Je nackter, desto besser. Die aktuellen Trend-Sandalen bestechen vor allem durch eines: wenig Material. Das kann schön aussehen, ist aber auch gefährlich. Fussorthopäde Dr. med. Christian Hausmann war langjähriger Oberarzt an der Schulthessklinik in Zürich und ist heute im Fusszentrum St. Gallen tätig. Sein Fazit zu unseren neuen Lieblingsschuhen? Ernüchternd.
Herr Hausmann, Thong Heels – also Flip-Flops mit Absatz – sind der Schuhtrend des kommenden Sommers. Sind die Flip-Flops mit Absatz unbedenklich?
Nein, denn alleine der Flip-Flop birgt schon einige Risiken. Der Fuss ist komplett ungeschützt. Ein Aufprall oder ein herunterfallender Gegenstand – schon hat man Schnittwunden, Blessuren oder eingeklemmte Zehen. Hinzu kommt nun noch ein Absatz ohne Halt für den Fuss. Spätestens bei nassem Untergrund wird es mit den Thong Heels sehr rutschig und gefährlich.
Wo genau liegt dabei das Problem?
Wer mit Absatz läuft, verdoppelt die Gefahr eines Umknick-Unfalls. Auf Heels zu laufen, ist mit Übung verbunden. Gleichgewichtssinn und Muskelstärke sowie gesunde Füsse ohne Fehlstellungen sind die Grundvorraussetzung. Gerade Frauen leiden aber häufig an einem Knick-Senk-Fuss oder anderen Fehlstellungen. Diese führen zu einem deutlich erhöhten Risiko für Unfälle oder Überlastungen.
Gibt es trotzdem Frauen, für die der Trend geeignet ist?
Ja. Geübte Absatzträgerinnen ohne Fuss-Fehlstellung können es sich erlauben, den Trend mitzumachen. Wer mit Absatz läuft und dabei wackelt wie auf Stelzen, ist nicht schön anzuschauen. Ausserdem sollten schön gepflegte Füsse in offenen Schuhen selbstverständlich sein. Ist beides gegeben, können die Trend-Modelle sehr wohl für ein reizendes und elegantes Gangbild sorgen.
Wer sollte lieber die Finger davon lassen?
Für Frauen mit instabilen Gelenken und Fehlstellungen sind diese Schuhe absolut nicht zu empfehlen.
Wie sieht es aus bei Flip-Flops ohne Absatz?
Auch hier ist Vorsicht geboten. Oft sehe ich Menschen, die neben dem Flip-Flop laufen. Entweder passen die Ferse, die Grosszehe oder die Kleinzehe nicht auf die Lauffläche. Einen ohnehin schon kranken Fuss kann ich mit dem Tragen eines Flip-Flops noch kranker machen. Dies resultiert dann in Sehnenentzündungen, Überlastungsreaktionen oder einer Verschlechterung der Fehlstellung. Ausserdem ist der Fuss immer ohne Schutz der Umwelt ausgesetzt, Verletzungen und Schürfwunden sind da fast normal und werden sogar in Kauf genommen.
Haben Flip-Flops auch Vorteile?
Ein Flip-Flop bedeutet Freiheit und Wohlgefühl für unsere Füsse. Er ist unkompliziert, luftig und erinnert uns an Ferien. Sie lassen sich am Strand schnell ausziehen und können auch unbedenklich nass werden. Ein Tag am See, ein Apéro oder kurze Wegstrecken sind mit Flip-Flops gut möglich, auch für jemanden, der nicht regelmässig offene Schuhe trägt.
Und was halten Sie von Naked Sandals?
Schöne und trainierte Füsse finden darin einen würdigen Rahmen und kommen gut zur Geltung. Schöne Füsse sind leider selten und trainierte schöne Füsse noch seltener. Darum macht auch dieser Trend bei Fehlhaltung und instabilen Füssen keinen Sinn. Hier gilt dasselbe wie bei den Thong Heels.
Worauf sollte man denn bei der Wahl von offenen Sommerschuhen grundsätzlich achten?
Prinzipiell ist das Tragen von offenen Schuhen gut, ausser wenn eine Fehlstellung vorhanden ist. Passt der Fuss nicht auf die entsprechende Sohlenfläche ist ebenfalls davon abzuraten. Hat man per se eher instabile Gelenke oder Entzündungen ist es ebenfalls nicht sinnvoll, offene Schuhe zu tragen. Die offenen Schuhe sollten den Tätigkeiten angepasst werden. Immer wieder sehe ich Menschen, die im Gebirge mit Sandalen wandern.
Haben Sie in Ihrer Praxis viele Fälle, die durch falsches Schuhwerk verursacht wurden?
Ja, sehr häufig. Meistens sind sich die Patienten der Gefahren nicht bewusst. Marketing und Modetrends führen oft zur Wahl des falschen Schuhs. Ein grosser Anteil meiner Arbeit besteht darin, die Patienten bezüglich der korrekten Schuhauswahl zu informieren und zu beraten. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Man benötigt keinen speziellen Gesundheitsschuh, sondern vielmehr einfach den Mut, auf ein trendigeres Modell auch mal zu verzichten.