Unsere kleine Tochter schläft zurzeit schlecht. Es kommt vor, dass sie schon um fünf Uhr morgens aufwacht und schreit. Das ärgert unseren Nachbarn. Er hat sich wiederholt beklagt, dass wir zu laut seien und wirft uns vor, unsere Kinder nicht im Griff zu haben. Wir haben schon mehrere Male vergebens das Gespräch gesucht. Die miese Stimmung belastet mich. Was kann ich tun? Fabrizio (33)
Lieber Fabrizio
Es erstaunt mich immer wieder, wie engstirnig wir Menschen doch sein können. Gerade in Bezug auf kleine Kinder. Was stellen sich manche Leute da bloss vor? Dass Kinder per Knopfdruck in den Schlaf finden und per Schalthebel morgens erwachen? Und sich genauso ihre Tränen regulieren lassen?
Dass kleine Kinder nachts aufwachen, schlecht schlafen und frühmorgens nach den Eltern schreien, ist völlig normal und gehört zur kindlichen Entwicklung. Für uns Eltern kann das ja auch sehr belastend sein. Für mich gibt es nicht viel nervenzehrenderes als latenten Schlafmangel.
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Doch wie lässt sich Lärmempfinden messen? Wer richtet und welche Werte gelten als zumutbar? Für mein Empfinden braucht es vielleicht viel, für den Nachbarn wenig, ein Dritter fühlt sich hingegen schon gestört ab dem morgendlichen Vogelpfeifen. Es gibt sogar Menschen, die Musik nur als Lärm wahrnehmen. Das ist sehr individuell.
Aus rechtlicher Sicht musst du dir auf jeden Fall keine Gedanken machen. «Rechtlich gilt Kindergeschrei als normal und muss grundsätzlich geduldet werden», sagt Fabian Gloor, Rechtsberater vom Mieterinnen- und Mieterverband Deutschschweiz.
Das Gesetz sagt aber auch, dass Mieter, wie auch Vermieter, verpflichtet sind, gegenseitig Rücksicht zu nehmen. Doch wo fängt die Akzeptanz an und wo endet sie?
«Diese Grenze ist schwierig festzulegen», sagt Gloor. Es gelte ein Toleranzgebot. «Gewisse Alltagsgeräusche muss ein Mieter akzeptieren, übermässiger Lärm gehört selbstverständlich nicht dazu», so Gloor. Verboten sind zum Beispiel, lautes Musik spielen oder Party machen während der Nachtruhe von 20 Uhr abens bis 7 Uhr früh. Doch Kinderlärm gehört da nicht dazu!
Der Jurist appelliert an die Vernunft der Nachbars-Parteien. «Der beste Weg ist noch immer die Einigung», so Gloor. «Es empfiehlt sich, mit dem Nachbarn einen Kaffee zu trinken und gegenseitiges Verständnis aufzubringen», so Gloor. Allenfalls reiche es ja schon, die Schlafzimmer zu tauschen.
Lieber Fabrizio, so wie du schreibst, hast du das Gespräch ja bereits mehrfach gesucht. An deiner Stelle würde ich nun gar nichts mehr tun. Falls der Nachbar erneut reklamiert, kannst du ihn direkt an die Verwaltung verweisen. Mit der Begründung, dass du ihn zwar verstehen, aber die Situation aktuell leider nicht ändern kannst.
Vielleicht kannst du ihm auch erklären, dass die Schrei-Phase, wie der Name schon sagt, eine Phase ist, die irgendwann vorüber geht.
Hilfreich sind auch immer Gegenfragen: Was würden Sie an meiner Stelle tun? Wie schaut ihre Lösung aus? Was können wir tun, damit sie sich besser fühlen und zu mehr Schlaf kommen?
Herzlichst,
Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.