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Der ganz normale Wahnsinn

Diese zwei Dinge wünsche ich meinen Kindern fürs Neue Jahr

Wir schauten wohl selten mit so viel Pessimismus einem neuen Jahr entgegen wie jetzt. 2021 war anstrengend, gerade auch für Jugendliche, ein Ende der Pandemie ist kaum in Sicht. Unsere Familienbloggerin wünscht ihren beiden Teenagern vor allem zwei Dinge: Gelassenheit und Dankbarkeit. Ein Brief.

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Sandra Casalini Blog der ganz normale Wahnsinn

Man kann sich den Sozialen Medien nicht entziehen - aber man kann ihren Inhalt relativeren, sagt unsere Familienbloggerin. 

Lucia Hunziker

Meine Liebsten,

zuerst will ich euch sagen, dass ich finde, ihr habt euch wirklich toll durch dieses seltsame Jahr geschlagen. Anders als viele Erwachsene habt ihr immer versucht, das beste aus der Situation zu machen. Man sagt ja, dass dumme Leute in Krisensituationen Schuldige suchen, gescheite suchen Lösungen. In diesem Sinne wart und seid ihr einiges cleverer als sehr, sehr viele Erwachsene. Ihr habt aus den mühsamen Masken Mode-Accessoires gemacht. Ihr habt euch die Tickets verschobener Konzerte und Veranstaltungen an die Wand gepinnt - nicht um euch täglich vor Augen zu halten, was euch entgangen ist, sondern um euch auf das zu freuen, was hoffentlich noch kommt. Ihr habt euch im Freundeskreis nie über Sinn oder Unsinn von Impfen gestritten, sondern immer nach Möglichkeiten gesucht, die für alle gepasst haben.

Verlorengegangene Spontaneität und Intimität

Aber das Jahr hat auch euch müde gemacht. Die doppelt und dreifach so schwierige Lehrstellensuche, Veranstaltungen oder Klassenlager, die, wenn überhaupt, nur unter einer gefühlten Million Bedingungen stattfinden konnten. Überhaupt ist das Leben kompliziert geworden. Testen, Masken, Abstand - so viel Spontaneität, so viel Intimität ging verloren, in einer Zeit, in der ihr gerade das so dringend brauchen würdet.

«Auch Scheisse geht vorbei. Haltet euch deshalb immer vor Augen: Keine Lehrstellensuche, kein Liebeskummer, kein Prüfungsstress der Welt dauert ewig. Und auch keine Pandemie.»

Ich würde euch gern sagen, das Neue Jahr wird ganz anders. Ich würde euch gern sagen, ihr könnt wieder feiern, reisen, einander unbesorgt umarmen, ins Gesicht schauen. Ich würde euch gern sagen, ihr könnt wieder atmen, leben. Leider sieht es zumindest vorerst nicht danach aus. Ich wünsche euch deshalb Gelassenheit.

Alles ist temporär

Ihr seid in einem Alter, in dem ihr noch nicht so oft die Erfahrung gemacht habt, dass Dinge vorbeigehen. Alles ist temporär. Und das ist gut so. Es verleiht allem seinen Wert. Schönes geht vorbei. Geniesst es, denn im Nachhinein könnt ihr das nicht mehr. Geniesst den Kinoabend mit euren Freunden, die Freude über die neuen Sneakers, diesen sauteuren Döner vom Super-Duper-Dönerladen. Auch Scheisse geht vorbei. Haltet euch deshalb immer vor Augen: Keine Lehrstellensuche, kein Liebeskummer, kein Prüfungsstress der Welt dauert ewig. Und auch keine Pandemie.

«Im Englischen gibt es den Term «Count your blessings». Er bedeutet sinngemäss: Konzentriere dich auf das, was du hast und nicht auf das, was du nicht hast. Das ist in einer Zeit, in der alle - und nicht nur eure Generation - ihr super Leben auf den Sozialen Medien zur Schau stellen nicht immer einfach.»

Und ich wünsche euch Dankbarkeit. Nicht mir gegenüber - Eltern, die Dankbarkeit wollen, sollten sich Hunde zutun, keine Kinder. Vielleicht ist Dankbarkeit das falsche Wort. Vielleicht ist es eher Zufriedenheit. Aber auch das trifft es nicht richtig. Im Englischen gibt es den Term «Count your blessings». Er bedeutet sinngemäss: Konzentriere dich auf das, was du hast und nicht auf das, was du nicht hast. Das ist in einer Zeit, in der alle - und nicht nur eure Generation - ihr super Leben, ihren super Body, ihre super Familie, ihre super Beziehung und ihr super Wasauchimmer auf den Sozialen Medien zur Schau stellen nicht immer einfach. Und die Pandemie hat Neid und Egoismus, bis hin zu offenem Hass noch verstärkt, on- und offline.

Nehmt die schönen Momente wahr und geniesst sie!

Man kann sich dem nicht ganz entziehen, aber man kann es für sich selbst relativieren. Ich habe dem Scrollen durch Social-Media-Profilen für mich einen neuen Namen verpasst: «Looking at the bullshit of other people’s wellness» (eine Songzeile von Pink). Ich scrolle mich durch den Bullshit von zur Schau gestelltem Superleben (was ich ja auch selbst ab und zu poste) - und sehe zwar, dass ich weder Strandferien, noch ein Chalet in den verschneiten Bergen, eine Villa mit Pool oder einen Ferrari habe. Ich habe Leute, denen ich auch ohne all das etwas bedeute. Ich habe euch. Und ich würde um nichts in der Welt tauschen wollen.

Also haltet durch. Nehmt die schönen Momente wahr und geniesst sie. Es wird sie auch im Neuen Jahr geben. Und noch etwas: es gibt kein einziges Problem auf der Welt, das man nicht lösen kann. Auch wenns manchmal ein bisschen länger dauert.

Ich wünsche euch das beste 2022, das ihr haben könnt!

Eure Mama

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 1. Januar 2022 - 17:05 Uhr