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Check-up

Aktiv aus dem Burnout

Vor ihrem Zusammenbruch gönnte sich Stephanie Gredig keine Pause. Sie erkranke sicher nie an einem Burnout, dachte die 26-Jährige. Bis eines Morgens einfach nichts mehr ging. Die richtige Therapie und Sport halfen ihr aus dem Teufelskreis.  

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Aktiv aus dem Burnout

Kraftort Stephanie Gredig, 26, braucht täglich Bewegung – beim Laufen kann sie ihre Gedanken ordnen (im Hintergrund die Kirche St. Cassian in Sils i. D.) 

Andy Mettler

Sie sitzt auf dem Boden ihres Schlafzimmers, weint und weint und weint. Sie kann nicht mehr aufstehen, nichts mehr denken, ihre ganze Kraft ist auf einmal verschwunden. «Am liebsten hätte ich in diesem Moment aufgehört zu leben», sagt Stephanie Gredig aus Sils i. D. GR. Die gelernte Krankenschwester und Personal Trainerin kennt die Symptome, alles deutet auf ein Burnout hin. «Bis dahin habe ich alle Warnzeichen einfach ignoriert.»

«Burnout ist keine medizinisch fundierte Diagnose», erklärt Prof. Katja Cattapan vom Sanatorium Kilchberg. «Was aber immer damit in Verbindung steht, ist Erschöpfung in Zusammenhang mit chronischem Leistungsdruck.» Vor allem Perfektionisten leiden unter dieser Kombination. Schätzungsweise sind etwa zehn Prozent aller Arbeitnehmer, welche in Risikoberufsgruppen (zum Beispiel Lehrer, Ärzte, Kranken- und Altenpfleger und Personen aus der IT) arbeiten, von einem Burnout betroffen.

Stephanie Gredig gehört vor ihrem Zusammenbruch zur Risikogruppe: Sie arbeitet für die Spitex, leitet ihr eigenes Fitnessstudio, betreibt intensiv Bodybuilding und ist eine Perfektionistin. Sie fängt um sieben Uhr mit der Arbeit an, gibt nach Feierabend Lektionen in ihrem Fitnessstudio und trainiert täglich bis zu zwei Stunden im Kraftraum. «Um elf Uhr abends kam ich jeweils nach Hause. Sieben Tage die Woche.» Ein paar ihrer Arbeitskollegen warnen sie, dass das Pensum zu gross sei. «Ich sagte allen, dass ich das locker wegstecke und es mir schliesslich Spass mache.»

Ihre grösser werdende Erschöpfung versteckt Stephanie Gredig gekonnt. Je kraftloser sie wird, desto härter trainiert sie. «Beim Bodybuilding muss man sehr diszipliniert sein. Man lebt nach einem bestimmten Plan. Die Mahlzeiten kann man nicht mehr geniessen, sie werden zur Pflicht. Alles war ein Muss!», sagt sie. Nur zu Hause lässt sie sich gehen, fährt wegen jeder Kleinigkeit aus der Haut. Der Mixer funktioniert nicht: Sie rastet aus. Der Freund hat seine Socken auf dem Boden liegen lassen: Sie macht ein Riesendrama. «Ich habe mich selber überhaupt nicht mehr gespürt.»

Am Tag des Zusammenbruchs sagt ihr der Freund: «Wenn du nicht sofort Hilfe holst, packe ich meine Sachen.» Beim Hausarzt verhärtet sich der Burnout-Verdacht. Zur genauen Abklärung bekommt sie eine Woche später einen Termin in der Burnout-Klinik Clinica Holistica Engiadina in Susch. Nach dem Gespräch mit der Psychologin wird ihr sofort ein Platz für eine stationäre Therapie angeboten. Die Krankenkasse will die Behandlung aber nicht bezahlen. «Ich war am Boden zerstört. Mein Zustand wurde immer schlimmer, ich konnte weder arbeiten noch trainieren.» Sie meldet sich beim Psychologischen Notfalldienst, erhält einen Termin und bekommt Antidepressiva verschieben. «Als ich die erste Pille einnahm, musste ich von der Küche in mein Schlafzimmer kriechen. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten.»

Als es immer schlimmer wird, weist sie sich selber in die Psychiatrische Akutstation der Klinik Waldhaus in Chur ein. Dort bekommt sie Medikamente zur Beruhigung und zur Stimmungsaufhellung. Nach drei Wochen wird sie auf die psychotherapeutische Station versetzt. Langsam erholt sich Stephanie Gredig von ihrer Erschöpfung. «Ich besuchte Therapien, lernte, mich zu entspannen, und arbeitete an meinem Zeitmanagement.» Zudem macht sie jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Sport, auch wenn es nur ein Spaziergang ist. «Das hielt ich nur dank meinem eisernen Willen durch», sagt sie heute. «Die Bewegung tat mir gut.»

Nach dem Klinikaufenthalt räumt Stephanie Gredig ihr Leben auf. Sie gibt ihr Fitnessstudio auf, schaltet beim Bodybuilding mehrere Gänge zurück und beginnt dafür zu reiten. «Etwas, das mir einfach nur Spass macht», sagt sie. Jeden Morgen nimmt sie sich 15 Minuten Zeit, um zu meditieren, oft auch im Gehen. In der Natur tankt sie Kraft. «Am Anfang war das Burnout für mich eine Schande, jetzt bin ich dankbar dafür. Ich lebe bewusster und höre auf meinen Körper, weiss, wann ich Ruhe brauche. Ich mache alles, damit ich das Burnout für immer hinter mir lassen kann.»

 
Von Lisa Merz am 14. Dezember 2017 - 14:45 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 13:06 Uhr