Büroarbeit, denn sie erledigt den grössten Teil selbst. Ob die für den Frühling geplanten Konzerte stattfinden können, steht noch in den Sternen. «Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass es immer irgendwie weitergeht», sagt die Berner Musikerin. «Aber natürlich wäre es schön, wenn uns 2021 wieder ein bisschen Normalität zurückgeben würde.»
Jaël Malli packt ihren Sohn auf den Schlitten und sprintet los, begleitet von begeistertem Kinderkreischen. Noch eines hat sie gelernt in den letzten Jahren: «Es sind die kleinen Dinge, die zählen!»