Klinikaufenthalt. Geburt ihres Sohnes Luan. WM-Aus. Ramona Bachmann Baret (35) hatte 2025 schon viel zu verarbeiten – Positives wie Negatives. Das Aus bei der Heim-EM war ein Tiefpunkt im turbulenten Jahr der Luzernerin. Aber die Stürmerin macht einen mutigen Schritt vorwärts – und redet offen über die psychisch belastende Zeit. Ehefrau Charlotte (32) war schwanger, als sich Ramona Anfang Jahr in eine Klinik begab – mit Angststörungen und Panikattacken, die es ihr verunmöglichten, weiterhin auf professionellem Niveau Fussball zu spielen oder sich um ein Kind zu kümmern. Sie zog die Notbremse. Zurück im Training, musste sie sich damit auseinandersetzen, dass sie in den Augen der Öffentlichkeit, die ihre Geschichte nicht kannte, nicht mehr gut genug war. Trotzdem gab sie alles dafür, rechtzeitig zur Heim-EM fit zu sein. «Ich wollte dieses Turnier unbedingt spielen.» Kurz vor dem Startpfiff kam Baby Luan zur Welt. Ramona Bachmann hatte allen Grund, endlich glücklich zu sein. Doch dann riss das Kreuzband.
Heute sitzt die Fussballerin entspannt zu Hause am Esstisch in ihrer gemütlichen Luzerner Stadtwohnung, lächelt, wirkt ganz bei sich. Erst vor wenigen Wochen ist sie mit Ehefrau Charlotte und Baby Luan, fünf Monate alt, hier eingezogen. Damit endet für die kleine Familie eine Odyssee. Die Glühbirnen hängen von der Decke – die Lampen sind noch nicht montiert. An der Wand prangen dafür grosse gerahmte Fotos der Familie. Charlotte Bachmann Baret giesst kühles Wasser mit Zitronenschnitzen in die bereitstehenden Gläser. Ramona erzählt offen von der zugleich schönsten und schwersten Zeit ihres Lebens.
Ihre Angstzustände und Panikattacken begleiteten die Luzernerin schon lange. «Vor drei Jahren fing es an, schleichend. Mein Körper hat mir Signale gesandt, die ich ignoriert habe», erinnert sie sich. Die Schwangerschaft von Ehefrau Charlotte verschlimmerte die Situation. Ramona hatte Angst, nicht für ihre Familie sorgen zu können. «Ich habe wochen-, monatelang nicht mehr geschlafen, war in einem Panikzustand, der Puls ging Tag und Nacht nicht mehr runter. Ich konnte mich nicht mehr allein in einem Zimmer aufhalten.» Sie holte sich Hilfe, ging Anfang Jahr für sieben Wochen in eine Klinik in Meiringen BE. Ihre schwangere Ehefrau war allein – «mir war immer schlecht, ich musste oft erbrechen», sagt Charlotte Bachmann Baret. Sie lebte in dieser Zeit bei ihren Eltern in Paris, wo sie aufgewachsen ist. «Ich versuchte, ihr zu helfen – und sie mir. Wir wollten ein Team sein. Es war keine einfache Zeit. Wir waren trotzdem glücklich, weil wir wussten, Luan wird kommen.»
Charlotte Bachmann Baret (r.) besucht mit Baby Luan oft ihre Eltern in Paris und spricht mit dem Baby Französisch.
Kurt ReichenbachAlleine zurück nach Texas
Charlotte konnte Ramona nur sporadisch in der Klinik besuchen. «Emotional war ich nicht richtig ansprechbar. Ich war so fest mit mir selbst beschäftigt, konnte mich nicht so an der Schwangerschaft beteiligen, wie sie es gebraucht hätte», blickt Ramona zurück. Eine Trennung sei aber nie im Raum gestanden. «Die Klinik war der nötige Schritt, wir wussten, jetzt wird es besser.» Nach ihrer Entlassung flog Ramona Bachmann sofort zurück nach Texas, wo sie beim Verein Houston Dash unter Vertrag stand. Charlotte, inzwischen im siebten Monat, konnte nicht mehr reisen und blieb in Paris zurück. Ein harter Schritt für die Fussball-Nationalspielerin – aber in diesem Moment genau richtig: «Ich wollte aus meiner Komfortzone raus und beweisen, dass ich allein überleben konnte. ‹Face the fear›, ich musste mich der Angst stellen.» Sie wusste, Charlotte war bei ihren Eltern sicher. Doch die Geburt von Baby Luan kam immer näher. «Ich befürchtete, ich würde sie verpassen.» Zwei Wochen vor dem errechneten Termin flog sie zurück nach Paris. Am 8. Mai erblickte Luan Maël in der Stadt an der Seine das Licht der Welt. «Die Geburt war das Schönste, was ich je in meinem Leben erlebt habe», schwärmt Ramona Bachmann heute. Luan bedeutet «Löwe». «Wir haben den Namen in einem Instagram-Post gesehen», sagt Charlotte Bachmann Baret. «Uns hätte auch Lian gefallen, doch dann verliebten wir uns beide in Luan. Uns war wichtig, dass man den Namen auf Deutsch und Französisch gleich ausspricht.» Maman Charlotte redet mit ihrem Sohn Französisch, von Mami Ramona lernt Luan Schweizerdeutsch. Gemeinsam unterhält sich das Paar auf Englisch – Luan wächst dreisprachig auf.
«Ein Feminist mit offenem Geist»
Im Moment will der herzige Junge mit den braunen Augen vom Sprechen noch nichts wissen. Vielmehr interessiert ihn der Fussball, den ihm Mami Ramona vor die Nase gesetzt hat. Ob Luan einst Profisportler wird, Ingenieur oder Haare schneiden wird wie das Grossmami, ist dem Paar ganz egal. Luan sei ein sehr zufriedenes Baby, erzählen die Frauen. «Er lacht viel. Er schläft viel. Er ist sehr sensibel. Er braucht auch sehr viel Nähe.» Ramona Bachmann schmunzelt: «Ich kann putzen, kochen, egal was, solange er in der Trage ist, ist er zufrieden.» Auch Musik möge er gern, und er liebe es, wenn sich Maman Charlotte, eine professionelle Tänzerin, dazu bewege. «Wir wollen ihm unsere Werte weitergeben. Und er soll mit sehr viel Liebe aufwachsen, wir werden ihn unterstützen, egal, was er machen will», sagt Ramona. Charlotte ergänzt: «Er soll ein Mann werden, der Frauen gut behandelt. Ein Feminist mit einem offenen Geist. Und natürlich wünschen wir ihm, dass er glücklich ist.»
Das Paar spricht offen darüber, wie Luan entstanden ist. In einer Klinik in Spanien haben Ramona und Charlotte Bachmann Baret eine Samenspende erhalten. Befruchtet wurde ein Ei von Charlotte. «Wir hatten uns überlegt, Charlotte ein Ei von mir einzusetzen», erzählt Ramona Bachmann. «Das ging aber nicht. Ich hätte Hormone spritzen und dafür drei Wochen in Spanien bleiben müssen. Das war mit meinen Verpflichtungen in Houston nicht möglich.» Dem Paar war es jedoch wichtig, dass der Spender Ähnlichkeiten mit Ramona aufweist, etwa punkto Haarfarbe oder Sportlichkeit. «Er durfte allerdings schon etwas grösser sein als ich», sagt die 1,62 Meter grosse Fussballerin lachend. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Charlotte bei einem zweiten Kind mit Ramonas Ei schwanger wird. Ein Geschwisterchen für Luan wünschen sich die beiden auf jeden Fall, allerdings nicht sofort. «Wir haben noch nichts entschieden.» Baby Luan ist in seiner Trage friedlich eingeschlafen, gemütlich spaziert das Paar mit den zwei Zwergspitzen Loui und Keniah durch Luzern. «Für mich macht es keinen Unterschied, ob Luan mein leibliches Kind ist oder nicht. Vor der Geburt hatte ich schon etwas Respekt, befürchtete, die Bindung nicht zu spüren. Doch unsere megakrasse Verbindung war sofort da.» Da Luan in Paris geboren wurde, konnte sich Ramona auch bereits vor der Geburt als Elternteil eintragen lassen. In der Schweiz hätte sie ihren Sohn adoptieren müssen.
Kreuzbandriss als logische Konsequenz
Von ihren Panikzuständen geheilt, das Familienglück mit Luan – und die bevorstehende Heim-EM. In Ramona Bachmanns Leben hatte sich alles zum Guten gewandt. Doch es gab noch kein Happy End. Rund drei Wochen vor Anpfiff der EM sackte Ramona Bachmann im Training zusammen. «Ich wusste es sofort. So fühlt es sich also an, wenn das Kreuzband reisst.» Es habe zweimal «geklöpft», dann schossen die Schmerzen ein. «Ich wusste, das wars mit der EM.» Es seien viele Tränen geflossen. Heute sagt sie aber: «Es war gleichzeitig ein extremer Druckabfall.»
Sie sei nach dem Austritt aus der Klinik sofort wieder ins Training eingestiegen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Körper nach dem mentalen Zusammenbruch noch nicht bereit war. «Mir lief die Zeit davon.» Der Kreuzbandriss: die logische Konsequenz. «Mein Körper hat Stopp gesagt. Ich habe seine Signale ignoriert, weil ich unbedingt an diese EM wollte.»
Ramona Bachmann hat ihren Frieden damit gemacht. Endlich kann sie sich die Zeit nehmen, die sie braucht. Der Vertrag mit Houston Dash ist aufgelöst, noch bis Ende 2026 erhält sie ihren Lohn. Das gibt ihr Ruhe und Stabilität. Sie kann ihren Körper, ihr Knie heilen, ihre Fitness aufbauen, sich um ihre Familie kümmern und sich nach einem neuen Klub umschauen. Und das alles in ihrer Heimat Luzern. «Ich will noch einmal angreifen als Spielerin, will nicht aufhören mit einer Verletzung.»
Vor einigen Monaten haben sie und Ehefrau Charlotte zudem einen Podcast ins Leben gerufen. Diesen wollen sie auch künftig betreiben. Ich habe so viele Nachrichten bekommen, nachdem ich öffentlich gemacht hatte, dass ich in der Klinik war. Ich möchte nicht nur den Mädchen im Fussball ein Vorbild sein, sondern auch Menschen, denen es mental nicht gut geht. Wenn ich jemandem helfen kann, indem ich offen meine Story erzähle, ist das unendlich wertvoll. Deshalb möchte ich auch weiterhin gern offen bleiben und eine Plattform für solche Themen schaffen.» Das Jahr 2025 neigt sich dem Ende zu – ein Jahr, das Ramona Bachmann Baret geprägt hat. Sie ist angekommen.
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