Die Wechseljahre, sagt mir TikTok derzeit regelmässig, sind etwas ganz Tolles. Ein Wechsel, wie der Name schon sagt. Ein Wandel. Da kommt etwas ganz Neues auf mich zu. Etwas Grossartiges. Der Lebensabschnitt nämlich, in dem ich befreit bin, von Konventionen, von Perfektionismus, vom Gefühl, zu müssen statt zu dürfen. Und ja, mittlerweile bin ich gewillt, das glauben. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken: Bevor Neues entstehen kann, muss man sich von Altem verabschieden. Das tut weh. Und geht nicht von heute auf morgen. Ich bin in der Trauerphase. Und habe beschlossen, dies zu akzeptieren und der Trauer Raum zu geben.
Ich trauere um den Körper, den ich hatte. Nicht nur um den schlanken Körper, sondern vor allem um den funktionierenden, schmerzfreien Körper. Um den Körper, der morgens aufwachte, ohne sich zu fühlen, als hätte ich die ganze Nacht gesoffen, obwohl ich keinen Tropfen Alkohol hatte. Um die Füsse, die jeden Schuh dieser Welt tragen konnten, ohne danach tagelang kaum laufen zu können. Um die Knie und die Hüften, die nicht aus dem Nichts heraus schmerzten. Um die Brüste, für die sich nicht jeder BH anfühlt wie ein Gefängnis. Um den regelmässigen Zyklus, der mich nicht mit plötzlichen starken und manchmal wochenlangen Blutungen überrascht. Um die Augen, die eine Speisekarte lesen konnten, ohne sie auf Armlänge von mir wegzuhalten, und dann auch alles mitbekamen, was da drauf steht.
«Ich trauere um das Hirn, das sich drei Dinge merken konnte, ohne dass ich sie auf eine Einkaufsliste schreiben musste»
Ich trauere um das Hirn, das ich hatte. Um das Hirn, das mich nicht regelmässig meine Bus- und Zug-Haltestellen verpassen lässt. Um das Hirn, das mich nicht an irgend einer zufälligen Ausfahrt die Autobahn verlassen lässt, ohne mir sagen zu können, warum. Um das Hirn, das sich drei Dinge merken konnte, ohne dass ich sie auf eine Einkaufsliste schreiben musste. Und mich nicht statt mit Eiern, Brot und Salat mit Broccoli, Shampoo und Abfallsäcken nach Hause kommen liess (wobei letztere ein Grund sind, stolz zu sein, ich vergesse sie nämlich jedes Mal, wenn ich sie wirklich brauche). Um das Hirn, das jederzeit wusste, wer wann wo warum ist und ich nicht auf das siebte Mal nachfragen nur noch genervtes Augenrollen und lautes Seufzen als Antwort bekam.
Ich trauere um die emotionale Stabilität die ich hatte. Um die Zeiten, in denen es einen Grund gab für Trauer, Wut oder Niedergeschlagenheit, und mich diese Gefühle nicht regelmässig wie aus dem Nichts überfielen. Um die Tage, in denen ich wenigstens wusste, warum, wenn ich mit einem Betonklotz im Magen herumlief. Um die Zeit, als nicht eine kaputte Kaffeemaschine am Morgen reichte, um mir den ganzen Tag zu versauen. Um die Tage, als ich nicht regelmässig liebe Menschen angiftete, absolut grundlos, und zwar merke, dass ich mich total bitchig verhalte, aber nichts dagegen tun kann.
Ich trauere um die Optionen, die ich hatte. Um die Punkte im Leben, an denen alles – oder zumindest vieles – möglich war. An denen ich noch nicht so viele Entscheidungen gefällt hatte. Und mir eingestehen musste, dass einige von diesen Entscheidungen irgendwas zwischen nicht so gut und komplett hirnverbrannt waren. Ich weiss, dass Trauer nicht ewig dauert. Dass danach tatsächlich Neues kommt. Ich bin gespannt darauf.