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Sexualität

Druck und Angst hemmen Erregung

Sex ist die intimste Form der Kommunikation. Nur haben wir verlernt, über Sex, über unsere Wünsche und unser Verlangen zu reden. Dafür herrscht Angst. Vor dem Versagen, vor Nähe und Intimität. Angst, nicht zu genügen. Tipps für besseren Sex.

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Sex war noch nie so allgegenwärtig. Noch nie gab es scheinbar so viel Offenheit. Und noch nie wurde Sex so stark mit Lifestyle und Leistungsdenken in Verbindung gebracht wie heute. Für jene, die nicht «mithalten» können, gibts Viagra & Co. Die blaue Pille hat dazu geführt, dass psychologische und zwischenmenschliche Hintergründe bei gestörtem Sexualleben immer mehr ausgeblendet werden und eine rein körperlich-organische Sichtweise die Oberhand gewinnt. Mit dem Patentablauf der Potenzpillen und dem damit verbundenen Preissturz wird sich die Entkoppelung der Sexualität von den Gefühlen womöglich noch verstärken, warnen führende Sexualmediziner.

Dr. Christoph Joseph Ahlers, klinischer Sexualpsychologe und Leiter der Praxis für Paarberatung und Sexualtherapie am Institut für Sexualpsychologie in Berlin sagt: «Viagra ist ein tolles Medikament, aber reine Symptombehandlung. Die Mehrzahl aller Viagra-Benutzer sind gesunde Männer unter 50. Und eben nicht die 60- und 70-jährigen Diabetiker. Viagra ist vor allem auch ein angstlösendes Medikament.»

Wie das? «Bei Erektionsstörungen geht es vor allem auch um Angst. Rein somatische Erklärungen greifen zu kurz», erklärt Ahlers. «Erregung ist das Ergebnis von Vertrauen und Entspannung. Beides ist nur möglich ohne Druck und Angst. Ohne den ständigen Gedanken im Hinterkopf, bestimmten Erwartungen und Leistungsanforderungen genügen zu müssen.» Beide, Mann und Frau, können sich gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes impotent machen. Das laufe ganz subtil über Befürchtungsäusserungen: «Ich weiss nicht, ob mir das reicht. Das bringt mir so nichts.» Auf diese Weise entstehe in sexueller Hinsicht eine selbsterfüllende Prophezeiung. «Ich stelle dich unter Bewährung und provoziere dadurch dein Versagen, das mir beweist, dass es nichts bringt», so Ahlers.
Ein weiterer Grund für Versagensängste sei Selbstunsicherheit, die zu der Vorstellung führen könne, Pornofilme «nachturnen» zu müssen.
«Ein solcher Partner ist Lichtjahre von sich und dem eigenen Erleben entfernt. Das tun Menschen, die aufgrund ihrer Verunsicherung nicht bei sich bleiben können, sondern sich ängstlich immerzu selbst beobachten: ‹Wie wirke ich? Wie sehe ich aus? Wie komme ich an?› Man kann sich aber nicht selber beobachten und gleichzeitig etwas erleben», erklärt Dr. Ahlers.

Ist diese Auffassung nicht veraltet, wo doch heute eine «Generation Porno» heranwächst, für die alles möglich und erlaubt ist? Ahlers: «Wenn Kinder und Jugendliche unbeschränkt Pornografie konsumieren, ist das ein weltweiter Feldversuch, dessen Ergebnis niemand absehen kann. Niemand weiss, was mit formbaren Gehirnen von jungen Menschen passiert, die unvorbereitet sexuelle Handlungen und Praktiken studieren, die viele Erwachsene weder selbst erlebt noch je gesehen haben. Es ist schwer vorstellbar, dass das keinen Einfluss auf die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat.»

Für Ahlers ist Sex mehr als blosses Generieren von Lust. «Sex ist vor allem auch Ausdruck unseres Bedürfnisses, im anderen aufzugehen. Sich im anderen erkennen ist nicht umsonst ein alttestamentarischer Begriff für Geschlechtsverkehr. Sex ist die intimste Form der Kommunikation, die uns Menschen zur Verfügung steht. Er dient vor allem auch der Erfüllung unserer Grundbedürfnisse nach Zugehörigkeit, Angenommenheit und Geborgenheit.»
Dem im Wege steht vor allem die Angst vor Zurückweisung, die Angst, nicht gut gefunden zu werden und nicht zu genügen und deshalb nicht anzukommen. Oder die Angst vor Intimität und Nähe, vor Verbindlichkeit und Bindung, vor Einlassung und Entblössung, vor Selbstverantwortung und Selbstoffenbarung, vor Abgabe und Hingabe und vor Kontrollverlust und Ekstase. Das sind alles wesentliche Punkte für das Verständnis von Sexualstörungen, die sich nicht mit einer Lustpille lösen lassen, wie das in einer Ausgabe der Illustrierten «Stern» suggeriert wurde. «Keine Pille kann Beziehungen retten.»

Ahlers: «Lust kann sich jeder selbst machen oder jemanden mieten, der sie einem macht. Das Einzige, das wir nicht alleine hinkriegen, ist das Gefühl, angenommen zu sein. Und deshalb tun wir uns auch noch heute als Liebende und Paare zusammen.» Nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass wir Menschen auf Bindung programmiert sind.» Und darum gehe es auch beim Sex, um Erlösung durch die Überwindung von Vereinzelung.

Fünf Punkte für ein erfülltes Sexualleben:

  • Echt sein.
  • Bei sich sein.
  • Sich selbst kennen.
  • Einander wahr-, ernst und annehmen.
  • Sagen, was man denkt, und tun, was man fühlt.
Von Dr. med. Samuel Stutz am 4. Juni 2014 - 15:28 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 17:21 Uhr