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Kopf-Nacken-Schmerzen

Martyrium ohne Ende

Seit 15 Jahren geht eine 40-jährige Patientin durch die Hölle. Sie leidet an chronischen Kopfschmerzen, Medikamente helfen ihr oft nicht mehr. Der Experte rät ihr dringendst, sich an ein Kompetenzzentrum für Schmerztherapie zu wenden. Denn ohne Diagnose ist keine effektive Therapie möglich.

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«Ich bin bald 40 Jahre alt, und seit 15 Jahren leide ich an chronischen Kopfschmerzen. Ich habe schon unzählige Ärzte und Schmerzzentren aufgesucht. Mein Hauptschmerz liegt im Nackenbereich. Manchmal aber strahlt es bis zur Stirn aus. Der Schmerz ist nicht jeden Tag gleich stark. Meistens komme ich sehr gut klar damit. Man gewöhnt sich daran, wenn es sein muss. Im Moment ist der Schmerz aber sehr heftig, und ich muss was dagegen machen, weil ich diesen heftigen Schmerz nicht sehr lange aushalte. Ich weiss nicht, was ich noch ausprobieren könnte. Medikamente geben mir keine Linderung. Wir haben Dutzende probiert.»

Das sagt Dr. Ulf Klostermann, Facharzt für Anästhesiologie und Interventionelle Schmerztherapie im Schmerz Zentrum Zofingen:

Sie berichten über eine komplexe Schmerzerkrankung. Damit stehen Sie nicht alleine da, denn in der Schweiz leiden 1,6 Millionen Patienten an chronischen Schmerzen, und das im Durchschnitt bereits seit über sieben Jahren. Etwa 350 000 haben sogar seit über 20 Jahren Schmerzen.

Auch in der Schmerztherapie gilt, dass ohne die richtige Diagnose keine effektive Therapie möglich ist. Es ist daher wichtig, dass Sie sich an ein Kompetenzzentrum für Schmerztherapie wenden. Die differenzierte und sorgfältige Abklärung der Ursachen steht nämlich an erster Stelle.

Für Ihre Symptome kommen verschiedene Ursachen infrage, von denen ich die zwei häufigsten ansprechen möchte: Ein Grund für Ihre täglichen Kopf- und Nackenschmerzen könnte ursprünglich eine Migräne sein. Die Migräne tritt üblicherweise nur mit einer Frequenz von fünf bis sieben Attacken pro Monat auf. Aktuell berichten Sie aber von täglichen Kopfschmerzen. Dies könnte durch die zu häufige Anwendung von Schmerzmitteln ausgelöst worden sein. Dadurch kann sich die Migräne zu einem täglichen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz entwickeln. Ein grosses Problem – besonders für Migränepatienten – ist die zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln. Hier gilt die Faustregel: die Einnahmen auf maximal zehn im Monat reduzieren. Das Risiko für einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz steigt rapide mit der Einnahme von Schmerzmitteln an, und Migränepatienten sind hier in besonderem Masse gefährdet. Die Patienten geraten in ein Abhängigkeitsverhältnis von den Schmerzmedikamenten und enden in einem Teufelskreis aus täglichen Kopfschmerzen mit täglicher Medikamenteneinnahme.

Falls eine solche Situation vorliegt, kann der Teufelskreis nur mit professioneller Hilfe durchbrochen werden. Die eingenommene Medikation muss komplett erfasst und ein alternatives Behandlungskonzept erarbeitet werden. Mit einer prophylaktischen Medikation gegen Migräne und unterstützenden Medikamenten kann der Entzug gelingen. Interventionelle Behandlungen wie beispielsweise wöchentliche Elektrostimulation der Nackennerven können den Entzug der Schmerzmittel sinnvoll unterstützen. Dabei werden feine Elektroden unter Ultraschall-Navigation unter die Nackenhaut geschoben, und für 30 Minuten wird eine sanfte Elektrostimulation der Nackennerven vorgenommen. Eine flankierende Verhaltenstherapie unterstützt die Behandlung und kann zusätzlich Entspannungsverfahren vermitteln. In besonders ausgeprägten Fällen kann ein stationärer Aufenthalt für einen erfolgreichen Entzug notwendig werden.

Sie als Patientin können die Therapie selber aktiv unterstützen durch regelmässigen Ausdauersport, durch einen regelmässigen Tagesrhythmus und durch das Erlernen von Entspannungsverfahren wie Muskelentspannung nach Jacobson oder autogenem Training.

Neben den Kopfschmerzen beschreiben Sie auch Schmerzen im Nacken. Migräneattacken beginnen häufig zuerst mit Nackenschmerzen, und erst später treten die klassischen, pulsierenden Schmerzen um das Auge und die Stirn herum auf.

Dies hängt damit zusammen, dass das Nervenzentrum für den Migräneschmerz im Trigeminuskern lokalisiert ist. Dieser ist wiederum mit den oberen Nerven in der Halswirbelsäule direkt verschaltet. Insofern ist der Beginn einer Migräneattacke mit Nackenschmerzen gut erklärbar und ein häufig zu beobachtendes Phänomen.

Aber auch eine andere Ursache Ihrer ständigen Kopf- und Nackenschmerzen ist möglich: Eine Migräne kann durch Schmerzen aus der Halswirbelsäule getriggert werden, oder die Kopfschmerzen entspringen sogar direkt aus der Halswirbelsäule. Wir sprechen von einem cervicogenen Kopfschmerz. An einem kompetenten Schmerzzentrum kann man mittels einer sorgfältigen klinischen Untersuchung der Halswirbelsäule diesem Verdacht nachgehen. Dazu gehört die körperliche Untersuchung und gegebenenfalls eine MRI-Diagnostik. Letztlich Klärung bringen aber nur gezielte Infiltrationen, die heute sicher unter Röntgenkontrolle erfolgen und die Diagnose eines cervicogenen Kopfschmerzes eindeutig sichern können.

Ist die Halswirbelsäule als Verursacher der Kopfschmerzattacken identifiziert, können gezielte Behandlungen mittels Infiltrationen eine signifikante Reduktion der Kopf- und Nackenschmerzen bewirken. Der grosse Vorteil dieser Methode ist, dass sie ganz ohne regelmässige Einnahme von Medikamenten auskommt.

Sehr häufig finden wir bei Patienten mit einer derart langen Leidensgeschichte intensive muskuläre Verspannungen im Nacken-/Schultergürtel. Wir sprechen von muskulären Triggerpunkten, die mit Physiotherapie und Muskelaufbau behandelt werden können. Eine neuere Möglichkeit ist die fokussierte Stosswellentherapie, eine Methode, die in spezialisierten Schmerzzentren angeboten wird. Sie sehen, dass die Ursache von derart langjährigen Kopf- und Nackenschmerzen sehr vielschichtig sein kann, was eine exakte Analyse erfordert. Dazu gibt es kompetente Schmerzspezialisten.

Mein prinzipieller Rat an Patienten mit Kopfschmerzen oder Schmerzen allgemein lautet: Warten Sie auf keinen Fall über einen so langen Zeitraum mit dem Besuch bei einem Spezialarzt zu, da jede Zeitverzögerung die gefürchtete Chronifizierung begünstigt. Dadurch wächst das Risiko, falsche Medikamente allzu häufig einzunehmen und so ein MedikamentenÜbergebrauchs-Kopfschmerz oder andere schwere Nebenwirkungen zu riskieren.

Patienten mit Migräne nehmen ihre Kopfschmerzen häufig nicht so wichtig. Ich empfehle aber, möglichst frühzeitig den Kontakt direkt mit dem Spezialarzt für Schmerz- oder Kopfschmerztherapie zu suchen, um alle Möglichkeiten der modernen Schmerztherapie von Anfang an zu nutzen. Die Migräne ist zwar eine Erbkrankheit – übrigens die am besten erforschte – und kann nicht komplett geheilt werden. Aber fast immer können heute die Anzahl und die Intensität der Schmerzattacken deutlich reduziert werden.

Von Dr. med. Samuel Stutz am 19. November 2015 - 20:22 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 15:41 Uhr