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Notabene von Chris von Rohr

«Mein oder dein Wille geschehe (2)»

Musiker, Produzent und Autor Chris von Rohr, 66, schreibt in seiner neuesten Kolumne über einen schwer pflegebedürftig gewordenen Geschäftsmann, der seinem Notar zu sehr vertraute.

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Chris von Rohr
Beat Mumenthaler

Geschätzte Leser-Innen, letztes Mal habe ich Ihnen vom verstorbenen Kurt und seiner Gattin erzählt. Vielleicht haben Sie seither ein paar Gedanken darüber gewälzt, wie es wohl dereinst bei Ihnen herauskommen mag, wenn gestorben wird – und das werden Sie (und ich) todsicher.

Ich erzähle Ihnen, was unterdessen gelaufen ist: Die Frau und ihre Töchter haben sich mit einem Anwalt zusammengesetzt, der seine Zelte weit weg vom Geschehen aufgestellt hat, mit der Materie warm und mit keinem der involvierten Protagonisten verbunden ist. Denn sie hatten festgestellt, dass in der näheren Umgebung jeder dem anderen zudient – Gemeindeverwaltung, Notar, KESB und Bank waren offenbar gut «verlinkt» und liessen einander walten. War es kollektive Raffgier oder einfach der Wunsch nach harmonischer Nachbarschaft? Mich erinnern solche Geschichten jedenfalls an den Postskandal oder die scheinheiligen Schweinepriester, die das göttlich Reine lehren und sich hinter dem Beichtstuhl an kleinen Buben vergreifen.

Regeln Sie Ihren Nachlass VOR grosser Krankheit und Tod

Item. Die hinterbliebene Familie setzte also auf einen Juristen, der aus Zeitmangel selten Besüchlein in Pflegeheimen macht. Sie fingen an, die rechtlichen Mittel einzusetzen und die Absetzung des Willensvollstreckers zu fordern. Jetzt musste der listige Notar – nennen wir ihn Fürst – den Hinterbliebenen doch noch das Testament eröffnen und sich in zahlreichen Punkten rechtfertigen. Unter anderem lautete eine Frage, welchen Willen er überhaupt vollstrecken wolle, wenn die Witwe Alleinerbin ist und keines der Nachkommen dagegen sei – sein Amt entfalle somit aufgrund eines Mangels an Erbteilungsarbeit. Fürsts Begründung lautete schliesslich, er habe dieses Amt angenommen, um sicherzustellen, dass alle Rechnungen, die der Verstorbene generiert habe, beglichen würden. Eine der Töchter habe ihm nämlich mal angedroht, die Rechnungen zu bestreiten, sollte er für seine Aktivitäten beim bettlägerigen Kurt welche ausstellen wollen. Zusammengefasst kann man sagen, dass dieser «Willensvollstrecker» sein Amt missbrauchte, um für die Bezahlung seiner eigenen Rechnungen zu sorgen. Sonst gab es nämlich keine offenen Posten. Und weil das Zusammenkratzen von nicht existenten fakturierbaren Leistungen derart mühsam war, liess sich Fürst der Einfachheit halber pauschal einen Vorschuss von 15 000 Franken ausbezahlen.

Dann war ja noch der Immobilienmakler. Dieser musste aufgrund einer superprovisorischen Verfügung umgehend alle Aktivitäten stoppen und war angesäuert. Er schickte dem rechtsoriginellen Notar eine Aufwandsrechnung über einige tausend Franken. Dieser dachte jedoch nicht daran, den Betrag vom eigenen Vermögen zu begleichen. Auch die bezogene Bevorschussung von 15 000 schien ihm dazu ungeeignet. Also gab Fürst erneut eine Auszahlung an sich selber in Auftrag und pappte gleich noch über zweitausend Franken obendrauf für seine damit verbundenen Aufwendungen. Allerdings musste er ein paar Tage später dem Makler gestehen, dass es ihm vorläufig nicht möglich sei, die Rechnung zu begleichen, da ihm untersagt wurde, weitere Zahlungen auszulösen. Der Fall ist hängig …

Investieren Sie doch in den Mitmenschen, solange er quicklebendig ist

Hier nun mein Appell an Sie, liebe LeserInnen: Falls Sie Kinder gezeugt und nach bestem Gewissen fein erzogen haben, sodass diese lebenstüchtig, nicht kriminell und im Besitz ihrer geistigen Gesundheit sind, dann regeln Sie Ihren Nachlass VOR grosser Krankheit und Tod mit ihnen. Suchen Sie nach einem Notar, der keine Bestrebungen zeigt, seinen Namen in den Erbvertrag einzubringen. Die anderen wollen vor allem Rechnungen schreiben und sich nachhaltig in alles hineinschrauben, was Sie sich im Leben aufgebaut und erschuftet haben.

Wenn wir schon dabei sind … Investieren Sie doch in den Mitmenschen, solange er quicklebendig ist. Geniessen Sie die Beisammenzeit. Verschenken Sie grosszügig offene Ohren und aufmerksame Blicke. Wenn der Mensch gestorben ist, ist er fort. Dann müssen wir Gebliebenen schauen, wie wir uns verabschieden und das Leben ohne ihn fortführen können. Eine sensible Angelegenheit. Für mich sind das private und intime Momente, und zu viel Brimborium ist mir ein Graus. Ich neige zur Vermutung, dass ein Verstorbener von teuren Designersärgen/-urnen und dem spendablen Trauermahl gar nichts mitkriegt. Und wenn doch, dann schwebt er in höheren Sphären und hat den irdischen Kram längst hinter sich gelassen.

Den ersten Teil der Kolumne finden Sie hier.

 
Von Chris von Rohr am 27. August 2018 - 17:33 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 12:07 Uhr