Er weiss gar nicht mehr, was er beim zigten Interview noch anderes sagen soll. «Ich bin überglücklich, ich habe die Silbermedaille», wiederholt Skicrosser Marc Bischofberger mehrmals strahlend. Als müsse er es selber noch ein paarmal hören, bis er es wirklich glaubt.
Der 27-Jährige aus Oberegg AI, den alle «Bischi» nennen, muss sich vergangenen Mittwoch im Final dem Kanadier Brady Leman geschlagen geben. Es ist ihm im Ziel egal. Auch als Gesamtweltcup-Führender jubelt er mit seinem Fanclub Biski Fanatics ausgelassen über Silber! Dabei sind die Voraussetzungen bis kurz vor dem Start schlecht: Am Vortag stürzt er im Training schwer, Rückenschmerzen sind die Folge. «Ich fühlte mich um 20 Jahre gealtert!» Er telefoniert mit Freundin Isabella, die ihn ermutigt, aber auch fordert, «reiss dich zusammen!», wie er mit einem Grinsen erzählt.
Die Ski-Liebe wird ihm in die Wiege gelegt. Sein Grossvater war Mitinitiant des Skiliftbaus in Oberegg, der Vater in den 80ern Europacup-Fahrer, und Tante Annemarie nahm als Skifahrerin 1980 an Olympia in Lake Placid teil. Er selber steht zweijährig erstmals auf den Ski. Vater Beni erinnert sich: «Wir haben früher stundenlang zusammen trainiert, im Wald hatten wir sogar ein kleines Kondi-Hüttli mit einer Slackline. Der Spass stand immer im Vordergrund.»
2010 wird Bischofbergers Alpin-Karriere abrupt von einem Kreuzbandriss und den OP-Komplikationen beendet. Ein Nerv ist eingeklemmt, und das Gefühl im Unterschenkel und im Fuss ist zwei Jahre lang beeinträchtigt. Er schliesst in dieser Zeit die Polymechaniker-Lehre ab und entdeckt später den Skicross. 2015 feiert er den ersten Weltcupsieg. Im Sommer 2017 lässt er sich vom Arbeitgeber bis Ende Saison freistellen, um sich ganz auf Olympia zu konzentrieren. Die Rechnung geht auf. Bischofberger ist nun der zweite Innerrhödler Winter-Olympionike – und erste Medaillen-Gewinner des Halbkantons.
Mit Bischofbergers Silber werden Erinnerungen an Mike Schmids Olympiasieg von 2010 wach. Parallelen zu Schmid, der als Co-Trainer zu dieser Medaille beiträgt, sind offensichtlich. Auch Schmid geht damals als Weltcupleader an den Start. Charakterlich seien sich die zwei ebenfalls ähnlich, wie Cheftrainer Ralph Pfäffli erzählt: «Beide sind locker und unbeschwert und lassen sich nicht mal an Olympia aus der Ruhe bringen.» Dafür zittert Freundin Isabella, mit der Marc in Marbach SG, unterhalb von Obergegg, wohnt: «Ich war sicher nervöser als er selber.»
Seine Lockerheit soll nicht über seinen Kampfgeist hinwegtäuschen. «Er ist sehr ehrgeizig und gibt immer Vollgas», sagt die Freundin. Einen Gladiator, der nie aufgibt, nennt ihn Pfäffli. «Eine Rennsau, aber eine faire», sagt Raphael, Kumpel und Präsident des Fanclubs. Das zeigen auch die Reaktionen der Teamkollegen: Armin Niederer, der Fünfter wird, schreit in die TV-Kamera «Go, Bischi!». Der spricht nach dem Erfolg lieber über das Team als über sich. «Ohne den ganzen Staff und die Kollegen hätte ich das nie erreicht. Wir pushen uns, treiben uns an.»
Nun wird er wohl für kurze Zeit aufs Team verzichten müssen. Der Erfolg dürfte den Saisonplan über den Haufen werfen. Abgemacht war: Wer eine Medaille gewinnt, darf kurz heimfliegen statt direkt an den nächsten Weltcup. Seinen Teil des Deals hat «Bischi» eingelöst. Das grosse Fest in der Appenzeller Heimat wartet.