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  4. Jann Billeter: Ex-SRF-Moderator über seine Hirnblutung und sein Image als Wunsch-Schwiegersohn

«Ich war am Boden und total hilflos»

Ex-SRF-Billeter denkt an seine dunkelsten Stunden zurück

Zwei Monate ist es her, seit Jann Billeter dem SRF den Rücken gekehrt hat. Nun zieht er eine erste Bilanz, sagt, weshalb er das Image als Wunsch-Schwiegersohn immer als positiv erachtet hat – und blickt zurück auf den Moment, als er am Boden war.

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Ex-SRF-Mann Jann Billeter

Hat bei MySports noch einmal neu angefangen: Jann Billeter.

imago images/Geisser

Nach den Olympischen Spielen war er weg. Nun ist Ex-SRF-Liebling Jann Billeter, 49, an seinen alten Arbeitsplatz zurückgekehrt, um bei seinem Kollegen Urs Gredig, 51, auf dessen Talk-Stuhl Platz zu nehmen.

Zu erzählen hatte der Bündner eine Menge. Schliesslich verlässt man wohl nur einmal im Leben ein Unternehmen nach 24 Jahren – und das auch noch als absoluter Publikumsliebling. Doch Ende August hat Billeter seinen Badge vom Leutschenbach abgegeben. Bereits wenige Tage zuvor hatte er sich in einer rührenden Ansprache vom Publikum, seinem Team und allen Weggefährten verabschiedet – auf der ganz grossen Bühne. Denn mit den Olympischen Sommerspielen in Tokio ging auch Billeters Engagement vor der SRF-Kamera zu Ende. 

Auch mit etwas Distanz ist Billeter nach wie vor überzeugt von seiner Entscheidung, zu MySports zu wechseln. «Meine ganz grosse Passion ist halt das Hockey, mit dieser Sportart bin ich grossgeworden und aufgewachsen», erzählt er bei «Gredig direkt». An seiner neuen Arbeitsstätte ist er nun zu 100 Prozent für den Eishockey zuständig. «Was man sich als Journalist auch wünscht, ist Vertiefung. Drin zu sein in einer Sportart, in einer Szene, wo man alles weiss, sich total auskennt. Das hat mich zu MySports, dem Hockeysender, gezogen, dass ich jeden Tag über Hockey reden kann und mich voll damit beschäftigen kann.»

«Probleme, die man anschauen muss»

Besonders schmerzhaft ist der Abgang von Billeter für die langjährigen SRF-Zuschauenden. Die haben den Bündner im vergangenen Vierteljahrhundert ins Herz geschlossen und ihn in ihre Stuben gelassen. Er ist zu einem der Aushängeschilder des Schweizer Sportjournalismus avanciert – und hat nun wie seine Kollegen Stefan Bürer, 57, und zuvor Steffi Buchli 43, und Matthias Hüppi, 63, den Leutschenbach verlassen.

Dass vor und mit ihm gleich mehrere Moderatorinnen und Moderatoren gegangen sind, ist auch Billeter aufgefallen. Er spricht offen darüber, dass es «da und dort mal einen Bruch, Probleme gibt, die man anschauen muss», wie er sagt. «Ich will nicht sagen, dass alles super ist in dem Haus und auch bei der Sportredaktion alles perfekt läuft. Es sind ein paar Sachen, die man angehen muss innerhalb der Sportredaktion. Die Probleme kennt man dort auch, die habe ich auch angesprochen, aber ich bin jetzt keiner, der das öffentlich kommentieren muss.» 

Sachlich und verständnisvoll spricht Billeter darüber, dass mit der Digitalisierung viele Aufgaben hinzugekommen sind. «Heute wird über alles live berichtet», sagt er. «Und das mit weniger Mitteln, weniger Leuten. Das ist schwierig, das unter einen Hut zu kriegen, weil man ja doch alles anbieten möchte.» Aber man müsse auch schauen, dass man die Leute nicht überlaste. «Darum ist wichtig, dass man sagt, dass man wieder Mensch vor Zahl nehmen muss als Wert, damit das gut kommt.» 

Image macht ihm nichts aus

Mit Billeters Abgang musste sich das Publikum von einem absoluten Liebling verabschieden. Zu dem ist er auch geworden, weil er – wie Gredig anmerkt – einer der «nettesten, freundlichsten und ruhigsten» Menschen sei, die er kenne. Das hat ihm früh das Image als Wunsch-Schwiegersohn eingehandelt – womit Billeter gut leben kann. «Gewisse finden das ja nicht lustig», sagt er mit einem Schmunzeln. «Mir passt es.» 

Als Junger sei er wilder gewesen, mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Aufgewachsen in den Bündner Bergen, habe er «nicht immer so einen breiten Horizont» gehabt. «Ich habe viel erlebt, viel gesehen, in viele Sportarten reinschauen dürfen. Und ich muss sagen: Ich wäre heute auch gar nicht mehr der Hockeyspieler.» Sich harte Kämpfe auf dem Eis zu liefern, einzustecken, auszuteilen – «der Typ wäre ich gar nicht mehr. Ich könnte das heute nicht mehr», sagt Billeter. «Das ist vielleicht, was das Leben aus mir gemacht hat. Für mich ist es so gekommen, wie es jetzt gekommen ist.» 

Hirnblutung zerstörte Karriere

Der Davoser selbst nämlich war einst selber auf dem Weg dazu, die Schweizer Liga als Eishockey-Profi zu erobern. Bis in die Nationalliga B schaffte er es – dann war plötzlich alles anders. Er erhielt die Diagnose Minimal Change Disease – eine Krankheit, bei der die Niere eine Fehlfunktion hat und Eiweiss verliert. Wenn man viel Protein verliere, erklärt Billeter, «bleibt das Wasser im Körper zurück und es schwemmt einen richtig auf». Unter dem Mikroskop sehe man nur eine minimale Veränderung, wodurch die Krankheit zu ihrem Namen kam. «Aber die Auswirkungen waren dann dafür maximal. Diese Krankheit hat mich gestoppt und gebremst und mein Leben in eine ganz andere Richtung gelenkt.» 

Denn die gesundheitlichen Probleme nehmen bei ihm stetig zu – bis Billeter mit 23 Jahren sechs Wochen lang im Spital liegt. Diagnose: Hirnblutung. «Ich war am Boden. Total hilflos, ich wusste wirklich nicht mehr, was mit mir passieren wird», gibt er unumwunden zu. Zu Beginn der Krankheit habe er gedacht: «Das kommt jetzt halt einmal, ich bin ja sonst gesund und fit und mir kann eh nichts passieren.» Doch dann kam der erste Rückschlag. Dann folgte der zweite. Der dritte. «Bis es zu den Problemen mit der Blutgerinnung kam.» Vier Jahre nach dem ersten Vorfall erst akzeptiert der Sportreporter: «Ich habe jetzt eine Krankheit. Das ist jetzt ein Teil meines Lebens. Und ich muss jetzt damit irgendwie umgehen können.» 

Jann Billeter

Langjähriges SRF-Gspänli: Billeter bei den Alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Bormio 2005.

Imago

Zu diesem Zeitpunkt – Billeter liegt wenig später auf der Intensivstation des Universitätsspitals Zürich – geben ihm die Ärzte eine Überlebenschance von 20 Prozent. «Ich konnte gar nicht mehr positiv sein, nicht irgendetwas hätte mich motivieren können. Ich habe einfach immer gedacht: ‹Warum ich und was passiert da mit mir genau?›» Doch auf dem Weg zum Helikopter, der ihn von Winterthur nach Zürich bringen soll, erlebt er einen Moment des Erwachens. «Da war ich zum ersten Mal seit Wochen wieder draussen, an der Sonne, es war Sommer, Juli. Da habe ich gemerkt: Hey, es ist eigentlich noch ein schöner Tag. Wann habe ich das eigentlich zum letzten Mal gedacht?» 

Auf der Intensivstation findet Billeter zurück zum positiven Denken. Und irgendwann stoppt die Blutung. «Ich weiss nicht, was es war», erzählt er rückblickend. «Ich mag mich einfach noch an den Moment erinnern, in dem ich dachte: Wow, wie die sich um mich kümmern – vielleicht war es einfach das.» 

Dankbar für die kleinen Dinge

Die Erlebnisse aus seinen frühen Zwanzigern prägen Billeter bis heute stark. Er denkt oft an besondere Situationen aus dieser Zeit zurück. «Einer der schönsten Momente in meinem Leben war im Spital, als ich mich zum ersten Mal nach sechs Wochen im Bett aufrichten durfte und dort Mittag essen durfte. Ich sass ganz alleine mit 23 in diesem Spitalbett, habe meinen Spitalzmittag gegessen, und es war einer der schönsten Momente meines Lebens», erzählt er. «Mir hat nichts gefehlt in diesem Moment, ich war total glücklich. Das werde ich nie vergessen.» Ein andermal spazierte er im gleichen Alter beim Kuren in Davos «im Tempo eines Seniors» – und «ich habe mich super gefühlt, es war einfach perfekt».

Heute gehe es ihm super, sagt Billeter. Zehn Jahre lang musste er jeden Tag Medikamente nehmen, litt unter epileptischen Anfällen. «Aber ich habe das alles gut überstehen können.» 

«Ich war am Boden. Total hilflos, ich wusste wirklich nicht mehr, was mit mir passieren wird»

Jann Billeter

Die Erinnerungen aber bleiben ein Leben lang – und holen Billeter im Stress auf den Boden zurück. In diesen Momenten denkt er an die Situationen in der Vergangenheit, an die kleinen Dinge zurück, die in ihm so viel ausgelöst haben. «Das Leben ist schön, man braucht so wenig», rufe er sich jeweils in Erinnerung. «Denk immer zurück an das, was damals war. Dann geht es dir jeden Tag gut.»

Auch dadurch sei er heute «einfach freundlich» und ärgere sich nicht mehr. Denn die Chance auf ein zweites Leben, die er erhalten hat, will er nutzen – und ist unendlich dankbar dafür. «Ich bin so glücklich, bin ich heute hier ohne Nachwirkungen, und dass ich alles machen konnte in meinem Leben, was ich mir gewünscht habe.» 

Von rhi am 29. Oktober 2021 - 12:25 Uhr