Seit 70 Jahren ist sie eine Ikone und eine der bekanntesten Marken der Schweiz: Betty Bossi, die Köchin der Nation. Der weisse Schriftzug auf roter Fläche ziert in Millionen von Haushalten die Umschläge von Kochbüchern, die Stapel an Zeitschriften. Ihren Namen kennen alle, ihre Rezepte ebenso. Doch wer steckt hinter der Figur Betty Bossi? Und wie wurde sie so erfolgreich?
Der Film «Hallo Betty» geht diesen Fragen nach. Die Handlung beginnt 1956, als die Lintas-Werbetexterin Emmi Creola-Maag (gespielt von Sarah Spale) den Auftrag bekommt, für die Speiseölfirma Astra in Steffisburg BE eine Werbekampagne zu entwickeln, die Speiseöle und Fette vermarktet.
Ikonische Fantasiefigur
«Keine einfache Aufgabe», sagte die Zürcherin später in einer SRF-Radiosendung zum 50-Jahr-Jubiläum von Betty Bossi. «Das war schwierig, weil man nicht in Fett reinbeisst und es probiert, wie man dies bei einer Schokolade macht.» Stattdessen müsse man sagen, dass die Speisen dank des Fettes besser würden. So entwickelte Creola-Maag die Idee, eine Hausfrau zu erfinden, welche ihre Leserinnen mit Tipps und klar formulierten und nachvollziehbaren Rezepten versorgt: Betty Bossi. Im Verlauf der Jahre entsteht eine ikonische Fantasiefigur, die den Hausfrauen als Freundin und Ratgeberin dient.

Sammeln, testen, weiterverbreiten: Im Film wird die «Testküche» im Keller der Agentur eingerichtet. Hausfrauen aus der ganzen Schweiz verraten Emmi Creola-Maag ihre Rezepte.
C-FILMS / Aliocha MerkerDie Idee für diesen Film entstand vor fünf Jahren, bei einem Mittagessen, als C-Films-Produzent und Mitinhaber Peter Reichenbach (70) mit seinen Mitarbeitern darüber diskutierte, was es braucht, damit ein Schweizer Film erfolgreich wird. «Sehr wichtig ist der Titel, wie beispielsweise: ‹Schellen-Ursli›, der keine Erklärung braucht. Das ist ein Brand, mit einer Figur, die in der Schweiz heiss und innig geliebt wird», sagt Reichenbach. «Es ist die halbe Miete, wenn das Publikum etwas Positives mit dem Filmtitel verbindet.»
Alle lieben Betty Bossi
Ein Mitarbeiter lässt daraufhin den Namen Betty Bossi fallen. «Ich wusste sofort: Das ist es! Jeder kennt die Figur Betty Bossi, alle lieben sie.» Er habe dann am selben Tag bei Betty Bossi angerufen und gefragt, ob so ein Projekt grundsätzlich möglich sei. Geld floss zur Umsetzung keines. «Wir arbeiten stets komplett unabhängig. Die einzige Abmachung war, dass nichts Rufschädigendes vorkommen darf.»

Diese Aufnahme stammt wohl aus der Anfangszeit von Betty Bossi. Emmi Creola-Maag erhielt die Möglichkeit, mit Unterstützung eines Kochs in einer Wohnung die Speisen zu kochen und zu testen.
PrivatIm Film stösst Creola-Maags Idee einer Ratgeberin für die Leserschaft zu Beginn nicht auf viel Zustimmung in ihrer Agentur. Die Idee dazu hatte Emmi Creola-Maag aus den USA, dort war zu jener Zeit eine an Hausfrauen gerichtete Zeitschrift namens «Betty Crocker» äusserst erfolgreich. Emmi Creola-Maag setzte sich durch und 1956 erschien die erste «Betty Bossi Post». Die Zeitung wurde in Lebensmittelgeschäften aufgelegt.
Spagat zwischen Haushalt und Arbeit
Nahdisnah eroberte Betty Bossi die Herzen der Schweizer Hausfrauen. Doch der Erfolg hatte auch seine Schattenseiten: Die immer grösser werdende Arbeitslast und der Spagat zwischen ihrem Beruf und ihrer Familie liessen Creola-Maag an ihre Grenzen kommen.

Immer weiter, immer im Trend: Emmi Creola-Maag 2003 mit Exemplaren der «Betty Bossi Post» aus der Zeit, als sie Chefredaktorin war. Das Bild stammt aus einem Porträt der NZZ. Die Erfinderin starb 2006 mit 94 Jahren.
NZZ-Photographen-Team«Meine Mutter hätte sich bestimmt gefreut darüber, dass ihre Lebensgeschichte verfilmt wird», sagt Ines Diacon (79) in ihrem Wohnzimmer. Sie hat vor sich Dutzende alte Betty Bossi Zeitungen ausgebreitet. «Sie war eine sehr bescheidene Frau und hat nie mit ihrem Erfolg angegeben.» Ines Diacon ist das Mittlere von drei Kindern von Emmi und Ernst Creola und hat mit ihrem Wissen und ihren Erzählungen über ihre Mutter Drehbuchautor André Küttel (56) unterstützt. Dieser hatte bereits das Drehbuch für den Schweizer Filmerfolg «Platzspitzbaby» verfasst, in welchem ebenfalls Sarah Spale die Hauptrolle spielt.
Dreimal haben sich die beiden bei Ines Diacon zu Hause getroffen und E-Mails ausgetauscht. «Der Film widerspiegelt nicht eins zu eins das Leben meiner Mutter. Es gibt auch einige fiktive Elemente und Figuren.» So sei zum Beispiel auch ihr Vater sehr fortschrittlich gewesen für diese Zeit und habe jeden Abend selbstverständlich den Abwasch erledigt. «Er hat meine Mutter unterstützt, wo er nur konnte.» Im Film wird die Beziehung aus dramaturgischen Gründen ein wenig zugespitzt.
Nach der Pensionierung ins Tessin
Nachdem beide pensioniert worden waren, verbrachte das Ehepaar viel Zeit im Tessin. Die beiden renovierten eigenhändig ihr Rustico. Für Drehbuchautor André Küttel war klar, dass die Beziehung zwischen Emmi und Ernst der emotionale Kernpunkt des Films sein sollte. «Ernst war eine sehr moderne Männerfigur.» Er habe aus Ines Diacons Erzählungen die wahre Liebe zwischen den beiden gespürt. «Es hat aber auch Streitereien gegeben, die ich im Film aufgegriffen habe.» Zudem sei es ihm wichtig gewesen zu zeigen, wie sehr sich Emmi Creola-Maag gegen ihre männlichen Arbeitskollegen zur Wehr setzen musste. «Sie war die Schöpferin von Betty Bossi. Aber wie dem oft so ist: Wenn ein Projekt Erfolg hat, hat es auf einmal viele Mütter – oder in diesem Falle Väter.»

Auftritte: Emmi Creola-Maag blieb bei öffentlichen Verpflichtungen laut ihrer Tochter jeweils gelassen. Auch die Kinder waren es sich gewöhnt, dass die Mutter oft als Betty Bossi angesprochen worden ist.
C-FILMS / Aliocha MerkerWas ihre Mutter manchmal belastet habe, sei die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewesen, sagt ihre Tochter. Dies obschon sie die Hilfe von einem Kindermädchen in Anspruch nehmen konnte. «Meine Mutter hatte mir einst gesagt, als ich längst erwachsen war, es sei das Schlimmste für sie gewesen, am Morgen früh das Haus zu verlassen, wenn eines von ihren Kindern krank war.» Doch gelitten hätten sie nie darunter. Für sie sei es normal gewesen, dass die Mutter beruflich viel unterwegs gewesen sei und von anderen Menschen oft als Betty Bossi angesprochen worden sei.
Sie erinnert sich, dass ihre Mutter nur wenige öffentliche Auftritte hatte – etwa 1967, als ihr bei einer Feier zum 100'000. Exemplar des ersten Kochbuchs «Kochen mit der Uhr» ein Preis verliehen wurde. Und natürlich sei ihre Mutter auch selbst in der Küche gestanden. «Sie war eine gute Köchin, die am liebsten währschafte Gerichte auftischte.»
Auch da hatte sie hohe Ansprüche an sich selbst. Wenn sie an einem Sonntag als Familie einen Ausflug machten, dann habe ihre Mutter nicht einfach nur Brote belegt. «Sie gab sich immer alle Mühe, bereitete Kartoffelsalat und panierte Plätzchen zu, die wir dann genüsslich verspeist haben. Das ist eine meiner liebsten Erinnerungen an meine Mutter.»
