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Der ganz normale Wahnsinn

Covid-Restriktionen (über)fordern Kids und Eltern

Das Sorgentelefon von Pro Juventute steht nicht mehr still, die Zahl der Notfälle in Kinder- und Jugendpsychiatrien haben sich zum Teil verdoppelt. Psychisch treffen die Folgen der Pandemie die Jugend hart. Aber auch für ihre Eltern ist die Situation je länger je unangenehmer, weiss unsere Familienbloggerin.

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Sandra Casalini Blog der ganz normale Wahnsinn

Fernunterricht, soziale Kontakte am Handy, Regeln, die gefühlt täglich ändern: Die momentane Situation stresst nicht nur Teenager, sondern auch ihre Eltern. 

Lucia Hunziker

Ja, ich weiss. Wir jammern auf hohem Niveau. Wir in der Schweiz im Allgemeinen, und wir, die wir noch Jobs und volle Kühlschränke haben im Besonderen. Aber man muss es auch irgendwann mal laut sagen dürfen: es ist einfach Scheisse, dieses Rumgeiere zwischen Hoffnung und Enttäuschung, diese ständigen Hau-Rück-Übungen, bei denen kein Schwein mehr drauskommt, was jetzt eigentlich gilt, und es im Prinzip auch voll egal ist, weils morgen sowieso wieder anders ist.

Für Jugendiche ist ein Jahr eine Ewigkeit!

Wissen Sie, Herr Parmelin, Ihr «Haltet durch»-Appell in die Kids war sicher gut gemeint. Aber eben – gut gemeint ist ja bekanntlich das Gegenteil von gut. Erinnern Sie sich an Ihre Jugend? An das Gefühl, alle Möglichkeiten der Welt zu haben, auch wenn man sie selten nutzen konnte – sei es wegen fehlendem Geld oder den blöden Eltern? Aber vor allem: erinnern Sie sich, dass Zeit sich ganz anders anfühlte? Tage und Wochen waren endlos – ein Jahr eine Ewigkeit!

«Die Welt meiner Kinder ist seit einem Jahr wirklich sehr, sehr klein. Und ich kann nur bewundern, wie gut sie sich schlagen. Zuweilen fast besser als ich. Denn ich muss zugeben: Langsam aber sicher bin ich überfordert.»

Als ich im Alter meines Sohnes war, entdeckte ich Partys, Jungs, war ständig unterwegs. Als ich im Alter meiner Tochter war, erlebte ich das grösste Abenteuer meines Lebens bei einem Austauschjahr in Australien. Die Welt meiner Kinder ist seit einem Jahr wirklich sehr, sehr klein. Und ich kann nur bewundern, wie gut sie sich schlagen. Zuweilen fast besser als ich.

Ich hab schon lange keine Ahnung mehr

Denn ich muss zugeben: Langsam aber sicher bin ich überfordert. Nicht dem-Zusammenbruch-nahe-überfordert. Eher ratlos-überfordert. Denn als Eltern sollte man ja eigentlich die sein, die immer eine Lösung parat haben. Oder zumindest einen Ansatz einer Lösung. Jetzt hab ich das Gefühl, ich hab schon lange keine Ahnung mehr.

«Halbklassenunterricht. Doch nicht Halbklassen, nach Jahrgang unterteilt. In der Woche drauf Fernunterricht. Und die Woche danach? Unsicher. Kommt auf den Bundesrat an und den Kanton. «Wir verzichten auf eine Planung», schreibt die Schule.»

Das fängt bei ganz kleinen Dingen an. Wir gönnen uns einen einzigen Tag in den Bergen, zum Durchschnaufen, und meinem Sohn passen tags zuvor die Skihosen nicht mehr. Und jetzt? Um online zu bestellen, ists zu spät, meine passen ihm auch nicht. Das arme Kind muss in Trainerhose auf die Piste. Ich weiss, ein Luxusproblem – aber ein Problem!!!

Am Schlimmsten ist die Langeweile

Dann die gefühlt täglichen Update-Mails von den Schulen. Freifächer fallen aus. Halbklassenunterricht. Doch nicht Halbklassen, nach Jahrgang unterteilt. In der Woche drauf Fernunterricht. Und die Woche danach? Unsicher. Kommt auf den Bundesrat an und den Kanton. «Wir verzichten auf eine Planung», schreibt die Schule. «Wisst ihr, wann ihr wo sein müsst?», frage ich die Kids. Sie glauben, sie wissen es – aber sicher sind sie nicht.

«Es tut mir im Herzen weh, wenn ich meinen 14-Jährigen sehe, der sich jetzt schon um seine Zukunft sorgt, statt einfach seine Jugend zu geniessen.»

Und dann kommt das, was mir am meisten Sorgen macht. Die Langeweile. Nicht mal unbedingt ihre eigene. Aber die der anderen. Freunde und Schulkollegen, die vorher in ihren Sportclubs trainierten oder sich am Mittwochnachmittag auf dem Eisfeld trafen (das ist zwar offen, aber welcher Jugendliche hat schon Bock, ohne Körperkontakt Schlittschuh zu laufen, und sich ständig anschnauzen zu lassen, weil man sich nicht an Regeln hält), kommen plötzlich auf ganz blöde Ideen und haben Ärger mit der Polizei.

 

Repekt vor der Lehrstellensuche

Es wäre schon, wenn der Zirkus halbwegs vorbei wäre, bevor eines meiner Kinder in irgendwas richtig Dummes reinschlittert. Bei meinem Sohn fängt langsam die Lehrstellensuche an. Die ist schon so nicht ganz einfach. In Zeiten von Corona oder auch Corona-Nachwehen wird’s noch schwieriger. Es tut mir im Herzen weh, wenn ich meinen 14-Jährigen sehe, der sich jetzt schon um seine Zukunft sorgt, statt einfach seine Jugend zu geniessen. Ich hoffe, dass wir die einzige Generation bleiben, die ihren Kindern sagen: «Als wir in eurem Alter waren, hatten wir so viel mehr Freiheiten» satt «Als wir so alt waren wir ihr, konnten wir das alles nicht!»

Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.

 

 

 

 

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 27. Februar 2021 - 17:02 Uhr