Wer wie wir den lieben langen Tag auf einen Computerbildschirm glotzt, kennt das Problem wahrscheinlich: Die Augen jucken, brennen, werden müde. Aber auch abseits vom Schreibtisch ist man vor unangenehm trockenen Augen nicht sicher. Wir haben deswegen Dr. med. Richard Nagy vom Lux Augenzentrum in Opfikon angerufen und ihn mit folgenden Fragen gelöchert:
Style: Winter und Heizungsluft beiseite: Warum haben wir trockene Augen?
Dr. med. Richard Nagy: In 90% der Fälle sind die Beschwerden auf eine Verstopfung der Talgdrüsen im Unter- und Oberlid, die sogenannten Meibomdrüsen, zurückzuführen. Die produzieren ein Fett, das bei jedem Blinzelschlag ausgedrückt wird und dafür sorgt, dass der Tränenfilm nicht zu schnell verdunstet. Wenn die Ausgänge dieser Drüsen aber verhornen, bleibt das Fett stecken, verfestigt sich und kann nicht mehr austreten, um den Tränenfilm zu schützen.
Ist es denn Veranlagung, ob die Meibomdrüsen verstopfen oder nicht?
Es kann eine genetische Veranlagung sein, aber auch Umweltfaktoren, Krankheiten – zum Beispiel Diabetes Mellitus oder rheumatische Erkrankungen – und Medikamente können eine Rolle spielen. Frauen sind ausserdem nach der Menopause oft betroffen, da der Körper dann weniger Östrogen produziert.
Und welche Umwelteinflüsse machen uns das Leben schwer?
Umweltverschmutzung, Heizungsluft, … Dazu kommt das ständige auf-den-Bildschirm-Starren, das sogenannte «Office-Eye-Syndrom», das heute leider sehr viele Leute betrifft. Dabei blinzelt man viel zu selten, sodass erstens der Tränenfilm nicht oft genug verteilt wird und zweitens auch die Meibomdrüsen nicht ausgedrückt werden.
So viele Probleme – was ist die Lösung? Was hilft effektiv gegen trockene Augen?
Am besten geht man zu allererst zum Augenarzt, und zwar zu einem, der sich auf trockene Augen spezialisiert hat, und lässt die Ursachen abklären. In 90% der Fälle werden wie gesagt die verstopften Drüsen schuld sein. Es kommt aber unter anderem auch das «Sjörgen-Syndrom» infrage, bei dem nicht die Meibom-, sondern die Tränendrüsen zu wenig Flüssigkeit produzieren. Eine gründliche Untersuchung ist also wichtig. Und dann wird behandelt.
Ist es denn erlaubt, sich jeden Tag Tropfen in die Augen zu träufeln?
Sofern die Tropfen keine Konservierungsmittel enthalten, ist das vollkommen unbedenklich. Konservierungsmittel können auf Dauer der Augenoberfläche zusetzen und Entzündungen auslösen. Je nach Schweregrad der Symptome gibt es dann dünnere und dickere Tropfen, Gels und Salben. Ist die Verstopfung der Drüsen sehr drastisch, empfehle ich eine Lidrandhygiene. Die kann auch ganz einfach zu Hause durchgeführt werden: Man tränkt herkömmliche Wattepads in warmem Wasser, legt sie sich für etwa fünf Minuten auf die geschlossenen Augen und massiert anschliessend mit den Fingerspitzen Ober- und Unterlied. Durch die Wärme wird das eingetrocknete Fett wieder flüssig und dank der Massage verteilt.
Und wenn die Ursache ernster ist?
Wenn die Trockenheit über einen längeren Zeitraum besteht, kann sie auf der Augenoberfläche einen Reiz auslösen, der sich zur Entzündung entwickelt. Dann ist das Auge endgültig irritiert und es helfen auch keine reinen Befeuchtungstropfen mehr. Für diese Situationen gibt es entzündungshemmende Mittel mit Kortison, die verschrieben werden. In ganz, ganz extremen Fällen wird eine Eigenserum-Therapie angewendet. Hier wird dem Patienten Blut abgenommen, das zentrifugiert und quasi zu massgeschneiderten Augentropfen verarbeitet wird.
Was ist mit Kontaktlinsenträgern? Müssen die etwas besonders beachten?
Es gibt spezielle Tropfen für Kontaktlinsen. Abgesehen davon eigentlich nicht.
Wenn ich jetzt also tropfe, massiere oder meine entzündungshemmenden Mittel nehme – werde ich dann geheilt? Oder wird die Trockenheit nur vorübergehend behoben?
Auch das kommt auf die Diagnose an. Junge Menschen, bei denen die Symptome noch nicht chronisch sind, können für lange Zeit oder sogar für immer geheilt werden. Wenn die Symptome chronisch sind, sind wahrscheinlich die Meibomdrüsen nicht mehr richtig intakt und das lässt sich bisher leider nicht beheben. In diesen Fällen muss auf Dauer behandelt werden. Es gibt aber ziemlich neu eine Lichttherapie, bei der die Nerven der Drüsen stimuliert und so angeregt werden, wieder mehr Fett zu produzieren. So kann man monate- oder jahrelang ohne oder nur mit sehr wenig Beschwerden leben.
Können wir unseren Augen das Leben generell irgendwie erleichtern?
Abgesehen von Tropfen, Lidrandhygiene und Lichttherapie kann man sein Wohn- und Arbeitsumfeld optimieren. Im Winter lohnen sich tatsächlich Luftbefeuchter. Ausserdem sollten wir so wenig wie möglich auf Bildschirme starren. Wenn es sich aufgrund der Arbeit nicht vermeiden lässt, dann wenigstens abends Laptop und Smartphone auslassen. Ausserdem gibt es noch Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren. Daran scheiden sich die Geister … Die einen sagen, sie helfen der Funktion der Meibomdrüsen, die anderen meinen, das sei Humbug. Fest steht: Schaden tun sie nicht. Wer sich damit besser fühlt, soll doch die noch zusätzlich nehmen.
Vielen Dank, Dr. Nagy!