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International Non Binary People's Day 

Vom schwulen Vater zum nonbinären Elternteil 

Nemos letztjähriger Sieg am Eurovision Song Contest hat nonbinären Menschen in der Schweiz ein Gesicht und eine Stimme gegeben. Aber Nonbinarität findet nicht auf der grossen Bühne statt, sondern im Alltag. Nonbinäre Menschen existieren – und manche von ihnen sind auch Eltern. Zum heutigen International Non Binary People’s Day erzählt Lino aus dem Leben als Elternteil.

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<p>Lino wohnt in Zürich, ist Elternteil eines Sohnes und setzt sich an Schulen unter anderem für Aufklärung über Binarität ein. </p>

Lino wohnt in Zürich, ist Elternteil eines Sohnes und setzt sich an Schulen unter anderem für Aufklärung über Binarität ein. 

Valeriano Di Domenico

Eigentlich bräuchte Lino (60) das Wort Nonbinarität für sich nicht. «Aber da wir Menschen soziale Wesen sind, brauche auch ich ein Wort für mein Sein, damit es mich im Umgang mit anderen Menschen gibt.» Lino definiert die eigene Nonbinarität als Teil einer Nichtidentität: «Die mir aufgrund der Herkunft meiner Eltern zugeschriebenen Eigenschaften haben sich schon immer genauso leblos angefühlt wie die Eigenschaften, die ich als Mann verkörpern müsste. Weder die Nationalität, noch der Penis gibt mir darüber Auskunft, wer, was und wie ich bin, was mir gut tut, was ich darf und was ich nicht darf.» 

«Mein Sohn nennt mich nach wie vor Papa»

Lino ist Elternteil, hat einen 19-jährigen Sohn in Co-Elternschaft. Als nonbinär bezeichnet sich Lino erst seit einiger Zeit. «Mein Sohn kennt mich als schwuler Mann und nennt mich nach wie vor Papa. Das ist für mich total in Ordnung. Schliesslich habe ich ja damals auch zugestimmt, die Vaterrolle zu übernehmen.» Diese – beziehungsweise die Elternrolle – habe Lino schon immer sehr frei von Rollenbildern gelebt, «was mir mein Sohn ermöglicht hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.» Dem Sohn hat Lino von der Nonbinarität und dem Weglassen der Pronomen (er/ihm/ihn) erzählt, ein grosses Thema war es nicht. Ich lasse meine Nonbinarität in unserem Miteinander als Lebensrealität fassbar werden.» So, wie Lino bereits vor dreissig Jahren den Partner bei seiner Familie sichtbar gemacht hat – ohne sie zuvor mit dem Wort schwul konfrontiert zu haben. «Das hat meinen Eltern hier in der Schweiz und meinen Verwandten in Süditalien ermöglicht, meiner Art zu lieben auf eine nachvollziehbare und positive Weise zu begegnen, nämlich über mein Glücklichsein.»

Dass Lino im Alltag als weisser Mann gelesen wird, ist Lino bewusst. «Ich trage den Bart nicht, um meine Nonbinarität zu negieren, sondern weil ich mir so gefalle» Gleichzeitig nutzt Lino diese «Normalität», «um  Berührungsängste abzubauen. Ich komme so mit vielen Menschen ins Gespräch, die sonst nie bewusst direkten Kontakt mit  einem nonbinären Menschen hätten.»

«Menschen müssen ja nicht alles verstehen»

Dass viele Menschen Nonbinarität nicht verstehen, kann Lino nachvollziehen. «Menschen müssen ja auch nicht alles verstehen. Ich kann nachvollziehen, dass Nonbinarität irritierend sein kann», sagt Lino. «Aber es ist doch schön, jemandem etwas Gutes zu tun, auch wenn ich es nicht verstehe und es für mich selber nicht brauche.» Ein Pronomen wegzulassen oder einen Genderstern zu benutzen, nehme ja niemandem etwas weg. «Und für uns nonbinäre Menschen bedeutet es, dass unsere Existenz anerkannt und respektiert wird.»

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 14. Juli 2025 - 18:00 Uhr