Fast hätte Jeanne Fürst (62) ihrem Liebesglück eine Abfuhr erteilt. Am Vorabend ihres 60. Geburtstags vor zwei Jahren ist sie bei einer Freundin zum Znacht eingeladen. Da sie am nächsten Tag selbst Gastgebe-rin für über 40 Frauen sein wird, ist sie hin- und hergerissen, ob sie die Einladung kurzfristig absagen soll. «Das macht man nicht, dies verbietet mir meine gute Erziehung», sagt die TV-Ärztin. Bis 2012 moderierte sie fünf Jahre die Sendung «Gesundheit Sprechstunde» im Schweizer Fernsehen. Sie gründete ihre eigene Firma, und seither ist sie das Gesicht des wöchentlichen TV-Magazins «Gesundheitheute» auf SRF 1.
Dass an diesem Abend zudem noch Französisch gesprochen wird, vereinfacht die Sache nicht. Fürst lebte als Mädchen mit ihrer Familie an der Costa Brava, sie spricht besser Spanisch und Katalanisch. Und Louis (69) dem heute Jeannes Herz gehört, erweckte an der Tafel zudem bei ihr den Eindruck, dass eine der anderen Gäste dessen Frau ist.
Louis besitzt kein Auto, und da sein Zuhause und das von Jeanne auf gleichem Weg liegen, bietet sie an, ihn mitzunehmen. Punkt Mitternacht warten sie vor einer roten Ampel. Jeanne: «Mir schoss durch den Kopf, dass ich an meinem Geburi mit einem Fremden im Auto sitze, und ich fragte mich, ob ich ihn um ein Geburtstagsküsschen bitten darf.» Sie fragt. Er küsst. Jeanne ruft: «Ich habe einen runden Geburtstag!» Louis darauf: «Nein, nein – du musst mir dein Alter nicht verraten. In Frankreich verrät eine Dame ihr Alter nie!»
Louis, gebürtiger Pariser, lebt seit 2004 in der Schweiz, ist seit sechs Jahren eingebürgert. Er arbeitete für Roche und Actelion, präsidiert seit 2015 eine von ihm gegründete Stiftung, die sich für Kinder einsetzt. Louis meidet das Rampenlicht, möchte, bescheiden wie er ist, deshalb seinen Nachnamen nicht publik gemacht haben. Er ist geschieden, hat vier erwachsene Kinder, dazu sechs Enkelkinder zwischen drei und neun Jahren. Als Louis allen seine neue Frau vorstellt, ist diese «ziemlich aufgeregt». Jeanne, die kinderlos ist, sind Louis’ Enkel schnell ans Herz gewachsen, umgekehrt lieben sie Jeanne, backen mit ihr Kuchen oder bestaunen das TV-Studio, wo sie arbeitet. «Ich habe eine Familie dazugewonnen, das ist mein allergrösstes Geschenk.»
Nach Ampelstopp und Geburtstagskuss herrschte übrigens erst einmal Funkstille zwischen Jeanne und Louis. Er reiste für sechs Wochen nach Frankreich. «Ich bin eher schüchtern und telefoniere zudem nicht gern.» Die Initiative fürs Wiedersehen geht von Jeanne aus. «Ich schrieb ihm via Whatsapp, Louis antwortete, wir wechselten zuerst viele Nachrichten, und irgendwann telefonierten wir täglich stundenlang – beflügelt wie in jungen Jahren.»
Was sie aneinander besonders schätzen? «Louis’ erfrischenden Humor. Ich habe noch mit keinem Mann so viel gelacht wie mit ihm. Hinzu kommt seine liebevolle Art; wir verstehen uns ohne Worte. Er ist mein Seelenverwandter.» Fasziniert sei sie von Louis’ Wissen zu Kunst und Kultur, aber auch von seiner Sportlichkeit. Er ist begeisterter Velofahrer, erkundete während der Pandemie auf seinem Rennrad sämtliche 86 Gemeinden von Baselland.
Umgekehrt liebt Louis Jeannes unkomplizierte Art. «Sie ist charmant, sehr gepflegt, sozial und extrovertiert.» Dass sie sich mit seinen Kindern so gut verstehe, sei für ihn das grösste Glück. «Sie lieben Jeanne.» Seine Töchter führen den Vater im September zum Standesamt, sein Sohn ist Trauzeuge. Nach dem Jawort feiern sie mit vielen ihrer Freunde diesen besonderen Tag.
Für Jeanne, die bereits zwei Ehen hinter sich hat, kam der Heiratsantrag eher unerwartet. «Ich hatte mir das lange und gut überlegt; damit verbunden ist für mich persönlich eine Verpflichtung», betont Louis. «Als er mich fragte, ob ich seine Frau werden wolle, hat mich das sehr berührt. Ich habe mir immer gewünscht, mit einem Mann bis zu meinem Lebensende zusammen zu sein.» Dieser Mann sei für sie Louis. «Das Leben ist ein Lernweg. Wichtig ist, stets die positiven Dinge mitzunehmen und die schwierigen Dinge hinter sich zu lassen und davon zu lernen.»
Jeanne Fürst fühlt sich «im siebten Himmel». Die vergangenen zwei Jahre mit Louis an ihrer Seite seien für sie wie ein Traum. «Ich bin voller Energie, inspiriert und so ausgeglichen wie nie zuvor in meinem Leben. Das ist ein Geschenk!» Ob mit oder ohne Trauschein – dass sie mit Louis bis zu ihrem Lebensende zusammenbleiben wolle, habe sie sehr früh intensiv gespürt. «Ich schenke ihm mein Herz und er mir seines. Er ist mein Märchenprinz.»