In der Theorie klingt der Kinderarztbesuch nach einem harmlosen Termin. In der Praxis treibt er uns Müttern und Vätern aber gerne mal Schweissperlen auf die Stirn. Während zwar das Wartezimmer zur Bühne kindlicher Höchstleistungen in Sachen Lautstärke wird und das Lieblingskuscheltier mutig in die Rolle des Patienten schlüpft, fragen sich viele Eltern: Wie überstehen wir das hier mit halbwegs intakten Nerven?
Die gute Nachricht: Mit ein paar alltagstauglichen Tipps wird aus dem Angsttermin vielleicht kein Wellness-Erlebnis, aber zumindest auch kein Mini-Drama in drei Akten.
Die zweite gute Nachricht: Wir haben die besten Ratschläge für euch zusammengefasst.
Am Anfang sind Babys gefühlt alle zwei Wochen beim Kinderarzt. Weil der Tag aber schon voll ist mit Stillen und Schlafen, ist es gar nicht so einfach, pünktlich irgendwo zu sein. Babys entwickeln jedoch rasch einen Rhythmus, der Platz für Zeitfenster macht, die geeignet sind für den Besuch beim Doc.
Wer eine Uhrzeit wählt, zu der das Kind normalerweise ausgeruht und satt ist, kann sich entspannt, oder zumindest entspannter, auf den Weg zum Kinderarzt machen. Dasselbe gilt natürlich, wenn das Baby kein Baby mehr ist, aber immer noch Mittagsschlaf zelebriert. Plant den Besuch um den Schlaf herum, vor allem während der Autonomiephase macht es Sinn, mit einem satten und ausgeschlafenen Kind einzutrudeln.
Schreibt euch vorher auf, was ihr den Arzt oder die Ärztin fragen wollt – so vergisst ihr im Gespräch nichts Wichtiges. Und keine falschen Hemmungen: Es gibt keine dummen Fragen. Nicht, wenn es um eure Kinder geht. Und selbst wenn, Kinderärzt:innen sind hart im Nehmen.
Erklärt eurem Kind, was beim Arzt passiert, damit es weiss, was es erwartet – ruhig und ehrlich. Oder, noch besser, spielt den Besuch am Lieblingsteddybär durch. Dabei schlüpft zuerst ihr in die Rolle des Doktors. Und dann das Kind.
Natürlich ist uns bewusst, dass es sein kann, dass auch die beste Vorbereitung nichts bringt und das Kind vor Ort tobt, weil es sich auf keinen Fall untersuchen lassen will. Womit wir zum nächsten Punkt kommen.
Kinder orientieren sich stark an den Emotionen der Eltern. Wenn ihr ruhig, verständnisvoll und zugewandt bleibt, überträgt sich das oft zumindest ein Stück weit auf aufgebrachte kleine Patient:innen.
Hier helfen Sätze wie «Ich sehe, dass du das nicht willst. Das ist okay – wir machen es zusammen Schritt für Schritt» oder «Die Ärztin hört dein Herz an, das kitzelt ein bisschen» wie auch «Guck mal, der Doktor telefoniert jetzt mit deinem Bauch. Vielleicht errät er ja, was wir zum Zmittag gegessen haben?»
Gute Kinderärzt:innen sind geübt im Umgang mit ängstlichen Kindern. Oft helfen ein humorvoller Ton, eine kindgerechte Sprache oder auch kleine Rollenspiele. Ihr dürft euch entspannen: Nicht kooperative kleine Patient:innen sind hier daily Business.

Mit Geduld und Ruhe lassen sich kleine Patient:innen oft gut beruhigen.
Getty Images/Westend61Etwas Vertrautes hilft beim Warten, vermittels Sicherheit und kann während Untersuchungen für Beruhigung und Ablenkung sorgen. Das Kind will am liebsten fünf Plüschtiere mitnehmen? Hier darf man ruhig mal grosszügig Ja sagen und die eigentlichen Prinzipien über Bord werfen. Kinderarztbesuche sind Ausnahmesituationen. Und bei Ausnahmesituationen kann man die 5 auch mal gerade sein lassen.
Wenn sich das Kind partout nicht impfen oder Blut ablehnen lassen will, dann kann sich gerne mal Verzweiflung breit machen. Sätze wie «Es tut nicht weh» helfen meist nicht, sie lösen eher Angst vor Schmerzen aus. Viel besser Dinge wie «Es piekst ganz kurz, und dann ist es schnell vorbei» sagen. Gut möglich, dass es damit (noch) nicht getan ist. In diesem Punkt dürfen Eltern mit bestem Gewissen alle Register ziehen: Trickfilm schauen lassen, Hörspiel hören, das Kind mitentscheiden lassen, wo es sitzen will und was es nach dem Pieks unternehmen will.
Dann: In manchen Praxen gibt es Lokalanästhesie-Pflaster («Zauberpflaster»), die das Stechen kaum spürbar machen. Ihr dürft danach fragen. Und last but not least: Belohnung in Aussicht stellen. Nach dem Piecks ist vor dem Glacé, vor einem kleinen Spielzeug oder einem Besuch auf dem Lieblingsspielplatz, wenn es der Gesundheitszustand zulässt.
Ein einmalig verschobener Untersuchungstermin ist viel besser als ein Tränenmeer und Ängste, die ein Kind in die Verzweiflung bringen. Ist die Untersuchung nicht akut nötig, kann sie ohne Bedenken nachgeholt werden. In der gewonnenen Zeit kann man in Ruhe daheim mit dem Kind am Teddybär üben oder ein Büechli zum Thema Besuch beim Kinderarzt anschauen.
Vor allem, wenn Kinder klein sind, ist es oft sehr herausfordernd, ihnen Medikamente zu verabreichen. Hier hilft es oft, das Medikament als «Zaubersaft», «Superhelden-Trank» oder «Detektiv-Medizin» zu verkaufen.
Liegt die Ablehnung des Kindes am Geschmack, kann man in der Apotheke nach Alternativen (z. B. mit Fruchtgeschmack) fragen oder abklären, ob das Medikament mit Sirup, Joghurt oder Apfelmus gemischt werden darf.
In seltenen Fällen leiden Kinder unter echter medizinischer Angst. Das bringt nicht nur die kleinen Patient:innen an den Rand der Verzweiflung. Auch Eltern leiden unter dieser Situation und entwickeln selber Angstzustände, wenn ein Termin beim Kinderarzt ansteht.
Nicht verzagen, liebe betroffene Familien: In solchen Fällen kann eine begleitende Verhaltenstherapie beim Kinderpsychologen/der Kinderpsychologin helfen, langfristig die Angst abzubauen.

